Unterstützer des libanesischen Patriarchen hatten sich am Samstag zu einer Versammlung in Bkerke zusammengefunden Unterstützer des libanesischen Patriarchen hatten sich am Samstag zu einer Versammlung in Bkerke zusammengefunden 

Patriarch Rai fordert UN-Konferenz und Neutralität für den Libanon

Der libanesische Kardinal Bechara Boutros Rai fordert für sein Heimatland den Kurs einer aktiven Neutralität, um es aus der anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krise zu führen. In seiner Predigt beim Sonntagsgottesdienst in Bkerke sprach sich das Oberhaupt der Maronitischen Kirche laut Medienberichten erneut für eine UN-Sonderkonferenz zu diesem Thema aus.

Neutralität könne dem Libanon helfen, Konflikte und Kriege zu vermeiden und seine interne und externe Souveränität zu stärken, sagte der maronitische Patriarch nach Angaben der Nachrichtenagentur NNA.

Zuvor hatten sich am Samstag Demonstranten am Sitz des Patriarchen in Bkerke versammelt, um die Forderungen Rais zu unterstützen. „Sie sind hergekommen, um den Libanon zu retten“, wandte sich der Kardinal nach Angaben des Portals „Naharnet“ an die Versammelten. Durch die internationale Konferenz unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wolle man die Neutralität des Libanon verkünden, „damit er nicht wieder zum Opfer von Konflikten und Kriegen und Spaltungen wird“. Neutralität, so Rai weiter, würde die Botschaft vom Libanon als einer „Heimat für den Dialog von Kulturen und Religionen“ und als Land mit einem gleichberechtigten Zusammenleben und gegenseitigem Respekt zwischen Christen und Muslimen verwirklichen.

Heimat für den Dialog von Kulturen und Religionen

Den Ruf nach der UN-Sonderkonferenz bezeichnete der Patriarch auch als Folge der „Unfähigkeit“ der politisch Verantwortlichen, „interne Angelegenheiten zu lösen und eine Einigung zu erzielen“. Das Maroniten-Oberhaupt spielte damit auf den anhaltenden Stillstand bei den seit Monaten andauernden Verhandlungen zur Bildung einer neuen libanesischen Regierung an. Die letzte amtierende Regierung unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Hassan Diab war nach den Protesten in Zusammenhang mit der verheerenden Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut im August zurückgetreten, blieb aber weiter kommissarisch im Amt. Seither ist es nicht gelungen, eine neue Regierung zu bilden.

„Aktive Neutralität“ nötig

Kardinal Rai hat in den vergangenen Monaten angesichts wachsender wirtschaftlicher und sozialer Spannungen wiederholt dazu aufgerufen, den krisengeschüttelten Libanon zu einem neutralen Staat zu erklären. Diese Neutralität sei unter anderem im bis heute verbindlichen Nationalpakt von 1943 zugrunde gelegt, argumentierte Rai. Durch eine „aktive Neutralität“ ließe sich die historische Rolle des Libanon als Brücke zwischen Ost und West auf kultureller, wirtschaftlicher und kommerzieller Ebene wiederherstellen.

„Wir müssen das Libanesentum vor die Religionsgruppe stellen“

Mehrfach betonte der Patriarch auch, dass sich sein Neutralitätskonzept nicht gegen die schiitische Hisbollah richte, sondern im Interesse aller sei. Heute brauche es Loyalität zum Heimatland, nicht zu einer Religionsgemeinschaft. „Wir müssen das Libanesentum vor die Religionsgruppe stellen“, sagte Rai im Herbst nach einer Begegnung mit Vertretern mehrerer islamischer und christlicher Konfessionen im Libanon.

Großer Einfluss des Patriarchen

Die Stimme des Maroniten-Oberhaupts hat im Libanon großes politisches Gewicht. Der 81-jährige Patriarch Rai ist religiöses Oberhaupt für rund 3,1 Millionen Maroniten weltweit. Von diesen leben mehr als eine Million im Libanon selbst. Die mit Rom verbundene Kirche ist die größte christliche Gemeinschaft im Land und stellt laut einer Übereinkunft bei der libanesischen Unabhängigkeit 1943 stets den Staatspräsidenten.

(kap - cs)

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01. März 2021, 13:38