USA/D: „Mit Biden haben die Katholiken gewonnen“
Mario Galgano – Vatikanstadt
Für Dr. Thomas Weber, Professor für Geschichte und internationale Politik an der University of Aberdeen, hat die jüngste US-Präsidentschaftswahl gezeigt, dass die „katholische Stimme“ gesiegt hat. Das sei nicht nur deswegen der Fall, weil Joe Biden ein Katholik ist. Mit „katholischer Stimme“ wird eine „ausgleichende Figur“ gleichgesetzt. So glaubt Weber, dass Biden ein Staatsmann sein wird, wie man es nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland kannte:
„Die positive Hoffnung wäre, dass er letztlich so eine Figur wird, wie es in Deutschland Konrad Adenauer war. Biden ist nicht nur ähnlich alt wie Adenauer, als dieser Bundeskanzler wurde. Adenauer war einer, den man völlig unterschätzt hat, zu dem Zeitpunkt, als er gewählt worden war. Man war sich nicht der Stärken von Adenauer bewusst. Ich denke, das ist bei Biden auch der Fall. Deshalb glaube ich, dass Biden der richtige Präsident für die jetzige Situation ist. Er hat eine Chance, verschiedene Seiten zusammenzubringen. Das soll jetzt nicht heißen, dass dadurch alles irgendwie rosig wird. Das ist nicht ein Alles-oder-Nichts-Bild. Aber ich glaube schon, dass zumindest die weitere Polarisierung und Radikalisierung dadurch etwas umgedreht werden kann und von daher bin ich relativ hoffnungsvoll.“
Katholische Themen
Auch die Themen, die bei der Wahl zur Sprache kamen, seien jene, die der katholischen Kirche ein Herzensanliegen seien. So ging es weniger um Wirtschaftsfragen, wie es viele Kommentatoren im Vorfeld und auch danach angaben. Vielmehr hätten beispielsweise viele Frauen deswegen für den demokratischen Kandidaten oder für Donald Trump gestimmt, weil es um Fragen wie Abtreibung und Lebensschutz ging. Diese Themen seien bei vielen Wählern wichtiger als Arbeitslosigkeit oder die Corona-Pandemie.
Ähnlich sieht es auch der Leiter des Amerika-Programms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Dr. Josef Braml. Er fügte an, dass auch die Frauenrechte ein Thema gewesen seien und zwar jene der „Frauen mit dem Colt“. Diese stünden für eine Gleichberechtigung ein, die viel komplexer sei, als das übliche Feministen-Bild vermuten lasse:
„Ja, das sind kulturelle Themen. Und vielleicht kann ich das als katholischer Niederbayer ganz gut einschätzen. Auch bei uns in Niederbayern – unter uns Hinterwäldnern – nimmt man nicht immer ganz so ernst. Ich glaube auch, dass wir in Deutschland ebenfalls so eine Debatte führen. Und zwar, dass die Eliten und die Städter nicht verstehen, wie das Land tickt.
Aber das ist keine Neuigkeit. Ich hatte versucht, den Wirtschaftsrat der Union vor Trumps Wahl zu warnen, auch der SPD und anderen Fraktionen hatte ich das gesagt. Das hatte ich auch schon vor vier Jahren gesagt. Es gibt da Parallelen zum Brexit. Die Unterschiede zwischen Land und Stadt sind keine Neuigkeit. Das war schon früher klar und das konnte man mit kulturellen Faktoren erklären. Wirtschaft ist nicht so signifikant, weil es an beiden Enden – bei den Armen und bei den Reichen – gleichermaßen Trump-Unterstützer gibt. Und diese Trump-Unterstützer sind diejenigen, die ganz gut damit leben können, dass er Steuern erleichtert und Regulierungen geschliffen hat. Aber das Ganze ist dann doch komplizierter.“
Einblick vor Ort
Beim Webinar der Görres-Gesellschaft sprach aus den USA auch Dr. Colin Barr, Visiting Faculty Fellow an der Keogh School of Global Affairs an der University of Notre Dame. Er gab einen direkten Einblick auf die Stimmen vor Ort. Seine Universität im Bundesstaat Indiana hat etliche Politiker hervorgebracht.
Moderiert wurde das eineinhalbstündige Online-Seminar von Dr. Ulrich Schlie, Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Professor Schlie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der US-Politik.
Die vier ausgewiesenen Amerika-Kenner beleuchteten den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten im Detail und diskutierten über die politische Agenda des gewählten Präsidenten Joe Biden sowie Amerikas künftige Rolle in der Welt. Die Konferenz ist auf Youtube zum Nachschauen online zugänglich.
(vatican news)
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