Heiliges Land: Tote Kinder auf beiden Seiten
„Ich rufe alle Parteien auf, jegliche Gewalt zu beenden und die Spannungen zu deeskalieren. Ich fordere alle Parteien auf, alle Zivilisten, insbesondere Kinder, zu schützen, wichtige zivile Infrastrukturen vor Angriffen zu verschonen und Verstöße gegen Kinder zu beenden. Ich erinnere alle Parteien an ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechtsgesetzen“, so Henrietta Fore in einer Erklärung.
Seit Montag seien laut Berichten mindestens 14 Kinder in Palästina und Kinder in Israel getötet worden, führt die UNICEF-Generaldirektorin aus. Weitere 95 Kinder im Gazastreifen und im Westjordanland - einschließlich Ost-Jerusalem - und drei Kinder in Israel seien in den letzten fünf Tagen verletzt worden.
„Die Situation befindet sich an einem gefährlichen Kipppunkt. Das Ausmaß der Gewalt und ihre Auswirkungen auf Kinder sind verheerend. Wir stehen an der Schwelle zu einem ausgewachsenen Krieg. In jedem Krieg leiden Kinder - alle Kinder - zuerst und am meisten“, so Fore.
Weitere Zuspitzung
Die Lage in Israel und am Gazastreifen hat sich in der Nacht zu Donnerstag derweil weiter zugespitzt. In zahlreichen von Juden und Arabern gemeinsam bewohnten Städten kam es nach Polizeiangaben zu heftigen Ausschreitungen. Der Flughafen Tel Aviv wurde nach örtlichen Medienberichten (Donnerstag) nach anhaltendem Raketenbeschuss auf Israel aus dem Gazastreifen für ankommende Flüge geschlossen. Zahlreiche Fluggesellschaften strichen ihre Verbindungen.
Der Bürgermeister der von Unruhen erschütterten zentralisraelischen Stadt Lod, Jair Revivo, sagte Donnerstagfrüh im israelischen Radio, wenn die Auseinandersetzungen nicht gestoppt würden, rechne er mit einem „kolossalen Bürgerkrieg in ganz Israel“.
In Lod kam es trotz Ausgangssperren zu Zusammenstößen zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern. In der Küstenstadt Bat Jam südlich von Tel Aviv zerstörten rechtsnationale jüdische Israelis mehrere Geschäfte. Sie griffen einen 33-jähriger Araber an; er erlitt schwere Verletzungen. In der nordisraelischen Hafenstadt Akko attackierten arabische Israelis einen 30-jährigen Juden an und verletzten ihn ebenfalls schwer.
Nach Polizeiangaben wurden bei Ausschreitungen landesweit fast 400 Personen festgenommen. 36 Beamte wurden verletzt. Auch in Teilen des Westjordanlands kam es zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee. In Jerusalem wurden 51 Personen verletzt, in Hebron 20. Zu weiteren Verletzten kam es laut Bericht der Tageszeitung „Haaretz“ in Nablus und Tul Karem.
Rabbiner ruft zu Mäßigung auf
Der sephardische Oberrabbiner Israels, Jitzchak Josef, rief laut einer Mitteilung des Oberrabbinats am Mittwochabend zu Mäßigung auf. „Unschuldige israelische Bürger werden von Terrororganisationen angegriffen“, sagte er. Trotz der Empörung darüber dürfe man sich nicht zu Gewalt verleiten lassen. „Nach der Thora gibt es keine Erlaubnis, das Gesetz in die Hand zu nehmen und gewalttätig zu handeln“, so der Geistliche. Die Wiederherstellung der Ordnung sei der Polizei zu überlassen.
Übergangsministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Situation am Mittwochabend als Anarchie. Für Angriffe arabischer Randalierer auf friedliche und unschuldige Bürger gebe es keine Rechtfertigung, auch nicht für Lynchjustiz von Juden an Arabern und umgekehrt. „Zu den Bürgern Israels sage ich, dass es mir egal ist, ob euer Blut kocht. Ihr könnt das Gesetz nicht selbst in die Hand nehmen“, sagte Netanjahu.
Mehr als 1.600 Raketen
Seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen registrierte die israelische Armee mehr als 1.600 Raketen. Sieben Personen wurden in Israel durch Raketeneinschläge getötet, darunter zwei Kinder. Israel reagierte nach eigenen Angaben mit Angriffen auf rund 600 Ziele im Gazastreifen. Dabei seien mehrere ranghohe Vertreter der Hamas und des Islamischen Dschihad getötet worden. Das palästinensische Gesundheitsministerium gab die Zahl der Todesopfer mit 67 an; 388 Personen seien verletzt worden.
Am Donnerstagmorgen versammelten sich unterdessen laut Medienberichten rund 100.000 Muslime auf dem Tempelberg, arabisch Haram al-Scharif, in Jerusalem, zum Fest des Fastenbrechens. Donnerstag ist der erste Tag des dreitägigen Eid al-Fitr, das den Fastenmonat Ramadan abschließt.
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas bezeichnete am Mittwochabend Jerusalem als eine rote Linie sowie das Herz und die Seele Palästinas. Es werde keinen Frieden, keine Sicherheit und keine Stabilität geben, solange die Stadt nicht vollständig befreit sei, sagte er laut örtlichen Medienberichten.
Bei einem Treffen der Palästinenserführung am Präsidentensitz in Ramallah sagte er, die Palästinenser würden nicht dulden, dass Israel als Besatzer in Jerusalem vollendete Tatsachen schaffe. Zudem kritisierte er Israel für die „anhaltenden Aggressionen gegen das palästinensische Volk“. Damit überschreite Israel jedes Maß und missachte sämtliche internationale Normen und Konventionen.
(unicef/kap – pr)
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