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Hagia Sophia: Kritik von orientalisch-orthodoxer Seite

Auch die Oberhäupter der orientalisch-orthodoxen Kirchen haben ihre Betroffenheit über den türkischen Beschluss zur Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee zum Ausdruck gebracht.

Bedauern und Kritik

So bedauert der oberste armenisch-apostolische Katholikos-Patriarch Karekin II., dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan entgegen den Appellen aus dem kirchlichen und politischen Bereich die „einseitige und tadelnswerte Entscheidung“ zur Umwandlung des Gotteshauses gefasst „und damit auch die Rechte der nationalen und religiösen Minderheiten in der Türkei verletzt hat“, zitierte der Pro-Oriente-Informationsdienst am Mittwoch aus einer Stellungnahme des Katholikos-Patriarchen.



Die Hagia Sophia sei von „höchstem Wert“ für die ganze christliche Welt, betonte Karekin II. und stellte wörtlich fest: „Die armenisch-apostolische Kirche und das armenische Volk, das den Genozid in der osmanischen Türkei überlebt hat, teilen Schmerz und Sorge der orthodoxen Brüder und Schwestern.“



Die armenische Kirche, die während des Genozids tausende von Gotteshäusern und zahllose religiöse Kunstwerke verloren habe, verurteile die Entscheidung der türkischen Regierung, stellte der Katholikos-Patriarch fest. Diese politisch motivierte Entscheidung verletze den Prozess der Verständigung und des Dialogs zwischen den Religionen.



Im Zusammenhang mit der jüngsten Entwicklung sei bewusst geworden, dass die Hagia Sophia zusätzlich zu ihrem rein historischen und kulturellen Wert eine neue religiöse und politische Bedeutung als Symbol der Zusammenarbeit und Einheit der Menschheit und Gegenbild des „Kampfes der Kulturen“ (clash of civilizations) gewonnen habe. Das Gebet der armenischen Kirche gelte dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. als einem „geliebten Bruder“ und den Gläubigen der orthodoxen Kirche, die sich durch die einseitige Entscheidung der türkischen Regierung in einer schwierigen Lage befinden. 



Umwidmung zerstört Vertrauen

Der armenisch-apostolische Katholikos von Kilikien, Aram I., stellte in einer Erklärung fest, die Initiative des türkischen Präsidenten verneine die symbolische Bedeutung eines spirituellen und kulturellen Monuments, verzerre aber auch historische Fakten und internationale Konventionen. Die Türkei ignoriere aber auch die Reaktionen ihrer „alten und neuen Freunde“, die gegenwärtige türkische Politik zerstöre das bisher erzielte Vertrauen im christlich-islamischen Dialog auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene.



Die „Umwidmung“ der Hagia Sophia enthülle den Zynismus und die Heuchelei, die sich hinter den Bekundungen zur Kooperation mit dem Westen und christlichen Gemeinschaften verbergen. Er müsse die politischen und religiösen Führungspersönlichkeiten aber auch daran erinnern, dass die Türkei unmittelbar nach dem Genozid während des Ersten Weltkriegs tausende armenische Kirchen beschlagnahmt hatte, um sie in Kaffeehäuser, Ställe usw. umzuwandeln, betonte Aram I. Der Völkermord gehe weiter mit der gleichen Mentalität wie vor 100 Jahren. 



Herausforderung der Menschheit

Der Katholikos der indisch-orthodoxen Kirche, Basilios Mar Thoma Paulos II., stellte in einem Offenen Brief an die Staatsoberhäupter sowie an die Hierarchen der Kirchen fest, der Akt der Umwandlung der Hagia Sophia stelle eine Herausforderung der Menschheit dar. Das Symbol des Glaubens, der Traditionen und Kultur der Orthodoxie, das Jahrhunderte hindurch in den Herzen der orthodoxen Gläubigen festen Bestand hatte, sei zerbrochen worden. Die Verursacher dieses „schändlichen Akts“ könnten vor der Geschichte nicht freigesprochen werden.

(poi/kap – pr)
 

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15. Juli 2020, 16:47