Hagia Sophia: Kommt ein Kompromiss?
Die im sechsten Jahrhundert erbaute Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit), damals die größte Kirche der Welt, wandelten die Osmanen nach der Eroberung Konstantinopels, heute Istanbul, im Jahr 1453 in eine Moschee um. Unter Staatsführer Atatürk wurde sie 1934 zu einem Museum.
Am 2. Juli will das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei über den künftigen Status des Gebäudes entscheiden. Daran gibt es Kritik. Die Denkmalschutzvereinigung hatte bereits früher Vorstöße unternommen, um eine Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zu erreichen; diese blieben jedoch erfolglos.
Touristen stören mehr als Beter
Eine einseitige Rückkehr der Hagia Sophia zum Status als Moschee würde ihrer fast tausendjährigen Bedeutung als im Jahr 539 vollendete bedeutendste Kirche der Christenheit nicht gerecht, gab Sahak zu bedenken. Er empfinde zudem die Anwesenheit von betenden Muslimen und Christen angemessener als die derzeitigen Besucherströme von schaulustigen, aber auch oft ehrfurchtslosen Touristen. „Mögen wir auch verschiedenen Religionen angehören, so dienen wir doch dem Einen Gott“, fügte der Geistliche hinzu.
Regierungsnahe Medien wie die Zeitung „Sabah“ berichteten positiv über den Vorstoß des Patriarchen. Beobachter werten dies als Zeichen dafür, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan eine solche Lösung zumindest in Erwägung ziehen könnte.
Umfrage: 73 Prozent der Türken für Hagia Sophia als Moschee
Der frühere „Hürriyet“-Chefredakteur Ertugrul Özkök (einer der bekanntesten Journalisten der Türkei) stellte in einem Kommentar fest, die Bestrebungen zur Re-Islamisierung der Hagia Sophia vertrügen sich schlecht mit dem Stolz auf die vielberufene Rolle Konstantinopels als ein „Ort vieler Kulturen und Glaubensbekenntnisse“. Wörtlich stellte Özkök fest: „In einem Land, in dem tagtäglich in 100.000 Moscheen die fünf muslimischen Tagzeitengebete erklingen, war ich immer der Auffassung, dass es gut wäre, wenn wir ein zentrales Gotteshaus eines anderen Glaubensbekenntnisses als kulturelles und heiliges Monument bewahren“.
Es gibt allerdings eine Meinungsumfrage des Forschungsinstituts „Areda Survey“, derzufolge 73,3 Prozent der türkischen Bürger für eine Wiedereröffnung der Hagia Sophia für den islamischen Kultus sind, 22,4 Prozent sind dagegen, 4,3 Prozent haben keine Meinung. Laut Areda Survey war die Umfrage repräsentativ, 2.500 Personen wurden befragt. In der öffentlichen Diskussion wird verschiedentlich darauf verwiesen, dass die aktuelle Regierung auch lange Zeit als Museen genutzte Gotteshäuser anderer Glaubensgemeinschaften wieder für den Kultus geöffnet habe, so die armenisch-apostolische Kathedrale Surp Giragos in Diyarbakir (Amida) oder die Hauptsynagoge in Edirne (Adrianopel).
Protest und Warnungen aus Athen
Der Heilige Synod der orthodoxen Kirche von Griechenland rief die türkischen Behörden zu einem respektvollen Umgang mit dem weltbekannten Gebäude auf. Das oberste Gremium der orthodoxen Kirche Griechenlands nannte die Hagia Sophia ein architektonisches Meisterwerk und „außerordentliches Beispiel christlicher Kultur“. Der Wert des Bauwerks sei „universal“, so die Erklärung des Heiligen Synods.
Eine Umwandlung würde zu Protesten und Frustration unter den Christen in aller Welt führen und zugleich der Türkei in vielfältiger Weise schaden, hieß es weiter. Es sei daher „absolut notwendig“, die richtige Entscheidung zu treffen, um den „Status der Hagia Sophia als Museum zu bewahren“.
(pro oriente – sk)
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