Kardinal Hollerich: „Freue mich über Papstbrief an Marx“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Es ist die Antwort eines Hirten - eines Hirten für Erzbischof Marx, aber darüber hinaus eines Hirten für die ganze Kirche. Er sagt uns mehr oder weniger: Wir müssen uns als Hirten diesen Fragen stellen. Wir müssen aushalten – auch das Schlechte in der Kirche und in der Vergangenheit der Kirche.“
Das sagte Hollerich am Freitagmittag bei einem Besuch am römischen Sitz von Radio Vatikan. Franziskus gebe der Kirche ganz klar vor, wie sie mit dem Thema Missbrauch umzugehen habe: „nichts beschönigen, nichts entschuldigen“.
„Da kann man nicht davonlaufen! So habe ich den Brief interpretiert. Es ist aus meiner Sicht ein Brief, der zwar ganz persönlich an Kardinal Marx gerichtet ist, aber ich glaube, dass jeder Bischof ihn mit Gewinn lesen kann. Ich freue mich über die Antwort des Papstes!“
Hollerich ist Präsident des EU-Bischofsrates Comece und hat an diesem Freitag mit dem Papst gesprochen. Der Luxemburger Erzbischof äußerte sich auch beeindruckt über Kardinal Marx.
Hollerich würdigt Marx als „authentisch“
„Ich kenne Kardinal Marx sehr gut; er war ja mein Vorgänger in der Comece. Marx ist ein sehr mutiger Mann! Er hat große Weisheit gezeigt, und er ist sehr authentisch. Es hat mich schon berührt, dass er dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten hat…“
Marx hatte gegenüber Franziskus unlängst seinen Rücktritt vom Amt des Erzbischofs von München und Freising angeboten; damit wollte der Kardinal persönlich und für die Institution Kirche Verantwortung für Missbrauchsskandale übernehmen. In seinem Antwortbrief, der am Donnerstag publik wurde, nahm Franziskus Marxens Rücktritt nicht an, sondern bat ihn, weiterzumachen.
Über die Gespräche der Comece-Führung mit dem Papst am Freitag im Vatikan äußerte Kardinal Hollerich, Franziskus sei „ein wunderbarer Dialogpartner“: „Er geht auf Argumente ein, er ist ein guter Zuhörer, und er hat Antworten – Antworten, die er aus dem Evangelium schöpft.“
Die wichtigste Botschaft von Franziskus an die Bischöfe der EU sei gewesen, sie sollten „offen sein für den Dialog“ mit allen politischen Kräften.
„Es gibt ja fast immer sozusagen eine Allianz der Bischöfe mit den Christdemokraten – und das ist auch sehr gut so. Aber es darf nicht nur bei dieser Allianz bleiben. Es gibt auch Katholiken in anderen Parteien, auch die müssen wir ansprechen. Und es gibt auch Leute, die nicht katholisch, nicht einmal christlich sind oder die überhaupt keinen Glauben, keine Religion haben – die aber gute Leute sind, die das Gute wollen.“
Mit all diesen Politikern gelte es, das Gespräch zu suchen und beispielsweise ein Bündnis für den Schutz des Lebens auf die Beine zu stellen, so Kardinal Hollerich.
„Wir sollten nicht nur sagen: Die EU-Partei gegen Abtreibung und Euthanasie, das sind wir! Natürlich sind wir sind dagegen, ganz klar – aber unsere Botschaft ist viel größer und breiter angelegt als nur diese zwei Punkte.“
Sich nicht auf Populisten und Extremisten einlassen
Die Aufforderung von Franziskus, sich Partner in vielen Teilen des politischen Spektrums zu suchen, gilt allerdings nach Hollerichs Interpretation nicht für radikale Parteien, etwa die deutsche AfD. Franziskus sei über populistische Parteien in der EU sehr besorgt; man darf sich, so der Kardinal, nicht zu sehr mit ihnen einlassen.
„Denn da wird dann der Dialog benutzt, um sozusagen zu zeigen: Wir sind ja gute Christen. Dabei haben sie vielleichtbei einem oder bei zwei Themen dieselbe Position wie die Kirche, aber bei anderen Themen haben sie menschenverachtende Positionen! Das darf man nicht vergessen, und die Kirche darf sich nicht instrumentalisieren lassen, um sozusagen schöne Bilder für den Wahlkampf abzugeben.“
(vatican news)
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