Eswatini: Chaotische Zustände
Den Protesten zugrunde liegt aber vor allem der Unmut über das strenge Regime, dem die Bevölkerung seit geraumer Zeit ausgesetzt ist. König Mswati III. wird vorgeworfen, die etwas mehr als eine Million Einwohner zu unterdrücken und den demokratischen Prozess des Landes nicht fördern zu wollen. Seit Ende vergangenen Monats gehen deshalb Tausende von Demonstranten auf die Straße. Der König hat auf die Demonstrationen mit einer Internetsperre, einer Ausgangssperre und dem Einsatz von Streitkräften reagiert. Nach Angaben von Aktivisten wurden zahlreiche Menschen getötet und verletzt. In einer Erklärung vom 6. Juli zeigte sich auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte „tief besorgt“ über die chaotischen Zustände in dem kleinen afrikanischen Binnenstaat.
Beschneidung der demokratischen Mitbestimmung
Pfarrer Zwanini Shabalala, Generalsekretär des Kirchenrates in Eswatini, berichtete der Nachrichtenagentur Fides von der schwierigen Situation. „Seit Premierminister Themba Masuku die Möglichkeit, Petitionen einzureichen, verboten hat, haben wir gesehen, wie sich sich die Situation von Tag zu Tag verschärft hat.“ Die so genannte „Petitionsstrategie“ sei nämlich die einzige Möglichkeit für das Volk gewesen, sein verfassungsmäßiges Recht auf Meinungsäußerung korrekt auszuüben, erläutert der Pfarrer. Nur mit diesen Petitionen konnte das Volk seine Stimme bei Parlamentariern und lokalen Machtzentren zu Gehör bringen. „Die Regierung hat sich zunächst tolerant gezeigt und - obwohl die Petitionen eindeutig im Widerspruch zur Politik der Exekutive standen - zumindest einen Berührungspunkt zwischen Macht und Volk ermöglicht.“
Situation lange nicht unter Kontrolle
Am 24. Juni hatte die Regierung den Petitionen jedoch einen Riegel vorgeschoben. Davon betroffen war auch die Petition eines Abgeordneten, der die Wahl des Premierministers - und nicht die Ernennung durch den König – forderte. Daraufhin habe sich die Situation zugespitzt, es kam zu Zusammenstößen, Plünderungen und Brandstiftung durch Demonstranten in allen Teilen des Landes, berichtet Shabalala. Seitdem würden die Streitkräfte, die für eine solche Situation kaum ausreichend ausgebildet seien, massiv eingesetzt. Der Pfarrer hegt die Befürchtung, dass in Eswatini bald Kriegsrecht herrschen könnte. Zwar seien einige Plünderer und Aufrührer durch die Streitkräfte vor Gericht gebracht worden, doch dürfe man nicht der Täuschung erliegen, dass die Situation damit „unter Kontrolle“ gebracht worden sei, so der Generalsekretär des Kirchenrates. Zwar wäre das Internet mittlerweile wieder freigeschaltet worden, doch soziale Netzwerke seien immer noch blockiert: „Bis heute wird von mehr als 50 Toten berichtet, obwohl die Zahlen in einer solchen Situation schwer zu verifizieren sind“, betont Shabalala.
Der kleine Staat im südlichen Afrika lebt seit geraumer Zeit in einer Notsituation, die durch die hohe Zahl von AIDS-Opfern noch verschärft wird. Die schwere Wirtschaftskrise wurde auch durch das Auftreten des Coronavirus – der im benachbarten Südafrika besonders hart zugeschlagen hat – verschlimmert. Angesichts der immer undemokratischeren Maßnahmen der Regierung hat die Bevölkerung nun allerdings beschlossen, ihre Stimme auch mit Gewaltanwendung zu erheben.
„Die Pandemie hat alles noch schlimmer gemacht. Viele haben ihre Arbeit verloren, die Armutsquote im Land ist gestiegen. Für junge Menschen sind die Bildungs- und Berufschancen geschwunden, und wenn junge Menschen keine Zukunft sehen, wird die Situation brisant“, meint Shabalala. „Covid hat eine ohnehin schon prekäre wirtschaftliche Situation noch weiter verschlimmert; viele Geschäfte mussten wegen der Beschränkungen, die die Mobilität und den Handel einschränkten, schließen. Mit der zunehmenden Armut haben wir auch eine Zunahme der Gewalt, insbesondere der geschlechtsspezifischen Gewalt, erlebt: Es gab viel Missbrauch innerhalb der Familien, viele Mädchen mussten die Schule verlassen, weil sie schwanger sind.“
Klima der Unsicherheit
Doch auch Übergriffe durch die Polizei und andere Sicherheitskräfte hätten zu einem zunehmenden Klima der Unsicherheit geführt. Hinzu kämen ein sehr schwaches nationales Gesundheitssystem, fehlende Impfstoffe, Medikamentenknappheit sowie ein mangelhaftes Infrastrukturnetz, das auch durch wiederkehrende Zyklone belastet wird. All dies habe die Gewalt im Land geschürt, während demokratische Gruppierungen angesichts autokratischer Züge der Regierung Alarm schlagen. Allerdings erlaube es das Regierungsmodell den politischen Parteien nicht, am Wahlsystem teilzunehmen, da die Abgeordneten auf der Grundlage persönlicher Verdienste in den 59 Wahlkreisen ernannt würden und Petitionen für die Bevölkerung tatsächlich die einzige Möglichkeit darstellten, ihre politischen Forderungen kundzutun, erläutert der Generalsekretär.
Kirchen versuchen zu vermitteln
In dieser Situation sei die Position der Kirchen entscheidend. Mit dem Aufruf zu Frieden und Dialog, der sich auf eine lange Tradition der Präsenz und des Aktivismus innerhalb der lokalen Gesellschaft stützt, wollten sich alle Kirchen zu Wort melden.
„Der Kirchenrat von Eswatini ruft weiterhin zur Ruhe auf und fordert, dass sich alle Parteien friedlich an einen Tisch setzen und miteinander reden. Wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, aber uns ist auch klar, dass es der einzig mögliche Weg ist und der Weg, von dem Gott will, dass wir ihn als Kirche fördern. In diesem Sinne haben wir uns zum Dialog mit allen Akteuren in dieser Phase des Landes verpflichtet,“ betont Shabalala. Einige von ihnen habe man auch bereits erreicht, wie die Regierung, die traditionellen politischen Strukturen und die Zivilgesellschaft: „Wir aktivieren auch unsere regionalen ökumenischen Gremien wie die Gemeinschaft Christlicher Räte im Südlichen Afrika, die Gesamtafrikanische Kirchenkonferenz und den Ökumenischen Rat der Kirchen, um Druck auf die Afrikanische Union, die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) und die Vereinten Nationen auszuüben, damit die Situation in Eswatini zur Priorität wird“.
(fides - cs)
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