UNICEF: Zukunft von 600 Millionen Kindern durch Corona gefährdet
Mario Galgano und Lydia O´Kane – Vatikanstadt
In der vergangenen Woche warnte das UN-Kinderhilfswerk UNICEF, dass die Coronavirus-Pandemie „die kommenden Jahrzehnte der Gesundheit, Bildung und anderer bisheriger Fortschritte für Kinder in ganz Südostasien zunichte macht“.
In dem neuen Bericht, der am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde, sagte ein UNICEF-Vertreter, dass „die Regierungen dringend Maßnahmen ergreifen müssen, um zu verhindern, dass Millionen von Familien wieder in die Armut abrutschen“.
Die Ergebnisse des Berichts mit dem Titel „Lives Upended“ („Leben in der Schwebe“) zeigen, dass „die Nebenwirkungen der Pandemie schwerwiegende Folgen für etwa 600 Millionen Kinder weltweit haben“.
Dem Dokument zufolge „sind Impfungen, Ernährung und andere lebenswichtige Gesundheitsdienste schwer gestört worden, was in den nächsten sechs Monaten das Leben von bis zu 459.000 Kindern und Müttern in Südostasien bedrohen könnte“.
Auswirkungen auf Familien
Nach der Veröffentlichung des Berichts sagt Simon Ingram, der Autor des UNICEF-Berichts, im Interview mit Radio Vatikan, dass es zwar seit einiger Zeit offensichtlich sei, dass das Ausmaß der Pandemie verheerende Auswirkungen auf eine Reihe von lebenswichtigen Diensten für Kinder habe, dass aber „die Geschwindigkeit, mit der durch Covid-19 verursachte wirtschaftliche Zusammenbruch in der Region auf die Familien einschlug, eine größere Überraschung war“.
Er stellte fest, dass die Familien nach dem Ausbruch sehr schnell nicht in der Lage waren, sich selbst zu ernähren, und dass sie sich in vielen Fällen keine medizinische Versorgung für ihre Kinder leisten konnten.
Das wahre Ausmaß der Situation zeige sich jetzt mit der sehr realen Gefahr, dass „weitere 120 Millionen Kinder in den kommenden Monaten in die Armut gedrängt werden“, sagte er.
Die Ernährungsunsicherheit nimmt dem Bericht zufolge zu, vor allem in Ländern wie Bangladesch, wo sich einige der ärmsten Familien drei Mahlzeiten am Tag nicht leisten können.
UNICEF-Autor Ingram unterstrich jedoch, dass diese dramatische Situation für Länder in Südostasien „wirklich quer durch alle Bereiche geht“. Er verwies auf Afghanistan, das bereits bestehende Probleme wie Unterernährung und einen anhaltenden Konflikt hat. Er sagte aber auch, dass die Malediven, die in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in den Bereichen Bildung und Gesundheit gemacht haben, nun die dramatischen Auswirkungen der Pandemie zu spüren bekommen, vor allem im Bereich des Tourismus.
Bildung
Aus bildungspolitischer Sicht waren mehr als 430 Millionen Kinder aufgrund der Pandemie auf Fernunterricht angewiesen. Der UNICEF-Report unterstrich, dass „viele Haushalte - vor allem in ländlichen Gebieten - keinen Strom haben, geschweige denn einen Internetzugang“. Deshalb sei dort der Fernunterricht gar nicht möglich gewesen.
Der Verfasser des Berichts beschrieb die Auswirkungen der Pandemie auf die Bildung als „fürchterlich und schrecklich“. Er sagte auch, dass UNICEF dazu aufrufe, Schulen wieder zu öffnen, damit die Kinder weiter lernen können, vorausgesetzt, sie könnten sicher geöffnet werden. „Wir verstehen zwar, dass die Regierungen sehr schwierige Entscheidungen treffen mussten, vor allem am Anfang, um ihre Bevölkerung vor der Pandemie zu schützen, aber die Beweise reichten unserer Meinung nach nicht aus, um die weitere Schließung von Schulen zu rechtfertigen“.
Missbrauch
Eine weitere Sorge, so das Kinderhilfswerk, sei die Zunahme von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern, die in eingeschränkter Bewegungsfreiheit und sozioökonomischem Niedergang leben.
Während des Ausbruchs, fügt Ingram an, habe UNICEF einen „Anstieg der Anrufe von Kindern beobachtet, die sagten, sie seien Opfer von Missbrauch und Gewalt, weil sie zu Hause eingesperrt seien; im Wesentlichen mit ihren Tätern eingesperrt“. Er betonte auch, dass Gesundheits- und Sozialarbeiter aufgrund des Mangels an persönlicher Schutzausrüstung Schwierigkeiten hätten, Fälle von Kindern zu untersuchen, die Missbrauch anzeigen.
Langfristige Auswirkungen
Den Ergebnissen zufolge „hat das steigende Wohlstandsniveau in den letzten Jahren zu bedeutenden Fortschritten in Gesundheit, Bildung und anderen Bereichen für Kinder in Südostasien geführt“. Das Dokument zeigt auch, dass „Verbesserungen bei der Säuglings- und Müttersterblichkeit mit einem Rückgang der Zahl der Kinder außerhalb der Schule und der Kinderheiraten einhergingen“.
Doch aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der durch das Coronavirus ausgelöst wurde, litten Familien in der ganzen Region. Wie in vielen Ländern der Welt sei die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Löhne wurden gekürzt und der Tourismus wurde stark beeinträchtigt.
Vor diesem Hintergrund sagte Ingram, dass „auf der ganzen Linie die sehr reale Gefahr besteht, dass die Lebensaussichten von mehr als 600 Millionen Kindern in Südostasien in den kommenden Monaten auf traurige Weise verschlechtert werden, wenn nicht umgehend Maßnahmen ergriffen werden“.
Um die Auswirkungen auf ärmere Familien abzuschwächen, heißt es in dem Berich, sollten „die Regierungen unverzüglich mehr Mittel für Sozialschutzsysteme bereitstellen, einschließlich allgemeiner Notfallkindergeld- und Schulkantinenprogramme“.
Ingram äußerte die Hoffnung, dass „die Kehrseite“ dieses Berichts ein Aufruf zum Handeln in der betroffenen Region – also Südostasien – sein werde, um diese wesentlichen Schritte zu unternehmen, die den ärmsten Familien und den verletzlichsten Kindern in der Region Schutz vor den schlimmsten Auswirkungen der Pandemie bieten.
(vatican news)
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