Libanon: Kardinal bittet um internationale Hilfe
Mit „einer gewissen Vehemenz“ ermahnte der Kardinal die libanesische politische Klasse und wies auf diejenigen hin, die sich nur um ihren eigenen Vorteil zu kümmern schienen und „weder dem Land noch ihrem Volk Loyalität zukommen lassen“. Das schreibt die libanesische Zeitung „L´Orient-Le Jour“ und zitiert den maronitischen Patriarchen. „Diese Politiker scheinen ihre Mit-Verantwortung für die Plünderung der Staatskasse verbergen zu wollen und sich jeder strukturellen oder sektoralen Reform zu entziehen“, habe Bechara Raï gesagt. Er sei davon überzeugt, dass eine solche Haltung das Vertrauen der arabischen und internationalen Gemeinschaft in den Libanon trotz seines großen Potentials nur untergraben würde.
Jahrzehntelange Misswirtschaft hätte zu der sozialen Explosion geführt, die sich seit Oktober spürbar mache. Das Resultat seien mehr Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption, fasst der Kirchenmann zusammen. „Und was bedauerlich ist, ist die Tatsache, dass die politischen Führer, unabhängig von ihrer Funktion, nicht den Mut und die innere Freiheit haben, gemeinsam nach einer politischen Lösung zu suchen und die Wurzel unserer Krisen anzugehen“, beklagte der Patriarch.
„Seit wann ist Erniedrigung zur libanesischen Lebensweise geworden? Seit wann sind die Menschen gezwungen, auf der Straße zu betteln, ja aus Hunger sogar Selbstmord zu begehen?“, empörte er sich und bezog sich dabei auf drei Selbstmordfälle in weniger als 24 Stunden in der vergangenen Woche.
Das arabische Land, das seit langem als Modell für den Nahen Osten galt, leidet noch immer unter den Auswirkungen der Krise: Schulen und Universitäten wurden geschlossen oder stehen kurz vor der Schließung, die Krankenhäuser werden reduziert, das Geld der Einleger wird „von den Banken selber beschlagnahmt“. Der Kardinal geht noch weiter: Für ihn sei der Libanon „in Privateigentum verwandelt worden, das von einer politischen Klasse konfisziert wurde, die zum Schaden des öffentlichen Interesses eigenmächtig darüber verfügt“.
Neutralität ist die Stärke des Libanon
Doch Patriarch Raï verspricht auch, dass sein Volk sich nicht beugen und nicht schweigen werde. „Die Revolution unseres gedemütigten Volkes verdient es, geschützt und nicht unterdrückt zu werden. Die Gefahr geht nicht von jungen Menschen aus, Männern und Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, die den Wandel und die Zukunft verkörpern. Die Subvbersion spielt sich außerhalb der Revolution ab“, sagt der Kardinal in aller Deutlichkeit.
Zwei Appelle schließen die leidenschaftliche Rede ab. Zuerst an Präsident Michel Aoun, den der Kardinal auffordert, „sich für die Aufhebung der Belagerung einzusetzen, die der Legalität und der freien nationalen Entscheidung auferlegt wurde“; dann an befreundete Länder und an die internationale Gemeinschaft, damit sie dem Libanon „zu Hilfe kommen“ und sich endlich verpflichten, seine Unabhängigkeit und Neutralität zu schützen.
(vatican news/l´orient-le jour – mg)
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