Hagia Sophia: „Interreligiöse Nutzung unrealistisch"
„Die Aussicht auf eine interreligiöse Nutzung der Stätte der Heiligen Sophia erschien mir nie realistisch“, sagte der in Istanbul lebende Theologe in einem Interview mit uns. Entsprechende Vorschläge waren zuletzt in der Debatte um die Umwidmung des ehemaligen Museums in eine Moschee aufgekommen. Dazu Monge: „Aus persönlicher Erfahrung bezweifle ich sehr stark, dass es die Bedingungen auch nur für eine ökumenische Nutzung der heiligen Räume gäbe: es würde mehr Schulung über die jeweiligen rituellen Besonderheiten erfordern, um zu lernen, dass eine Aufmerksamkeit, die die Sensibilität des anderen respektiert, notwendig ist, damit das Teilen der Räume nicht zu einer fortschreitenden Besetzung der Räume wird.“
Ohne einer „geschwisterliche Begegnung“ der Religionen und „ohne Erziehung und Kenntnis des anderen und der Geschichte jedes Einzelnen“ gestalte sich das Verhältnis der Religionen schwierig, so der Domenikaner, der auch Präsident der Union der Religionen in der Türkei ist. Die Umwidmung der Hagia Sophia wertet der Ordensmann als „offensichtlichen Rückschlag im Dialog“ und „neuen Moment der Spannung“. Das Dialog-Dokument von Abu Dhabi habe die Notwendigkeit eines geschwisterlichen Kontaktes der Religionen deutlich gemacht, führte Monge weiter aus. Mit dem im Februar 2019 von Papst Franziskus und dem sunnitischen Großimam Abdullah al Tayyeb unterzeichneten Dokument verpflichten sich Christen und Muslime zum gemeinsamen Einsatz für Frieden und Toleranz, Dialog und Solidarität.
Kritik an Umwidmung aus der muslimischen Welt
Mit Blick auf weltweite Kritik an der Umwidmung des byzantinischen Bauwerkes in Istanbul hebt Pater Monge hervor, dass es auch auf muslimischer Seite Kritik an dem Schritt gegeben habe: „Weltweit hat es in der islamischen Welt nicht weniger negative Reaktionen gegeben als im Westen“, sagt der Theologe. Erdogans Politik werde im Weltislam mitnichten überall unterstützt, erinnert Monge: „In einem guten Teil der islamisch-arabischen Welt erwecken ,neo-osmanische‘ Träume in der Tat historische Verdächtigungen, die - von Kairo bis Riad - in auch theologische Zensurerklärungen für eine islamische Wiederaneignung übersetzt werden.“ Ein solches Vorgehen werde von islamischen Kritikern der Umwidmung der Hagia Sophia als Beeinträchtigung der „Heiligkeit eines Gotteshauses“ empfunden, „das ursprünglich den Leuten des Buches [Christen, Anm.] gehörte und zu dessen Achtung der Prophet des Islam immer gemahnt“ habe.
Die Schönheit der Fülle und des Widersprüchlichen
Pater Monge würde sich eine weitere Nutzung der Hagia Sophia als „weltliches“ Denkmal wünschen, wie er in dem Interview durchblicken lässt: „Die heilige Sophia ist eine jener weltlichen Stätten von verführerischer Schönheit, die stark von Gott spricht und die in ihrer ganzen Fülle und auch in der widersprüchlichen Natur eines symbolischen Ortes, der verschiedene religiöse und kulturelle Universen zusammenführt, weiterhin nutzbar sein sollte. In diesem Fall ist das Denkmal eine Schatztruhe der Schönheit, eine Schule der bereichernden Vielfalt.“
Pater Monge ist seit 2007 Superior der Dominikaner in der Türkei. Zudem wirkt er im päpstlichen Rat für Interreligiösen Dialog, in den ihn Franziskus 2014 berief.
(vatican news – pr)
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