Rom, leer: Fotos aus dem Lockdown
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Trevibrunnen und Spanische Treppe menschenleer unter heller Sonne, Barockfassaden ohne Autos noch Passanten, ein leergefegter Petersplatz: Der Corona-Lockdown vom Frühjahr 2020 bot ideale Bedingungen für urbane Architekturfotografie. So schickte denn auch die Bibliotheca Hertziana - das deutsche kunsthistorische Institut in Rom - ihre Profi-Fotografen los.
„Unser Ziel als Forschungs-Fotothek ist es, Bilder für Kunsthistoriker zu machen, und die sind in der Regel am reinen Monument interessiert. Es kommt darauf an, dass keine äußeren Einflüsse wie Passanten, Autos, Busse den Anblick der Architektur stören“, erklärt die Fotothekarin der Hertziana, Tatjana Bartsch. Das ganze Setting verhieß perfekte Bilder: „das leere Rom, die Stille, die Klarheit, wir hatten ja auch unglaublich gutes Wetter in diesem Frühjahr 2020, und weil über Wochen hinweg kein Verkehr war, hatten wir auch keinen Smog. Der Himmel war schön, das Licht toll.“
Die Ruhe im Sturm
Allerdings: „Als wir die Fotos dann in Serie vor uns hatten, war uns schnell klar, dass da noch sehr viel mehr drinsteckt“, erzählt Tatjana Bartsch. Dieselbe Rückmeldung hätten auch die Fotografen, zurück von ihren Streifzügen, unmittelbar gegeben. Der Bilder waren sensationell, aber das Unbehagen bei den Aufnahmen wuchs und wuchs. „Die neapolitanischen Fotografen haben es bezeichnet als die ,Ruhe im Sturm´“, so die Fotothekarin. „Man hat zwar die Ruhe gespürt, aber zur selben Zeit immer auch den Sturm im Kopf gehabt, eine Situation, die nicht normal und sehr besorgniserregend ist.“
Fotos leben von Kontrasten. Dasselbe gilt, mit anderer Note, für diese eine spezielle Ausstellung der Hertziana. Da sind diese „reinen“ Bilder aus Rom und Neapel, Bilder, die eine nördlich der Alpen verwurzelte Italien-Sehnsucht beflügeln. Und dann ist da das Wissen, zu welchem Preis diese „Reinheit“, dieser freie Blick auf die Paläste, Kirchen, Straßen und Plätze in der Frühlingssonne erkauft ist. Die Fotografen schrieben für die Ausstellung ihre Eindrücke nieder, eine Reflektion darauf, wie sie diese Wochen mit der Kamera in den leeren Städten erlebten. Dass sie beim Arbeiten in der Lockdown-Situation auf Schritt und Tritt den wechselnden Ordnungskräften ihre Autorisierungen zeigen mussten, fällt im Rückblick weniger ins Gewicht. Übereinstimmend berichteten die Fotografen, „dass es sie bedrückt hat, ihre Stadt so zu sehen. Frei von Menschen, aber eben nicht frei von der zivilisatorischen Verschmutzung, nenne ich das mal, Straßenschilder, Fassadengerüste, Reklameschilder. Und das ist ihnen noch viel stärker ins Auge gesprungen als normalerweise, wenn Chaos herrscht, wenn die Stadt so still ist und das, was übrig bleibt, eigentlich eine verwundete Stadt ist.“
Macht es einen Unterschied für die erfahrene Fotothekarin, ob es säkulare oder sakrale Gebäude sind, die taghell ohne Menschen abgebildet sind? Ja, antwortet Tatjana Bartsch. „Den Petersplatz so komplett entleert zu sehen, das ist auf der einen Seite überwältigend, auf der anderen Seite tut es weh. Weil diese Platzgestaltung so, wie sie intendiert ist von ihrer Architektur, dazu einlädt, die Menschen heranzuholen und zu umarmen und einzufassen. Wenn dann dort gar nichts mehr ist außer dem Obelisk in der Mitte, ist das schon ein starkes Signal.“
Die bleibende Ambivalenz der Lockdown-Fotos
Die Ambivalenz dieser strahlend schönen Stadt-Bilder wird durch die Zeit hin bleiben, glaubt Tatjana Bartsch. Denn „diese Konnotation mit dem Lockdown werden die Fotografien nicht verlieren. Vor allen Dingen nicht, wenn man sie in der Serie betrachtet.“ Jedes Bild trage eigens den Vermerk „entstanden im Frühjahr 2020“. Andererseits will die Fotothekarin die wissenschaftliche Bedeutung der Bilder nicht vernachlässigt sehen. „Wir wissen zum Beispiel, dass bereits jetzt diese Fotografien sehr gerne in kunsthistorischen Seminaren in deutschen Universitäten benutzt werden. Die Studenten sind begeistert, Il Gesù einfach einmal in einer perfekten Aufnahme unter blauem Himmel in bester Ausleuchtung ohne störende Passanten zu sehen und daran die frühe Barockarchitektur Roms durchzudeklinieren. Als Dokumentationsfotografien, als sie sie ursprünglich entstanden sind, werden sie sicherlich auch noch lange Zeit dienen können, und das ist auch eine ganz beruhigende Vorstellung.“
(vatican news)
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