Südosteuropa: „Reformen müssen Religionen einbeziehen“
Religion werde „allzu oft als Problem gesehen und selten auch als Teil der Lösung", sagte die an den Universitäten von Stanford und Zenica (Bosnien) lehrende Forscherin beim zweiten Panel der von der Stiftung Pro Oriente und den Universitäten Graz und München organisierten Online-Tagungsserie „Mit- und Nebeneinander. Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft im südöstlichen Europa". Die vierteilige Konferenz widmet sich von verschiedenen Blickwinkeln her der Frage nach dem Umgang der Religionsgemeinschaften mit zivilgesellschaftlichen Zielen und Aktionen im südöstlichen Europa seit 1989.
Die nach wie vor hohe religiöse Identifikation eines Großteils der Bevölkerung Südosteuropas werde oft übersehen, merkte Spahic Siljak an. Für die Mobilisierung der Bevölkerung bilde Religion deshalb auch eine nicht zu unterschätzende Ressource: „Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen verstärkt eingebunden werden", mahnte die Religionswissenschaftlerin und Menschenrechtlerin im Blick auf Reformbemühungen, die die Basis erreichen wollen und sollen. Sie ging in ihren Ausführungen vor allem auf die Situation in Bosnien-Herzegowina ein.
Programme scheitern, weil sie lokale Initiativen nicht einbinden
Allerdings sei gerade die Aufarbeitung der jüngeren konfliktbeladenen Geschichte Ex-Jugoslawiens ein besonders heikles Thema, räumte Spahic Siljak ein. Einfacher sei es, bei aktuellen Problemen zu neuen Kooperationen zu finden. Das sei etwa bei der großen Flutkatastrophe in Nordbosnien (und Serbien) vor einigen Jahren gelungen.
Fragmentiertes Land - fragmentierte Gesellschaft
Die Grundvoraussetzungen für zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen in Bosnien-Herzegowina seien nicht gerade günstig, so die Menschenrechtsexpertin. Dies liege vor allem auch an der politischen, ethnischen und auch religiösen Fragmentierung des Landes. So gebe es viele kleine regionale Initiativen, denen es freilich an Geld, Strukturen und Netzwerken mangele. So bewegten und mobilisierten etwa Proteste gegen Umweltverschmutzung zwar kurzfristig lokal durchaus die Menschen, aber Nachhaltigkeit fehle.
Ein außerordentlich schwieriges Feld, weil politisch instrumentalisiert, sei die Hilfe für Migranten und Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina, referierte die Menschenrechtlerin. Außer einzelnen lokalen Hilfsprojekten, vor allem von Kirchen und Religionsgemeinschaften, gebe es keine größere strukturierte Zusammenarbeit in diesem Bereich.
Online-Tagungsreihe geht weiter
Die Online-Tagung „Mit- und Nebeneinander. Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft im südöstlichen Europa" von der Pro-Oriente-Kommission für südosteuropäische Geschichte, dem Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz und dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München gemeinsam organisiert und durchgeführt. Die weiteren Termine der Videokonferenz sind der 6. und 20. Mai (jeweils 16 bis 18 Uhr).
(kap - gs)
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