In einem provisorischen Lager für Vertriebene in Mekelle, Region Tigray, Äthiopien In einem provisorischen Lager für Vertriebene in Mekelle, Region Tigray, Äthiopien 

Äthiopien: „In der Region Tigray findet ein Völkermord statt“

Gezielte Angriffe auf junge Menschen, wahllose Morde und sexuelle Gewalt auch gegen Ordensfrauen ereignen sich laut einer kirchennahen Quelle aktuell in der umkämpften Region Tigray im Norden Äthiopiens. Darauf macht „Kirche in Not“ aufmerksam.

„Das ist nicht nur ein Kampf zwischen Militäreinheiten; sie töten alle. Das ist eindeutig ein Völkermord an den Menschen von Tigray“, zitiert das päpstliche Hilfswerk in einer Aussendung vom Mittwoch einen Gesprächspartner, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt. Die anonyme Quelle bestätigte damit die Einschätzung des Oberhaupts der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche, Patriarch Mathias. Dieser hatte Anfang Mai von einem Völkermord in der Region Tigray gesprochen.

Bürgerkrieg dauert seit November an

Die Kämpfe im Norden Äthopiens brachen im November vergangenen Jahres aus. Premierminister Abiy Ahmed warf der „Tigray´s People Liberation Front“ (TPLF) die Abhaltung illegitimer Wahlen vor und entsandte Truppen in die Region. In dem ausbrechenden Bürgerkrieg kamen den Regierungstruppen auch Einheiten aus dem Nachbarland Eritrea zu Hilfe.

Die anonyme Quelle berichtete, dass die Truppen auch Jugendliche aus der Zivilbevölkerung gezielt angriffen. Zahlreiche Bewohner der Region seien in den benachbarten Sudan geflüchtet. Der Ansprechpartner beschrieb auch, dass zahlreiche Frauen und Mädchen durch eritreische Soldaten missbraucht worden seien. Unter den Opfern befänden sich auch Ordensfrauen. „Es ist eine Form des Missbrauchs, wie Sie ihn vielleicht noch nie gehört haben. Angehörige unseres Volkes, unsere Ordensschwestern wurden vergewaltigt. Einige von ihnen mussten wir ins Krankenhaus bringen. Mehrere Anlaufstellen, wo wir Hilfe bekommen könnten, haben die Soldaten geschlossen.“

Sechs Millionen Menschen von der Außenwelt abgeschnitten

Rund 90 Prozent der Bewohner der Region Tigray seien vertrieben worden, so der Ansprechpartner. „Dieser Krieg hat eine große humanitäre Krise ausgelöst, die sich in einer überwältigenden Zahl von zivilen Opfern, der Vertreibung von Millionen Menschen, der Zerstörung unserer wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen, psychischen Schmerzen und Panik ausdrückt.“

Die geschätzt sechs Millionen Einwohner der Region sind nach internationalen Medienberichten großteils vom Rest der Welt abgeschnitten. Darüber hinaus sehen sie einer Hungersnot entgegen. UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock zufolge sind mehr als 90 Prozent der Ernte und 80 Prozent des Viehbestandes in der Region geplündert oder zerstört worden.

Dass die Region dringend internationale Unterstützung braucht, hob auch die anonyme Quelle des päpstlichen Hilfswerks hervor. „Die Kirche ist überall – sie öffnet ihre Hand. Ich erinnere mich gut an die Hilfe von ,Kirche in Not’. Wir sind seit langem Partner. Die aktuelle Krise in Tigray ist beispiellos im Vergleich mit allen anderen humanitären Krisen, an die wir uns je erinnern können.“

„Kirche in Not“ leistet in der Region Tigray Nothilfen für Priester und Ordensleute. Seit 2019 hat „Kirche in Not“ rund 100 Projekte in Äthiopien unterstützt, darunter den Bau von Kapellen und Klöstern, die Ausbildung von Katecheten oder die Anschaffung von Fahrzeugen für Seelsorger und Gemeinden. Eine wichtige Unterstützung für die Priester sind auch Mess-Stipendien, da die Seelsorger wie in vielen nicht-europäischen Ortskirchen über kein reguläres Einkommen verfügen.

(pm – gs)

 

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02. Juni 2021, 11:30