Rassismus in den USA: „Praktische und gewaltfreie Lösungen“
Der dreifache Schuldspruch gegen den Polizisten Derek Chauvin im Prozess um den getöteten Afroamerikaner George Floyd könne nur ein Anfang auf dem Weg einer Versöhnung in den USA sein, macht die US-amerikanische Bischofskonferenz in einem Statement deutlich. „Der Tod George Floyds hat die tiefe Notwendigkeit hervorgehoben und verstärkt, die Heiligkeit in allen Menschen zu erkennen, speziell in denen, die historisch unterdrückt wurden“, ist in der Erklärung zu lesen. Sie ist vom Rassismus-Beauftragten der USCCB, Bischof Shelton J. Fabre, und dem Vorsitzenden des Komitees für innerstaatliche Gerechtigkeit und menschliche Entwicklung, Erzbischof Paul S. Coakley, unterzeichnet.
Historische Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit
Das vergangene Jahr habe in aller Klarheit „soziale Ungerechtigkeiten in unserem Land offengelegt“. Die Nation bleibe „tief gespalten in der Frage, wie dieses Unrecht wiedergutgemacht werden kann“. Die katholische Kirche fühle sich der Aufgabe verpflichtet, so die Bischöfe, „Herzen und Einstellungen zu verändern“. Der Rassendiskurs in den USA müsse „über Anschuldigungen und Schuldzuweisungen hinaus zu praktischen, gewaltfreien Lösungen für die alltäglichen Probleme“ gelangen, die in diesen Gemeinschaften anzutreffen seien, geben sie eine Erklärung der Bischofskonferenz von Minnesota wieder, der sie sich anschließen.
Noch deutlicher äußerten sich die Vertreter des schwarzen Katholizismus in den Vereinigten Staaten, die eine historische Dimension des Jury-Entscheids in Minneapolis im mehrheitlich weißen Bundesstaat Minnesota sehen, das Urteil aber in einen Kontext stellen. „Das war ein bescheidener Anfang“, sagte Ralph McCloud, Direktor des Anti-Armut-Programms „Catholic Campaign for Human Development“ der Bischöfe. „Millionen Menschen mussten ein Video sehen und auf der Straße demonstrieren, um offenzulegen, was Farbigen in den USA widerfährt.“
Prozess nur ein Anfang
Die Historikerin Shannen Dee Williams von der katholischen Villanova Universität sieht die Dinge ähnlich nüchtern. „Wenn wir in einer Gesellschaft lebten, die wirklich gerecht wäre“, sagte sie dem „National Catholic Reporter“, „bräuchten wir uns keine Sorgen zu machen, ob ein Mann verurteilt wird, dessen Mord auf Video festgehalten ist.“ Katholiken seien angehalten, für die Seele Floyds, seiner Familie und aller Opfer staatlicher Gewalt zu beten. „Wäre es nicht schön, wenn sich alle Katholiken verpflichteten, Antirassisten zu werden?"
Williams nahm Bezug auf Papst Franziskus, der sich zum Tod George Floyds geäußert hatte. „Wir können keine Art von Rassismus oder Ausgrenzung tolerieren oder unsere Augen davor verschließen und den Anspruch erheben, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu verteidigen“, sagte er etwa bei einer Generalaudienz im Juni 2020.
Der Bürgerrechtler und Prediger Al Sharpton sprach bei seiner Pressekonferenz nach dem Urteil mit der Familie Floyds von dem Einfluss Gottes auf die Herzen der Beteiligten. „Wir haben keinen Gefallen daran, einen Mann ins Gefängnis gehen zu sehen“, sagte der „Reverend“ über den in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführten ehemaligen Polizeibeamten Derek Chauvin. „Wir hätten George lieber unter uns.“
Dreifacher Schuldspruch
Das Geschworenengericht hatte Chauvin am Dienstag (Ortszeit) des unbeabsichtigten Mordes zweiten Grades, des Mordes dritten Grades und des Totschlags zweiten Grades für schuldig gesprochen. Der Jury-Entscheidung waren stundenlange Beratungen vorausgegangen, während sich vor dem Gericht friedlich demonstrierende Menschen versammelten. Das Strafmaß soll in den nächsten zwei Monaten durch den Richter festgelegt werden. Eine Berufung gegen die Entscheidung ist möglich.
Chauvin hatte am 25. Mai 2020 minutenlang auf Floyds Nacken gekniet und ihn damit qualvoll erstickt. Der Fall hatte weltweit Entsetzen und Proteste ausgelöst. Daher war in Minneapolis im Falle eines Freispruchs mit gewaltsamen Straßenunruhen gerechnet worden. Der Gouverneur des Bundesstaates, Tim Walz, hatte 3.000 Nationalgardisten mobilisiert.
Einladung zum Gottesdienst
Am Montag (Ortszeit) hatte der katholische Erzbischof von Saint Paul und Minneapolis, Bernard A. Hebda, vor dem erwarteten Urteil zu einem Gottesdienst eingeladen. In der Kathedrale von St. Paul rief Hebda zur Bewahrung von Frieden und Gerechtigkeit auf. „Wir können nicht im Alleingang Heilung für diejenigen erzwingen, die die Wunden des Rassismus in unserem Land spüren“, sagte der Erzbischof.
Weder George Floyd noch Daunte Wright, ein 20-jähriger Schwarzer, der am 11. April bei einer Polizeikontrolle erschossen wurde, könnten wieder zum Leben erweckt werden, bemerkte Hebda. „Bedeutet das, dass wir nichts tun? Auf keinen Fall“, so der Erzbischof.
(usccb/kap - pr)
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