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Zeitgenössische Architektur. Inklusiv? Nachhaltig? Schön? Zeitgenössische Architektur. Inklusiv? Nachhaltig? Schön? 

„Laudato si“ wirbt auch für gute Architektur

Was ist aus katholischer Sicht gute Architektur? Was kann die Sozialenzyklika „Laudato si“ dazu beitragen, dass gut statt schlecht gebaut wird? Und wie kann sich die Kirche in die EU-Nachhaltigkeitsinitiative „Neues Europäisches Bauhaus“ einklinken? Wir sprachen mit Anna Minta, Architekturprofessorin an der Katholisch-Theologischen Privat-Universität Linz.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Nachhaltig soll es sein, gut aussehen soll es, und alle – nicht nur wenige – sollen sich wohlfühlen in und mit dieser Architektur: Das sind die Vorgaben beim „Neuen Europäischen Bauhaus“, einer Nachhaltigkeits-Initiative der EU-Kommission. Wichtig ist: Das „Neue Europäische Bauhaus“ beschränkt sich nicht auf Architektur, sondern will insgesamt attraktive, nachhaltige und inklusive Formen des Zusammenlebens fördern.

Impulse für zeitgenössische Architektur

Daran hat die katholische Kirche in ihrem Einsatz für das „gute Leben“ für alle ein Interesse – und mit der Sozialenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus auch ein Schreiben in der Hand, das Impulse in die zeitgenössische Gesellschaft sendet. So haben die EU-Bischofskommission COMECE und der Päpstliche Kulturrat im vergangenen April ein Webinar über „das Neue Europäische Bauhaus im Licht der päpstlichen Sozialenzyklika Laudato Si“ ausgerichtet. Daran teilgenommen hat auch Anna Minta, die Geschichte und Theorie der Architektur an der katholischen Privat-Universität Linz lehrt.

„Architektur ist eine gute Architektur, wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt“

Die Frage, was eigentlich aus katholischer Sicht gute, zeitgenössische Architektur ist und was schlechte Architektur ist, beantwortet die Fachfrau, indem sie den Blick vom Katholischen auf das Anthropologische weitet, also auf das, was allen Menschen gemeinsam ist. „Und dann würde ich klar definieren: Zeitgenössische Architektur, aber auch historische Architektur, ist eine gute Architektur, wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt, und zwar den Menschen als Individuum - ob nun als Kind, als Erwachsener oder als Seniorin, oder auch in verschiedenen sozialen Konstellationen, also Alleinstehende, Familie, Partnerschaften.“

Zweites Kriterium: Architektur steht nicht allein, als Solitär, sondern sie ist immer in ein Ensemble eingebettet. „Was leistet die Architektur als Raumgestaltung? Bietet sie öffentliche Räume, die attraktiv sind, die nicht selektiv sind, sondern Angebote schafft für möglichst viele, sich mit Interesse und Wertschätzung zu begegnen, und dort in eine gemeinsame Kommunikation einzutreten?“  

Klassischer Solitär
Klassischer Solitär

Schlechte Architektur denkt an Profit, nicht an Menschen

Eine gute Architektur sorgt also dafür, dass Menschen sich wohlfühlen und miteinander in Aktion treten können, fasst Anna Minta zusammen. „Und eine schlechte Architektur schafft all das nicht. Sie ist exklusiv. Sie ist selektiv, sie macht keine Angebote an vielfältige Menschengruppen, sondern an ganz exklusive Gruppen, und sie ist nicht an Menschen, sondern vor allem an Investorenprofit orientiert, wenn man es mal so schwarz-weiß zeichnen möchte.“

Begrüntes Parkhaus - ist das schon gute Architektur?
Begrüntes Parkhaus - ist das schon gute Architektur?

Das Webinar zu „Laudato si“ und das Neue Europäische Bauhaus war aus Sicht der Architekturprofessorin ergiebig, weil es Fachleute aus Kirche, Politik und der Architektur-Praxis vereinte, die in einen Austausch traten. „Das fand ich interessant, weil man normalerweise Staat und Kirche doch sehr oft getrennt denkt. Aber im Grund hat die Kirche, vor allem auch Laudato si, mit dem Anspruch, das gemeinsame Haus global zu denken und Menschen integrativ zu denken, da einen wichtigen Beitrag, und das entspricht gleichermaßen den Idealen der Europäischen Kommission.“ Sicher seien diese ganzheitlichen Vorstellungen zum nachhaltigen, schönen und inklusiven Bauen „etwas idealistisch“, räumt die Architekturtheoretikerin ein. Sie könnten aber „noch mit Inhalten und vielleicht auch mit praktischen Anleitungen gefüllt werden“.

Ganzheitlichkeit und gemeinsames Haus

Hier unser Beitrag mit Prof. Anna Minta zum Hören:

Überhaupt sieht Anna Minta zwischen „Laudato si“ einerseits und Architektur und Stadtplanung andererseits starke Überschneidungen. Die stärkste, gleichsam die Basis, ist das Denken in Ganzheitlichkeit, wie es die Sozialenzyklika von Papst Franziskus in jedem Absatz einschärft. „Darum bemüht sich auch die Stadtplanung auch die Architektur schon länger - also, dass wir nicht mehr einfach exklusiv Kleinstparzellen überbauen oder kleine Entwicklungsgebiete ausweisen, sondern auch, wie es formuliert ist, das gemeinsame Haus mitdiskutieren, also die Vernetzung, die Zusammenhänge. Und dass wir viel stärker – das wäre das Ideal der Menschheitsfamilie - Stadtplanung betreiben und Architektur errichten, in denen möglichst viele ihre Bedürfnisse, ihre Belange wiederfinden. Das bedeutet, Orte und Räume zu schaffen, in denen eine vielfältige Gemeinschaft mit viel Respekt aufeinandertreffen kann. Das ist die Gestaltung unserer Gesellschaft, unserer Lebenswelt, die im klaren, engen Bezug zueinander stehen. Und da kann die Architektur sich auch befruchtend in Auseinandersetzung mit Laudato si befinden.“

Prof. Anna Minta
Prof. Anna Minta

Technik-Denken des „Bauhaus" muss hinterfragt werden

Das „Neue Europäische Bauhaus“ der EU-Kommission inspiriert sich an der Bauhaus-Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Zumindest dem großen Namen nach. Denn, wie Anna Minta beim Webinar einwandte: Das historische Bauhaus war entschieden unspirituell. „Es ist im Grund unter Walter Gropius und seiner neuen Direktive ab 1923 ganz stark technisch fokussiert, technikbegeistert gewesen, hat fast einen Machbarkeitswahn entwickelt, die Vorstellung, dass alles technologisch machbar ist und der Mensch sich quasi auch der Technik anpassen muss. Das hat sich dahin entwickelt, dass das Spirituelle, vielleicht auch dass das Geistige, im Bauhaus sehr zurückgedrängt wurde.“

„Das Bauhaus war auch eine patriarchalische Institution“

Das „Neue Europäische Bauhaus“ hat da andere Ziele. Was es im Vergleich zum historischen Bauhaus besser machen sollte? „Erstens: Dieses uneingeschränkte Vertrauen in die Technik muss deutlich hinterfragt werden, und da sind wir inzwischen auch einen Schritt weiter“, stellt Anna Minta klar. Zweitens: „Das Bauhaus war auch eine patriarchalische Institution. Frauen waren zwar zugelassen, wurden aber ganz klischeemäßig etwa in die Weberei-Werkstatt gesteckt. Wenn wir wirklich von Gleichberechtigung und grenzenloser Integration sprechen, dann müssen wir hier mit einer neuen Form stärker von Respekt, von Vielfalt und auch Gendergerechtigkeit ausgehen.“

EU-Kommission prämierte 20 Projekte

Kürzlich hat die EU-Kommission die 20 Preisträger der „New European Bauhaus Awards“ und der „New European Bauhaus Rising Stars“ vorgestellt. Aus Deutschland wurden zwei Projekte ausgezeichnet: das RoSana Gästehaus im bayrischen Rosenheim für die parallele Entwicklung von baulicher Umwelt und Natur und #Klasse Klima, einer von Studierenden geleiteten Seminarreihe und einem Bildungskollektiv mit Sitz an der Universität der Künste in Berlin. Aus Österreich kam das Projekt Erden Pure Wände zum Zug, das Stampflehm zum Baumaterial verfeinert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die prämierten Projekte machten „viel Hoffnung bei der Bekämpfung des Klimawandels und für den europäischen Grünen Deal.“ Der „Green Deal“ soll den Umbruch der EU hin zu einer ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft begleiten. Ziel ist die Klimaneutralität der EU bis 2050.

(vatican news)

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29. September 2021, 11:28