Papstreise in den Irak: Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
„Der Besuch des Papstes im Irak ist ein Signal der Hoffnung für den gesamten Nahen Osten,“ bringt Sako die Stimmung im Land auf den Punkt. Der 71-jährige Kardinal weiß, wovon er spricht: er stammt aus Mossul, der Stadt, die zur Zeit der Besetzung durch den Islamischen Staat zum Sinnbild für christliches Märtyrertum geworden ist.
Von der derzeitigen Lage im Land zeichnet er ein düsteres Bild: Der Irak versinke in der Krise, die vor Jahrzehnten begonnen habe. Die Kriege Saddam Husseins, das Embargo, die amerikanische Besatzung 2003, Terrorismus, Korruption, Armut und Morde hätten das Land ausbluten lassen. Dazu komme noch, dass im Irak, wie auch in anderen Regionen des Nahen Ostens, die Religion für politische Zwecke instrumentalisiert werde.
Der Aufruf des Papstes zu Frieden und Geschwisterlichkeit
Umso wichtiger sei gerade in diesem Moment die „Botschaft des Papstes, der uns sagt, dass Religion nicht trennt, sondern eint“, betont Sako. Während der IS im Namen Allahs getötet, die heiligen Texte aus dem Kontext genommen und verfälscht habe, komme Franziskus, um seinen Aufruf zur Geschwisterlichkeit zu wiederholen und daran zu erinnern, dass Abraham der Vater von uns allen sei: Juden, Christen und Muslimen.
Im Zeichen eines Neubeginns des interreligiösen Dialogs werde der Papst in Ur mit Sunniten, Jesiden und Angehörigen andere Glaubensrichtungen zusammentreffen; mit Ayatollah Ali Sistani dem bedeutendsten schiitischen Geistlichen im Irak begegnen – nachdem er zwei Jahre zuvor an der Al-Azhar-Universität in Kairo bereits den Großimam der Sunniten getroffen hat.
Die dramatische Situation der Christen
Obwohl man im Land mit großer Hoffnung auf den Besuch blicke, werde von einer „Feststimmung“ aber wohl eher nicht die Rede sein können, präzisiert der Kardinal. Zu dramatisch sei die Lage der Christen in dem Land auf der arabischen Halbinsel, deren Zahl von fast 1,6 Millionen vor zwanzig Jahren heute auf eine knappe halbe Million geschmolzen ist. Man werde den Papst „ohne Triumphalismus willkommen heißen, in dem Bewusstsein, dass wir uns mitten im Tunnel befinden.“
Nach der amerikanischen Militärinvasion von 2003 habe die Verfolgung begonnen, sei man in Anarchie versunken, beschreibt der Patriarch das traurige Los der irakischen Christen: „Heute erinnert man sich oft nur an die Verbrechen des IS, doch auch in dem Jahrzehnt nach 2003, vor der Errichtung des Kalifats, wurden 58 Kirchen angegriffen, 1.025 Christen ermordet, darunter der Bischof von Mossul.“ Die Mehrheit der Christen sei damals in den Libanon, nach Jordanien und in die Türkei ausgewandert, später nach Kanada und in die Vereinigten Staaten.
Das Drama der Ostkirchen
„Sie werden leider nicht mehr zurückkehren. Ganze Gemeinschaften, die fast zwei Jahrtausende alt sind, sind für immer verschwunden", beklagt Sako und betont, dass sich der Auswanderungsprozess nur deshalb verlangsamt hätte, weil die Pandemie des Reisen komplizierter gemacht habe. Umso wichtiger sei es, dass der Besuch des Papstes gerade in diesem Moment erfolge: „Die Anwesenheit des Papstes wird dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Welt auf das Drama der Ostkirchen zu lenken,“ gibt sich Sako zuversichtlich.
(corrieredellasera/vaticannews – skr)
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