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Flüchtlinge aus Libyen und eine Helfern Flüchtlinge aus Libyen und eine Helfern 

Libyen: Wenn sogar Helfer die Flucht ergreifen

Zustände wie im schlimmsten Kriegsgebiet: Aufgrund wiederholter Gewalteskapaden gegen Migranten und Flüchtlinge sowie fehlender Sicherheit auch für Flüchtlingshelfer stellt die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ ihre Aktivitäten in zwei Haftzentren in Tripolis ein.

Während an diesem Mittwoch Politiker in Berlin zu einer weiteren „Libyen-Konferenz“ zusammentreten, berichten Augenzeugen über menschenunwürdigste Bedingungen in libyschen Flüchtlingslagern, die Gefängnissen gleichen: Minderjährige, die monatelang durch Lagerwärter vergewaltigt werden, Flüchtlinge, die wahllos erschossen werden, und Mütter, die ihre Neugeborenen nicht ernähren können.

Unmögliche Bedingungen

Solange diese Gewalt nicht aufhöre und sich die Bedingungen in den Auffangzentren nicht verbessern, könne „Ärzte ohne Grenzen“ in diesen Einrichtungen keine medizinisch-humanitäre Hilfe mehr leisten, heißt es in einer Erklärung der Hilfsorganisation. Auch die Sicherheit für die eigenen Mitarbeiter habe ein Niveau erreicht, das nicht akzeptiert werden könne, so eine Sprecherin der Hilfsorganisation.

Vom politischen Bemühen um eine Stärkung der Menschenrechtslage in Libyen sei vor Ort wenig zu spüren, macht „Ärzte ohne Grenzen“ weiter deutlich – die Lage habe sich zuletzt sogar noch verschlimmert: „Seit Februar dieses Jahres haben Misshandlung, Missbrauch und Gewalt gegen Menschen, die in diesen Haftanstalten festgehalten werden, stetig zugenommen.“

Verschlechterung seit Februar

Innerhalb von nur einer Woche hätten Gesundheitsteams „mindestens drei gewalttätige Vorfälle“ mitbekommen, die zu „ernsthaften physischen und psychischen Schäden“ geführt hätten. Im Al-Mabani-Gefangenenlager, in dem schätzungsweise 2.000 Menschen in überfüllten Zellen festgehalten werden, herrsche „wahllose Gewalt“ gegen Flüchtlinge, „die erschossen wurden, als sie ihre Zellen verließen, um von ,Ärzte ohne Grenzen‘-Mitarbeitern besucht zu werden.“

„Keine Person, die auf See von der EU-finanzierten libyschen Küstenwache abgefangen wird, sollte gezwungen werden, in Haftzentren in Libyen zurückzukehren. Es muss ein Ende der Gewalt in den Internierungslagern geben und eine Evakuierung aller Menschen, die gezwungen sind, dort unter unmenschlichen Bedingungen zu leben“, wandte sich die Leiterin der „Ärzte ohne Grenzen“-Einsätze in Libyen, Ellen van der Velden, an Rom und Brüssel.

Libyen-Konferenz in Berlin

Bei der Entscheidung, Helfer aus Libyen abzuziehen, habe man es sich nicht leicht gemacht. „Ärzte ohne Grenzen“ sieht vielmehr keinen anderen Ausweg. In Berlin reden Politiker derweil darüber, wie in dem von Bürgerkriegen gebeutelten Land mehr Stabilität geschaffen werden kann. Ziele dabei sind unter anderem der Abzug der Söldner und Wahlen im Dezember.


(avvenire/médecins sans frontières – pr)
 

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23. Juni 2021, 15:07