Brautpaar vor der Josephskirche in Peking am 11. Mai Brautpaar vor der Josephskirche in Peking am 11. Mai 

China: Die Religionen und der Lockdown

In den ersten 20 Tagen im Januar sind die Stätten für religiöse Aktivitäten aller Religionen in ganz China zur Vermeidung von Ansteckungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schrittweise geschlossen worden.

Kollektive religiöse Handlungen wie öffentliche Gottesdienste durften nicht mehr stattfinden. Dies erfolgte nach Angaben des Informationsdienstes „China heute“ auf Anordnung der Regierungsbehörden. Die offiziellen leitenden Vorstände der fünf Religionen - Taoismus, Götter- und Ahnenkult, Buddhismus, Christentum und Islam - gaben entsprechende Bekanntmachungen heraus. Auch die religiösen Ausbildungsstätten wurden geschlossen, der Studienbeginn wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Am 6. April gab der Staatsrat in einem Schreiben zum weiteren Vorgehen in der Corona-Bekämpfung bekannt, dass Veranstaltungsorte je nach Situation vor Ort nach und nach mit begrenzter Besucherzahl wieder den Betrieb aufnehmen können. Sportliche Großveranstaltungen, kollektive religiöse Aktivitäten (Gottesdienste, Wallfahrten usw.), Ausstellungen und Messen dürfen jedoch nicht stattfinden.

Geschlossene Kirchen

Die chinesische buddhistische Vereinigung wies am 20. April alle lokalen Vereinigungen an, auch an Buddhas Geburtstag am 30. April auf Dharma-Versammlungen zu verzichten. Die offiziellen katholischen Kirchenleitungen teilten am 26. April mit, dass die strengen Einschränkungen im Marienmonat Mai fortgesetzt werden müssen und keine Wallfahrten stattfinden. In die Zeit der Schließung religiöser Stätten fielen auch andere wichtige religiöse Feiertage - wie die Karwoche, Ostern und der Ramadan.

Die Kirchen blieben auch im gesamten Monat Mai geschlossen. Die sich fortsetzenden religiösen Einschränkungen werden seitens der Regierung mit Bedenken um die Sicherheit und Gesundheit von Pfarrern, Priestern und Gläubigen begründet. Um diese nicht zu gefährden, sollten jegliche Rückfälle durch Menschenansammlungen vermieden werden.

Gebet für Corona-Opfer

Die unter Leitung der Einheitsfrontabteilung der Kommunistischen Partei (KP) tagende Gemeinsame Konferenz der nationalen religiösen Organisationen ermutigte bereits Mitte Februar das Lehrpersonal religiöser Ausbildungsstätten, in der Zeit der Schliessung den Studierenden Online-Unterricht und Betreuung anzubieten.

Alle Religionen riefen zu persönlichem Gebet, Meditation, Lektüre religiöser Texte zu Hause in den Familien auf, die so zu „nicht registrierten Stätten für religiöse Aktivitäten wurden“, wie der vatikanische Pressedienst „AsiaNews“ erklärte. Insbesondere wurde natürlich für die Corona-Opfer, die medizinischen Helfer und das Wohl des Landes und der betroffenen Regionen gebetet.

Religiöses Leben im Lockdown

Das Internet und die sozialen Medien dienten als ein Mittel, mit dem die Glaubensgemeinschaften das religiöse Leben in China seit der Schließung der religiösen Stätten aufrechterhalten.

Christen in China können also ihren Glauben auch in Zeiten von Corona leben, da zumindest in den Städten ein exzellentes Kommunikationsnetz existiert. In ländlichen Gegenden hingegen gibt es jedoch, was die Technik betrifft, in den Gemeinden einen großen Nachholbedarf. Auch der Kontakt unter den Gemeindegliedern gestaltet sich mangels Technisierung schwierig, Kirchenmitglieder verlieren dort oft die Anbindung an ihre Gemeinden.

Die Internetkirche lebt

Der in Taiwan tätige katholische Pfarrer Willi Boehi beschreibt die Nutzung digitaler Medien in China während der Corona-Pandemie in „China heute“ wie folgt: „Fast alle Pfarrer und Pfarrerinnen in China schätzen den Nutzen von Digitalisierung und die Möglichkeiten mobiler Kommunikation schon seit über zehn Jahren sehr hoch, aber nie so hoch wie seit Anfang dieses Jahres. Seit dem 23. Januar müssen ja alle religiösen Stätten geschlossen bleiben. Dank Internet und mobiler Kommunikation sind die Christen in China trotzdem in der Lage, Gottesdienste zu feiern. Da wegen der Ausgangssperre in China ab dem 23. Januar alle zu Hause bleiben mussten, stiegen die zeitlichen Möglichkeiten und der Bedarf, noch häufiger als sonst an Bibelkreisen und Gottesdiensten per Apps teilzunehmen. Die lokalen Gemeinden haben entweder eigene Apps entwickelt oder eine Beteiligung an sozialen Kommunikations- Apps von den Telefongesellschaften gemietet. Das funktioniert bis heute gut. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Behörden die Aktivitäten der Gemeinden im Internet nach Abflauen der Corona-Krise wieder einschränken werden.

Die Nutzung digitaler Medien durch die Gemeinden bzw. die 'Internetkirche' gibt es in China seit mehr als zehn Jahren. Alle modernen technischen Möglichkeiten wurden sofort genutzt, als sie verfügbar wurden. Fast alle protestantischen Pfarrerinnen und Pfarrer haben eigene WeChat IDs. WeChat ist ein chinesischer Chat-Dienst für soziale Netzwerke, vergleichbar mit WhatsApp, allerdings mit deutlich mehr Funktionen ausgestattet. Online-Gottesdienste waren bislang eine Ergänzung zu den traditionellen religiösen Aktivitäten. Pfarrer schickten per Mail oder über soziale Nachrichtendienste Bibeltexte, Videos von Predigten oder Meditationen an Mitglieder ihrer Gemeinden. Es kam auch vor, dass sie Online-Gottesdienste feierten, dann aber in der Regel ausserhalb von und zusätzlich zu den Wochenenden. Mitglieder der Kirchen feiern traditionellen Gottesdienst weiterhin in den Kirchen. Aber seit der Schliessung der Kirchen in der Corona-Krise spielt die Internetkirche nicht mehr eine nur ergänzende Rolle, sondern bleibt als einzige derzeit mögliche Form des Gemeindegottesdienstes.“

Die Rolle der Religionsbehörden

Während der Corona-Krise haben die Religionsbehörden - so „China heute“ - die Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften bei der Seuchenprävention, etwa durch Schließung der religiösen Stätten, der Stabilisierung der Emotionen ihrer Gläubigen sowie beim Sammeln von Spenden für die Nothilfe gewährleistet. Die Einheitsfrontabteilung der KP äußerte sich Mitte Februar in einem Bericht positiv über den Beitrag der fünf Religionen zur Epidemiebekämpfung. Darin wurden die Religionen auch dafür gelobt, dass sie die Gläubigen dazu anleiteten, keine Gerüchte oder Irrlehren zu verbreiten - etwa solche, die die Epidemie als Vorzeichen für das Ende der Welt deuten - , und „wissenschaftlich und rational" mit der Epidemie umzugehen. Trotz fortgesetzter Schließung der religiösen Stätten fanden schon im März wieder religionspolitische Schulungen mit physischer Präsenz statt, etwa am 25. März für 50 katholische Priester, Schwestern und Laien der Diözese Mindong in Fujan.

Schwierigkeiten bei der Wiedereröffnung der Kirchen

Die religiösen Stätten (Kirchen, Tempel usw.) waren wegen der Pandemie rund fünf Monate geschlossen. Seit Anfang Juni können die Kirchen wieder geöffnet werden. Dazu sind jedoch Genehmigungen aller Autoritätsebenen und Garantien für vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen erforderlich.

Die religiösen Stätten waren die letzten Einrichtungen, die nach der Industrie, der Gastronomie, Kinos und Straßenmärkten, wieder öffnen durften.

Die Katholisch-Patriotische Vereinigung teilte am 29. Mai mit, dass „religiöse Stätten, welche die Bedingungen der Epidemieprävention befolgen“, ihre Gottesdienste ab 2. Juni schrittweise wieder aufnehmen können.

„Um die Kirche wieder zu öffnen, müssen wir zuerst die Erlaubnis der Behörden auf allen Ebenen erhalten: aus Dorf, Stadt, Provinz, und dies erfordert Zeit und Reisen. Darüber hinaus müssen wir die Kirche darauf vorbereiten, die Gläubigen willkommen zu heißen und die sanitären Vorschriften zu gewährleisten“, so der katholische Priester Paul aus Zentralchina in einem AsiaNews-Bericht. Die Kirchengebäude können nur unter der Bedingung wiedereröffnet werden, dass die Kirchengemeinden Maßnahmen zur Verhinderung von Pandemien wie Temperaturkontrolle, Masken, Desinfektionsmittel, Routen usw. garantieren. In einigen Provinzen, wie beispielsweise in Sichuan, sei zusätzlich eine besondere Erlaubnis erforderlich, um Katechismuskurse wieder aufnehmen zu können, so AsiaNews.

(cbs kultur info – sk)
 

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07. Juni 2020, 11:40