Äthiopien: Hunderte Tote in Tigray – Lage unklar
Es geht um die Region Tigray, die nördlichste Region Äthiopiens. Sie grenzt an Eritrea und den Sudan. Etwa 95 Prozent der Bevölkerung in Tigray sind Christen der äthiopischen koptisch-orthodoxen Kirche und gehören der Volksgruppe der Tigray an. Laut Regina Lynch von Kirche in Not werden hunderte von Bürgern bei den Konflikten in der Region getötet. Niemand kenne die wirkliche Zahl der Toten, „aber uns wurde gesagt, dass Priester und Kirchenführer darunter sind. Geschäfte, Schulen, Kirchen und Klöster wurden ausgeraubt und zerstört. Tausende von Menschen sind aus ihren Häusern geflohen. Viele haben die Grenze zum Sudan überquert, andere haben in abgelegenen Gebieten, in den Bergen, Zuflucht gesucht, ohne Wasser und Nahrung.“
Hunger ist in der ganzen Region Tigray ein Problem: Dort leiden 4,5 Millionen Menschen unter einer schlimmen Hungersnot, berichtet Patrick Kuebart, Länderreferent Äthiopien bei Caritas International, im Gespräch mit dem Kölner Domradio:
„Es hat in der Region von November bis Dezember einen bewaffneten Konflikt zwischen der Zentralregierung und der regionalen Befreiungsfront von Tigray gegeben. Und in dessen Folge stehen die Menschen jetzt mit leeren Händen da, sie haben also Hunger und großen Bedarf an humanitärer Hilfe. (...) Wir sind sehr besorgt über die Situation vor Ort. Die Berichte unserer Partner sind wirklich erschreckend. Zunächst einmal fehlt es wirklich an Essen. Die Menschen haben gerade nichts auf ihren Tellern. Es fehlt aber auch an Zugang zu Wasser und an wirklich einfacher medizinischer Versorgung. Aufgrund des Konfliktes sind viele Medizinstationen, viele Krankenhäuser geplündert worden. Einfachste Medikamente sind derzeit nicht vorhanden."
Dabei ist die Situation in Äthiopien vor Ort allgemein schon nicht einfach aufgrund der klimatischen Bedingungen. Es gibt immer wiederkehrende Dürren, hinzu kam dann noch eine Heuschreckenplage - und auch die Einschränkungen durch Covid-19 haben die Märkte und die Menschen vor Ort betroffen, berichtet der Caritas Äthiopien-Experte:
„Ein Problem ist der Ernteausfall. Im November hätte die Ernte eingeholt werden sollen. Das konnte wegen des Konfliktes, aber auch wegen des Heuschreckenbefalls nicht geschehen. Aber ein weiteres Problem ist auch, dass die Banken geschlossen sind. Man kommt fast nicht an Geld. Und die paar Banken, die offen haben, haben sehr eingeschränkte Bargeldbestände. Das heißt, egal ob man reich oder arm ist, momentan hat niemand etwas zu essen, weil die Märkte leer sind und auch kein Geld vorhanden ist, um überhaupt etwas zu kaufen."
Helfen ist aktuell extrem schwierig
Hilfe für die Menschen in Tigray gestaltet sich in dieser Lage natürlich auch schwierig. Logistik und Organisation von Hilfstransporten aus Europa kosten zudem auch Geld. Die Caritas kauft davon üblicherweise lieber vor Ort Hilfsmittel, das sei effektiver und unterstütze zudem die Märkte vor Ort, berichtet Patrick Kuebart. Doch aktuell ist jede Art der Hilfe schwierig, da zum einen das Essen vor Ort knapp ist und zum anderen die Konflikte eine Reise von Hilfstransporten unsicher machen:
„Das ist momentan noch relativ schwierig, unter anderem auch aus Sicherheitsgründen. Es gibt noch einen bewaffneten Konflikt in der Region. Offiziell sind die Kriegshandlungen zwar eingestellt, aber hier und da gibt es eben auch noch Vorfälle. Das ist also ein Problem. Dann sind die administrativen Hürden nicht immer ganz einfach. Auch die UNO berichtet davon, dass es momentan noch sehr lange dauert, die Hilfe überhaupt in die Regionen zu bekommen. Aber zumindest sind die katholische Kirche und die Caritas da sehr gut aufgestellt, denn wir reichen in die entlegenen Gebiete herein und können dann, wenn die Hilfsgüter vor Ort sind, auch dafür sorgen, dass wirklich alle Bedürftigen davon profitieren."
267 000 Euro Nothilfe hat Caritas International bisher schon zur Verfügung stellen können. Der Plan ist nun, erst einmal überhaupt dafür zu sorgen, dass die Menschen zu essen bekommen. Sobald das möglich ist und auch Hilfsgüter aus dem eigenen Land in die bedürftigen Regionen kommen, will die Caritas auch Bargeldmittel verteilen, damit die Märkte wieder stimuliert werden und das normale Alltagsgeschehen weitergehen kann.
Berichte über Massaker
Bleibt zu hoffen, dass sich die Sicherheitslage in Äthiopien schnell bessert. Zu den jüngst in mehreren Medien verbreiteten Nachrichten über die mögliche Ermordung von 750 Menschen bei einem Angriff auf die orthodoxe Mariam Zion-Kirche in Aksum, berichtet Regina Lynch von Kirche in Not : „Wir konnten die genauen Einzelheiten noch nicht verifizieren, aber wenn es sich so zugetragen hat, war es ein regelrechtes Massaker. Reisen in die Region sind derzeit nicht möglich, und die Kommunikation ist sehr eingeschränkt, aber wir haben die Bestätigung erhalten für eine lange Reihe von Morden und Angriffen auf unschuldige Menschen in vielen Teilen der Region und auch in der Gegend von Aksum. Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken."
(domradio/kirche in not – sst)
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