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Nigeria: Kirche versucht bei Jugendprotesten zu vermitteln

Hunderte von Menschen, vor allem Jugendliche, protestieren in den letzten Tagen auf den Straßen von Lagos gegen Polizeigewalt. Auch ein Appell des Staatspräsidenten zur Ruhe und eine teilweise Ausgangssperre halten die Demonstranten nicht auf. Die Proteste richten sich in erster Linie gegen eine Polizei-Sondereinheit, der Brutalität und Willkür vorgeworfen werden. Beim Vorgehen gegen Demonstranten durch Sicherheitskräfte in Lagos starben am Dienstag nach Angaben von Amnesty international mindestens zwölf Menschen.

Christine Seuss und Andrea De Angelis - Vatikanstadt

Dutzende von Menschen wurden verletzt. Aufrufe zum Dialog sind bisher erfolglos geblieben. Zu den eindringlichsten Stimmen, die zur Besonnenheit mahnen, gehört die der Kirche. Es sei ein Recht junger Menschen, gehört zu werden, betont im Interview mit Radio Vatikan der nigerianische Priester Joseph Fidelis. Gleichzeitig prangert er Gewalttaten gegen christliche Kirchen an.

Zum Nachhören

Weltweit wird Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte laut. Nach den Vereinten Nationen verurteilte auch der Präsident der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, die Gewalt gegen Demonstranten in Nigeria „aufs Schärfste“ und rief dazu auf, „dem Dialog Vorrang einzuräumen“. Die nigerianischen Streitkräfte weisen allerdings Berichte, nach denen sie am Dienstag auf Demonstranten geschossen haben, als „Fake News“ zurück.

Die Auflösung der SARS

Schon seit Wochen fordern Demonstranten die Auflösung der Sonderabteilung für Raubbekämpfung (SARS). Sie werfen der Elitetruppe vor, im Laufe der letzten Jahre wiederholt gegen das Gesetz verstoßen und Gewalt, Vergewaltigung und Mord an Bürgern begangen zu haben. Obwohl Präsident Muhammadu Buhari am vergangenen Montag die Auflösung der Einheit ankündigte, gingen die Straßenunruhen weiter.

Zwar sei die SARS letztlich tatsächlich aufgelöst worden, doch es habe sich stattdessen gleich eine neue Gruppe gebildet. Dies wollten die jungen Menschen nicht akzeptieren, erklärt Joseph Bature Fidelis aus der Diözese Maiduguri in unserem Interview: „In den letzten drei Tagen hat eine Gruppe begonnen, wiederum gegen diese jungen Leute zu demonstrieren, und die Gewalt hat zugenommen. Dabei waren die Jugendlichen unbewaffnet und trugen nur die Landesfahnen“.

Die Forderungen der Jugendlichen


Die Demonstranten hätten sehr präzise Forderungen, erläutert der Priester: „Zuerst die Auflösung der SARS! Aber jetzt sind viele andere Forderungen hinzugekommen, darunter eine Entschädigung für die Familien der Opfer und ein Prozess für die Polizei.“

Unter den Protestierenden besteht die Befürchtung, dass die Gruppe nur dem Namen nach aufgelöst worden sein könnte, um die Bevölkerung zu beruhigen – dass aber die Gewalttäter in Uniform unter neuem Namen weiterhin aktiv und unbehelligt bleiben könnten. Dem tragen auch die sozialen Netzwerke Rechnung: aus dem Hashtag #endSARS, der zur Koordinierung der Demonstrationen verwendet wurde, ist innerhalb weniger Stunden #endSWAT geworden, der Name der neuen Schutztruppe. Junge Menschen fordern nicht nur mehr Ausbildung für Polizisten, sondern auch eine Erhöhung ihrer Gehälter, um Korruption und Gewalt in dem afrikanischen Land den Nährboden zu entziehen.

Die Rolle der Kirche

„Die Kirche lädt immer zum Dialog ein und arbeitet am Aufbau des Friedens. Das tut sie auch bei dieser Gelegenheit“, fügt der Priester mit Blick auf die Rolle der Kirche im Land hinzu. „Der Präsident der nigerianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Augustine Obiora Akubeze, hat bereits einen Brief geschrieben, in dem er die Regierung bittet, auf diese jungen Menschen zu hören, weil ihre Bitte gerechtfertigt ist.“

In dieser explosiven Gemengelage lassen sich auch religiös motivierte Konflikte nicht ausschließen, gibt der Priester zu bedenken: „Einige Jugendbanden haben diese Spannungen ausgenutzt und bereits zwei Kirchen in Brand gesteckt. Es wird befürchtet, dass die Gewalt zu einem auch religiösen Konflikt führen wird. Doch die Kirche bekennt sich auch bei dieser Gelegenheit dazu, den Dialog und den Austausch zwischen der Regierung und den Demonstranten zu fördern“. 

(vatican news)

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23. Oktober 2020, 08:29