Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan 

Kardinal Dolan: „McCarrick war charmant, er log - und es hat funktioniert"

Aus Sicht des New Yorker Erzbischofs, Kardinal Timothy Dolan, zeigt der Vatikanreport zu Theodore McCarrick, dass der Kardinal viele durch seine Lügen täuschen konnte – ihn, Dolan, eingeschlossen. Auch Klerikalismus habe dazu beigetragen, dass geschehen konnte, was geschah. Das sagte der New Yorker Erzbischof in seinem Podcast „Conversation with Cardinal Dolan“.

„Er war ungeheuer talentiert darin, zu täuschen, zu manipulieren. Er war charmant, er log - und es hat funktioniert. Und es hat bei sehr vielen Leuten funktioniert. Wenn ich jetzt zurück schaue, muss ich sagen: Es hat auch bei mir funktioniert. Ich hatte nie Hinweise bezüglich sexueller Verfehlungen, aber ich muss sagen, ich bewunderte ihn. Ich hielt ihn für ein gutes Beispiel großer Energie und Liebe für die Kirche. Ich muss sagen, sein Zauber hat auch bei mir verfangen."

Mit diesen Worten beschreibt Kardinal Timothy Dolan in seinem jüngsten wöchentlichen Podcast, wie es dem früheren Kardinal McCarrick gelingen konnte, ein glaubwürdiges Bild von sich zu schaffen, das allerdings die Wahrheit überdeckte. Am Dienstag hatte das vatikanische Staatssekretariat nach zweijähriger Arbeit seinen „Bericht über das institutionelle Wissen und den Entscheidungsprozess des Heiligen Stuhls in Bezug auf den ehemaligen Kardinal Theodore Edgar McCarrick (Zeitraum von 1930 bis 2017)“ vorgelegt. Der einstige Erzbischof von Washington und Kardinal galt zu seiner Zeit sogar als engagierter Bekämpfer von Missbrauch. Auch den damaligen Papst Johannes Paul II. konnte McCarrick täuschen, wie der Vatikan-Bericht festhält: Er glaubte einem persönlichen Brief, in dem der US-amerikanische Bischof versicherte, die Gerüchte zu seinen Lasten seien haltlos oder jedenfalls unbewiesen.

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Hand in Hand: Lügen einerseits, Überhöhung von Priestern andererseits

„Der wahre Schurke hier, und es gibt nur einen, das ist Ted McCarrick", erklärt Kardinal Dolan nach der Lektüre des 460 Seiten starken Reports aus dem Vatikan. Aber: „Der zweite Schurke hier, so müssen wir - fürchte ich - sagen, ist ein Klima, das die Priester über das Gesetz stellte, sie privilegierte, Dinge zu tun, ohne dass sie darüber Rechenschaft ablegen mussten – das, was wir Klerikalismus nennen.“

„Der zweite Schurke hier, so müssen wir - fürchte ich - sagen, ist ein Klima, das die Priester über das Gesetz stellte“

Der Vatikan-Bericht enthalte viel „enttäuschendes, trauriges, furchtbares Material“, sagte Kardinal Dolan. Er sei dankbar, dass schließlich die Wahrheit ans Licht gekommen sei. Der New Yorker Erzbischof dankte ausdrücklich allen Opfern, die sich gemeldet und sexuellen Missbrauch angezeigt hatten und so zur Aufklärung beitrugen:

„Seit Vorwürfe öffentlich bekannt wurden, gab es Gott seidank Menschen, die sich meldeten. Ich bin sehr froh und dankbar, dass sie das getan haben, wir wissen das sehr zu schätzen, denn dazu braucht es viel - Wunden werden wieder aufgerissen...“

Als sich Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs mit Minderjährigen in Verbindung mit Machtmissbrauch erhärteten, entzog Papst Franziskus McCarrick 2018 die Kardinalswürde. Wenige Monate später entließ er ihn darüber hinaus aus dem Klerikerstand. 

(cardinaldolan.org/vatican news - sst)

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12. November 2020, 12:04