Cornelius Sim, Bischofsvikar von Brunei Cornelius Sim, Bischofsvikar von Brunei 

Brunei: Ein Kardinal von der „Peripherie der Peripherie“

Ein roter Hut im Südchinesischen Meer: Einer der 13 Kirchenleute, die der Papst Ende November feierlich zu Kardinälen erheben wird, kommt aus Brunei. Eine überraschende Ehre für das kleine, aber öl- und gasreiche Sultanat auf der Insel Borneo.

Stefan von Kempis - Vatikanstadt

Zunächst konnte er es gar nicht fassen, dass der Papst gerade auf ihn verfallen war, erzählt uns Bischof Cornelius Sim, der Apostolische Vikar von Brunei. „Als ein Priesteramtskandidat mir sagte: Herzlichen Glückwunsch!, dachte ich, das wäre ein Witz. Aber dann kamen immer mehr Glückwünsche, und ich habe gedacht: Besser mal nachkontrollieren und den Angelus anhören. Und dann stimmte es offenbar!“

Er sei ein bisschen „schockiert“ gewesen, denn mit seiner Erhebung in den Kardinalsrang habe er ganz und gar nicht gerechnet, so der 69-Jährige. Immerhin ist die katholische Kirche in Brunei eine der jüngsten und kleinsten in ganz Südost-Asien. Als Sim 1989 zum Priester geweiht wurde, war er der erste Einheimische überhaupt in einem solchen Amt. Und 2004/2005, als Brunei von Rom zum Apostolischen Vikariat aufgewertet wurde, war Sim dann auch der erste einheimische Bischof des an Malaysia grenzenden Sultanats.

Sultan Hassanal Bolkiah von Brunei 2019 bei einem Auftritt in Bandar Seri Begawan
Sultan Hassanal Bolkiah von Brunei 2019 bei einem Auftritt in Bandar Seri Begawan

„Es gibt mich selbst, dann noch drei Priester…“

„Ja, es ist eine Herausforderung. Es gibt mich selbst, dann noch drei Priester… Wir sind keine große Kirche. Hauptsächlich Migranten. Ich glaube, wir haben 20.000 katholische Migranten. Die Herausforderung besteht darin, ihnen ein geistliches Zuhause zu geben. Sie sind weit weg von zuhause und kommen zu uns in die Kirche, weil sie da ein bisschen in Kontakt kommen mit etwas, das ihnen vertraut ist. Und wir tun einfach unser Bestes, um ihnen zu helfen. Manchmal haben sie auf einmal große Schwierigkeiten: Todesfälle, unvorhergesehene Krankheiten, bei denen sie keine Hilfe von staatlicher Seite bekommen. Und die Kirche versucht, diese Lücke zu füllen. Wir können das nicht in großem Stil tun, aber immerhin ein bisschen.“

Den meisten katholischen Gastarbeitern gehe es in Brunei ganz gut, denn sie seien dort in einem wohlhabenden Staat und leisteten häufig gute Arbeit, für die sie auch gut bezahlt würden. Es sei eigentlich „leicht, in Brunei Katholik zu sein“. Dass seit letztem Jahr schwere Strafen des islamischen Rechts der Scharia in Brunei eingeführt wurden, erwähnt Sim nicht. Die Kirche bemühe sich, die wohlhabenderen unter den Migranten dazu zu bewegen, dass sie sich auch um die kümmern, die es nicht so gut getroffen haben.

Zum Nachhören

Muslimische Mehrheit - aber es gibt in Brunei auch Buddhisten

„Die jungen Menschen – das ist etwas, worum wir uns auch sorgen. Da geht es Brunei nicht anders als anderen Ländern. In unserer globalisierten Welt spielen die sozialen Medien eine immer stärkere Rolle, und viele Vorstellungen, die an junge Leute herantreten, kommen nicht mehr aus den traditionellen Kanälen. Wir kommen nicht mehr so leicht an die jungen Leute heran.“

Alle Katholiken, die im Sultanat geboren seien, hätten – wie er selbst – die Staatsbürgerschaft von Brunei. „Unsere Rolle besteht nach wie vor darin, zu Frieden und Harmonie in der Gesellschaft beizutragen und mit Menschen anderer Überzeugungen und anderer Religionen gutwillig zusammenzuarbeiten. Eine Mehrheit – 70 Prozent – sind Muslime, aber es gibt in Brunei zum Beispiel auch Buddhisten. Wir Katholiken wollen unter Beweis stellen, dass auch wir einen Beitrag zu einem besseren und friedlicheren Brunei leisten können.“

Sim bei einer Messfeier
Sim bei einer Messfeier

„Die Kirche ist nicht nur Liturgie“

Brunei sehe sich selbst als ein „Hafen des Friedens“, und die Kirche sei immerhin schon seit etwa neunzig Jahren präsent. Ihr Beitrag sei vor allem im Schulwesen beachtlich; übrigens sei eine deutliche Mehrheit der Lernenden an den drei katholischen Schulen im Land natürlich muslimisch. „Und soweit wir sehen, sind sie ziemlich glücklich darüber, bei uns auf der Schule zu sein. Das ist einer der Bereiche, in dem wir etwas zur Gesellschaft beitragen.“

Sim hat für seine Ortskirche eine Liste mit sieben Prioritäten ausgearbeitet: Bibel- und Glaubens-Unterricht, Seelsorge für junge Leute und Familien, die Förderung von geistlichen Berufungen, Evangelisierung und Sozialarbeit. „Wir hoffen, einen stärkeren Gemeinschaftsgeist unter uns zu wecken. Die Kirche ist nicht nur Liturgie, so wichtig und zentral sie für uns auch sein mag: Die Kirche muss auch Beziehungen herstellen. Zunächst mal innerhalb der Gemeinschaft, bei den Familien angefangen. Und dann in die Gesellschaft hinein, an unsere Arbeits- und Studienplätze.“

Es gibt auch an kleinen Orten großen Glauben

Als wir ihn fragen, ob er eine Botschaft für Papst Franziskus hat, muss der künftige Kardinal lachen: „Er hat mir eine Botschaft geschickt! Aber ich würde ihm sagen: Danke, dass Sie jemanden von der Peripherie ausgesucht haben. Eigentlich sind wir sogar eine Peripherie der Peripherie…“

Vielleicht habe er im Interview zu sehr darauf insistiert, dass die Katholiken in Brunei mehr Gemeinschaftssinn untereinander bräuchten. Dabei könne er sich über die Katholiken im Land nicht beschweren, sie seien „sehr gläubig und loyal gegenüber der Kirche“, arbeiteten hart, brächten viele Opfer.

„Ich glaube, der Papst versteht auch, dass es Kirche auch an diesen kleinen Orten gibt, wo sie nicht groß auf sich aufmerksam machen kann. Auch dort ist der Glaube sehr lebendig. Also, ich möchte ihm danken, dass er auf diese Weise auf Brunei aufmerksam macht – denn keiner hatte das wohl vorher für möglich gehalten.“

„Wir sind nicht nur ein kleines Häuflein, isoliert in unserer Blase“

Der künftige Kardinal aus Brunei sieht in seiner Ehrung durch den Papst auch eine Botschaft an die ganze Weltkirche. „Als Kirche sind wir nicht nur ein kleines Häuflein von Menschen, alle isoliert in unserer kleinen Blase. Die Kirche ist viel größer: eine Gemeinschaft, die keine Grenzen der Rasse, der Hautfarbe, des sozialen Status kennt. Auch ob du Migrant bist oder eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hast, spielt in der Kirche keine Rolle, wir sind alle eins, weil wir alle Söhne und Töchter Jesu Christi sind. Wir sind aufgerufen, das zu verstehen und danach zu leben.“

(vatican news)
 

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11. November 2020, 11:48