Islamisches Iftar-Essen in der Nähe von Aleppo am 17. Juni Islamisches Iftar-Essen in der Nähe von Aleppo am 17. Juni 

Syrien: Neue US-Sanktionen sind „diabolisch“

Als „diabolisch“ bezeichnet der maronitische Erzbischof von Aleppo, Yousef Tobji, die neuen US-amerikanischen Sanktionen gegen Syrien („Caesar Act“). In Aleppo gebe es mittlerweile schon die paradoxe Übertreibung: „Unter den Bomben der Islamisten ging es uns besser“.

Die neuen US-amerikanischen Sanktionen würden die von der Europäischen Union bereits um ein Jahr verlängerten Maßnahmen noch verschärfen und die vom seit 2011 andauernden Krieg erschöpfte Bevölkerung hart treffen, sagte der Erzbischof im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur Fides. Dazu komme die Bedrohung durch die Coronavirus-Pandemie, die auch in Syrien Opfer fordere.

„Diese neue Bombe aus Washington ist unerwartet gekommen, sie tötet viele Menschen. Heute gibt es in Syrien echten Hunger, viele Menschen nähern sich einem langsamen und angekündigten Tod ohne mögliche Fluchtwege“, stellte der maronitische Erzbischof fest.

Blick von der historischen Zitadelle auf die Stadt Aleppo
Blick von der historischen Zitadelle auf die Stadt Aleppo

„Es könnte schlimmer nicht sein“

Der Wert der syrischen Lira sei drastisch gesunken, betonte Erzbischof Tobji: „Vor dem Krieg entsprach ein Dollar 50 syrischen Lira, jetzt braucht man fast 3.000 Lira, um einen Dollar zu kaufen. Das Durchschnittsgehalt eines Arbeitnehmers ist aber das von damals geblieben: 50.000 Lira, praktisch weniger als 20 Euro. Geschäfte schließen, kleine Unternehmen schließen, jeder versucht mit dem zu überleben, was er findet. Diejenigen, die das Geld bei den Banken im Libanon angelegt haben, können es aufgrund der libanesischen Finanzkrise nicht einmal abheben. In Krankenhäusern fehlen die notwendigen Medikamente und Geräte für lebensrettende Operationen. Wenn man sich mit den Nöten und Leiden der Familien befasst, hört man Geschichten zum Weinen. Es könnte schlimmer nicht sein.”

Der sogenannte „Caesar Act“ (offiziell „zum Schutz der syrischen Zivilbevölkerung“ bestimmt) wurde im vergangenen Dezember von beiden Parteien im US-Kongress unterstützt, um das Assad-Regime für die im Syrien-Krieg begangenen Gräueltaten zu bestrafen.

Spuren des Krieges sind allgegenwärtig
Spuren des Krieges sind allgegenwärtig

„Eine Lüge, die nicht einmal ein Kind glauben würde“

Aber der Vorwand der gezielten Sanktionen ist „eine Lüge, die nicht einmal ein Kind glauben würde“, so der maronitische Erzbischof: „Jeder sieht bestens, was das eigentliche Ziel ist: Das Leiden in der Bevölkerung zu erhöhen, um die Unzufriedenheit zu schüren und so einen Regimewechsel herbeizuführen. Aber diese Art zu handeln, ist kriminell. Ein ganzes Volk in einer Zeit wie dieser, in der es auch das weltweite Gespenst der Pandemie gibt, in derartige Bedrängnis zu bringen, ist terroristisch, unmenschlich. Und ein Zeichen dafür, dass man bereit ist, alles zu tun, um die eigenen Ziele zu verfolgen, auch dazu, Millionen von Menschen, Arme und Familien, zu opfern. Es ist eine diabolische Aktion.“

In dieser Situation ist es in Aleppo auch für Erzbischof Tobji vorrangig, zu versuchen, die ersten Anzeichen eines Neustarts zu ermuntern, die mit dem Ende des Konflikts eingetreten waren. Nächsten Monat „werden wir die maronitische Kathedrale nach zweijähriger Restaurierung, die durch die während des Krieges erlittenen Verwüstungen durch die Islamisten notwendig wurde, wieder einweihen“, sagte der Erzbischof: „Was bleibt uns übrig? Wir versuchen auf jeden Fall, auch in dieser Situation weiterzumachen, indem wir kleine Zeichen der Hoffnung nutzen. Wir bitten die Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt um ihre Gebete.“

(pro oriente – sk)
 

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21. Juni 2020, 10:05