Südsudan: Wege aus der Armut und der Gesetzlosigkeit
Sie kommen mit Gewehren und Pistolen in Dörfer und Städte, überfallen, stehlen, töten. Und sie machen sich wieder aus dem Staub, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Südsudan erlebt eine dramatische Eskalation von noch nie dagewesener Gewalt. Nach den neuesten Daten der Menschenrechtskommission des ostafrikanischen Landes werden 75 Prozent des Landes von brutalen Übergriffen erschüttert, besonders im ländlichen Raum.
Was ist der Grund dieser Gewalt? Der Bischof der Diözese Tombura-Yambio, Edward Hiiboro Kussala, spricht von einem schwierigen Gemisch: „Man will Streitigkeiten unter Umgehung der Behörden und des Gesetzes beilegen. Dazu kommt die chronische und immer weiter wachsende Armut vieler junger Menschen im Südsudan". Deshalb ruft der Bischof in dieser Fastenzeit mit besonders dringlichen Worten dazu auf, an Versöhnung und Frieden zu arbeiten.
Vergebung, der einzig mögliche Weg
„Ich habe unsere Menschen hier aufgefordert, ruhig zu bleiben und nicht zur Gewalt zu greifen. Ich habe den Hinterbliebenen und all jenen, die erschüttert und verängstigt sind, meine Nähe zugesichert", so der Bischof. Denn Vergebung in diesem leidgeplagten Land ist, wie er sagt, nicht unmöglich. „Man muss mit den Menschen reden, ihnen zu verstehen geben, dass der Weg der Gewalt keine Probleme löst. Und dann müssen wir einen Weg finden, Legalität hochzuhalten: Derzeit werden Verbrecher nämlich nicht zur Rechenschaft gezogen, weil diejenigen, die sie stoppen sollten, Angst vor Vergeltung und Gewalt haben. Wenn wir einen friedlichen Südsudan wollen, ein Land, dem es gut geht, dann müssen wir einander vergeben, so wie es das Evangelium und die Kirche lehren".
Kirche vermittelt
Das Ziel der gesellschaftlichen Befriedung und Versöhnung ist nicht einfach, aber die Kirche gibt nicht klein bei: Die Bischöfe stehen in einem engen Dialog mit der Regierung der nationalen Einheit. Bischof Kussala erklärt: „Die Kirche trifft sich mit allen Parteiführern und bittet sie, zum Wohl des ganzen Volkes zusammenzuarbeiten. Miteinander reden wir auch über Problem der Gewalt zwischen den Volksgruppen. Aber leider ist es ein Hürdenlauf, weil es so viel Korruption gibt und auf die Kirche oft nicht gehört wird".
Den Dialog mit der Politik führt die katholische Kirche im Südsudan auch gemeinsam mit Vertretern anderer Religionen. Der Bischof von Tombura-Yambio ist Vorsitzender einer interreligiösen Gruppe, die seit einiger Zeit versucht, Opfern wie Tätern Auswege aus der Gewalt zu zeigen. „Unsere Arbeit trägt viele Früchte“, sagt Bischof Kussala. „Das ist ein gerechter Weg, der es verdient, weitergeführt zu werden.“
Papst Franziskus und der Südsudan
Papst Franziskus verfolgt die Vorgänge im Südsudan mit besonderer Aufmerksamkeit: Er möchte das Land besuchen, sobald dort ein Mindestmaß an Frieden und Sicherheit herrscht. Angedacht ist eine katholisch-anglikanische Visite, Franziskus würde mit Anglikanerprimas Justin Welby in den Südsudan reisen.
Vor knapp zwei Jahren, im April 2019, empfing der Papst, gemeinsam mit dem Erzbischof von Canterbury, die beiden wichtigsten Politiker des Südsudan zu einem Einkehrtag im Vatikan, Präsident Salva Kiir und Riek Machar. Dabei hatte Franziskus eine spontane Eingebung: Er kniete zu Füßen der beiden Politiker nieder und bat flehentlich um Frieden, ein Bild, das viele erschütterte - und offensichtlich auch Folgen hatte. Ein Jahr darauf, im Februar 2020, trafen sich Salva Kiir und Riek Machar in der südsudanesischen Hauptstadt Juba und versprachen dem Land und der Welt öffentlich Frieden. Kiir, ein Katholik, umarmte den Presbyterianer Machar, der früher sein Vize-Präsident war, dann sein schlimmster Feind und schließlich abermals sein Vize-Präsident wurde.
In einem gemeinsamen Weihnachtsbrief vom 24. Dezember 2020 an den Südsudan bekräftigten Papst Franziskus und Anglikanerprimas Justin Welby, das Land besuchen zu wollen, sobald die politischen Spitzen dort für Frieden gesorgt haben.
Bald zehn Jahre Unabhängigkeit
Der christlich geprägte Südsudan kämpfte Jahrzehnte für seine Unabhängigkeit vom arabisch-muslimischen Sudan. Dieser hatte die Bodenschätze des Südsudan, vor allem Erdöl, rücksichtslos ausgebeutet und die Einnahmen für sich behalten.
Die Republik Südsudan wurde am 9. Juli 2011 unabhängig, nachdem die südsudanesische Bevölkerung mit 99 Prozent für die Unabhängigkeit ihres Landes von Sudan gestimmt hatte. Im Dezember 2013 brach der Konflikt zwischen Präsident Salva Kiir Mayardit und Vizepräsident Riek Machar offen aus. In fünf Jahren Bürgerkrieg starben an die 400.000 Menschen. Trotz der beiden Waffenstillstandsabkommen von 2018 und 2020 kommt es immer wieder zu örtlichen Gewaltausbrüchen. Fast ein Drittel der etwa 13 Millionen Südsudanesen befindet sich auf der Flucht, die meisten im eigenen Land.
(vatican news – gs)
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