Patriarch Pizzaballa zum Gaza-Konflikt: „Wir können nur beten“
Die Gewalt im Gazastreifen scheint zwar derzeit abzuebben, doch vorbei ist sie noch lange nicht, so Pizzaballa. Es gebe verschiedene offene Fronten, so der Franziskaner mit Blick auf ein Pulverfass, das jederzeit hätte explodieren können:
„Vielleicht ist die Situation in Jerusalem, was ja die Lunte war, die alles entzündet hat, derzeit die ruhigste. Aber heute ist Freitag, und wir müssen abwarten bis nach dem Freitagsgebet der Muslime, ob es Konsequenzen gibt, aber hoffen wir es nicht…. Es ist die innere Front, die uns derzeit am meisten Sorgen bereitet. Denn das hat mehr oder weniger alle unvorbereitet erwischt. Und es war eine Explosion von Gewalt, die gewissermaßen Ausdruck einer Unzufriedenheit ist, die seit langem schwelte.“
Hintergrund der jüngsten Spannungen ist unter anderem die drohende Zwangsräumung mehrerer palästinensischer Häuser im Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Jarrah zugunsten jüdischer Siedler - eine einseitige Entscheidung Israels, die den Protest der Palästinenser ausgelöst hat und international scharf verurteilt wurde. „Was Gaza betrifft, ich will nicht zynisch sein, aber das ist leider keine Neuigkeit“, meint der Patriarch resigniert . „Wir haben es schon öfters gesehen, zuletzt 2014. Ich sehe keine einfachen Lösungen. Sagen wir, dass die Situation der Gewalt derzeit ruhiger, aber sicher noch nicht vorbei ist.“
Viele Opfer sind auf palästinensischer Seite zu beklagen, aber auch aus dem Gazastreifen kommt viel Beschuss in Richtung Israel. „Die Gewalt ist auf beiden Seiten, Araber gegen Juden und Juden gegen Araber, und es ist schwierig zu sagen, was nun eine Vergeltung für was ist“, erläutert der Patriarch. „Dieser Anschein von einem gemeinsamen Zusammenleben, das wir in diesen Jahren gesehen haben - unter diesem Anschein war vielleicht auf einer Seite eine Politik der Abwertung, also einer gegen den anderen, vor allem gegen die Araber, aber nicht nur. Auf der anderen Seite vielleicht auch ein Gefühl von Frustration und Diskriminierung der Araber, das jetzt explodiert ist.“
Denn die israelisch-palästinensische Frage sei nie wirklich gelöst worden, auch wenn sie in letzter Zeit nicht mehr auf der internationalen Agenda aufgetaucht war – ebenso wenig wie die Frage der Zukunft von Jerusalem, meint Pizzaballa.
„Das sind Fragen, die man weder mit Machtdemonstrationen noch mit Zwang von einer auf die andere Seite löst. Sondern nur in allgemeinem Übereinkommen. Die Wunde war nur verdeckt, sie ist nie geheilt worden. Ohne den Verband hat sie wieder voll angefangen zu bluten. Und die Gründe sind immer dieselben, sie wurden nie wirklich angegangen.“
Kämpferisch zeigte sich in den vergangenen Tagen der israelische Premier Nethanjahu. Er hat angekündigt, dass die Offensive seitens Israels noch lange dauern solle und mit aller Härte geführt werde.
„Ich hoffe, dass der Erklärung keine Taten folgen - das hoffe ich von ganzem Herzen, denn ich glaube nicht, dass das eine Lösung ist. Wir haben bereits in der Vergangenheit gesehen, dass Krieg oder militärisches Eingreifen nie konkrete Lösungen gezeitigt haben – schließlich sind wir immer noch in dieser Situation. Das wird weitere Trümmer, Frustrationen und vor allem Ressentiments auf allen Seiten schaffen. Man muss andere Wege finden, es muss miteinander geredet werden! Das Problem ist, dass man hier nicht miteinander spricht.“
Papst Franziskus hat am vergangenen Sonntag beim Regina Coeli zum Gebet für die geplagte Region aufgerufen, und auch das Lateinische Patriarchat bereitet sich auf ein Sturmgebet um Frieden vor – „das Einzige, was wir tun können“, meint Pizzaballa. „Wir bereiten eine besondere Gebetsvigil für Frieden zu Pfingsten vor. Wir stehen in Verbindung mit all unseren Pfarreien, vor allem natürlich denen in Gaza, die wir jeden Tag hören, und diese Verbindung, diese Gebetskette zu schaffen, ist das Einzige, was wir tun können, außer natürlich die Situation anzuzeigen und alle zur Vernunft zu rufen.“
(vatican news - cs)
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