Großbritannien/D: Corona-Maßnahmen durchkreuzen Weihnachtspläne
Pfarrer Andreas Blum ist Gemeindepfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in London.
DOMRADIO.DE: Sie sind für die deutschen Katholiken in London zuständig. Nun sind es nur noch drei Tage bis zum Heiligen Abend, aber „Driving Home for Christmas“, also „Heimfahren zum Weihnachtsfest“, können Ihre Gemeindemitglieder jetzt wahrscheinlich vergessen, denn Großbritannien ist Virusvariantengebiet. Was bedeutet das überhaupt konkret?
Blum: Konkret bedeutet das, dass wir nicht einfach nach Deutschland einreisen können, sondern dass wir, egal ob wir doppelt geimpft, geboostert sind, vor Abflug einen PCR Test machen und auch nach Ankunft einen PCR Test machen, 14 Tage in Quarantäne müssen. Das ist bei den geringen Urlaubszeiten, die wir in Großbritannien haben, dann fast unmöglich nach Deutschland zu fahren, die Familie und die Freunde zu besuchen. Entsprechend niedergeschlagen und gedrückt ist dann auch am Wochenende hier die Stimmung gewesen.
DOMRADIO.DE: Die Leute waren dann echt angeschmiert, oder? Viele konnten sich vielleicht auch die Tickets gar nicht leisten.
Blum: Ja, die Preise stiegen exorbitant in die Höhe. Es gab dann am Samstag, nachdem die Bundesregierung das erst angedeutet und dann auch verkündet hat, einen Preisanstieg. Die Preise stiegen um 500 bis 600 Pfund für das Flugticket. Ich weiß von Leuten, die ohne Ticket nach Dover gefahren sind, um noch vielleicht eine Fähre zu erwischen oder zum Flughafen, um vielleicht doch noch irgendwo einen Platz zu kriegen.
Das Ganze hatte schon etwas Verzweifeltes, manchmal auch etwas Unwürdiges, aber es ist eben ein sehr besonderes Fest. Vor allem, nachdem wir im letzten Jahr ja schon einmal kurz vor Weihnachten, diesmal von der englischen Regierung, in den Lockdown geschickt worden waren und nicht nach Deutschland oder nach Hause konnten, wollten jetzt viele das nicht ein zweites Mal erleben.
DOMRADIO.DE: Ist das nicht ein wenig unfair, denn Menschen, die wenig verdienen oder die durch die Pandemie einfach finanziell geschwächt sind, hatten gar keine Möglichkeit mehr zur Reise nach Deutschland?
Blum: Der soziale Graben war noch nie so deutlich wie im Moment. Wer einen Job hat, in dem er frei über seine Arbeitszeiten verfügen kann oder auch schnell einfach zwei, drei Tage früher Urlaub nehmen kann, ist im Vorteil. Wer diese teuren Flugtickets für sich, seine Familie, die Testpakete bezahlen kann, der hat Chancen und findet auch Wege, in den Urlaub oder nach Hause zu kommen. Wer aber bis zum 24. arbeiten muss, von einem kleinen Gehalt lebt, der ist im Prinzip festgesetzt.
DOMRADIO.DE: Der hohe Anteil der Omikron-Variante war ja der Grund, dass die Bundesregierung Großbritannien zum Virusvariantengebiet erklärt hat. Aber da sind ihre Gemeindemitglieder vermutlich nicht alle mit einverstanden, oder?
Blum: Wir leben seit dem Sommer eigentlich in recht großer Freiheit. Wir hatten keine größeren Einschränkungen, es gab Empfehlungen, was das Maskentragen angeht, auch auf Abstand zu achten. Aber es gab keine gesetzlichen Vorschriften und damit sind wir eigentlich auch ganz gut gefahren. Das Leben blühte wieder auf. Auch Betriebe, die in den anderthalb Jahren zuvor gelitten hatten, unter anderem unser eigenes Gästehaus, was wir als Gemeinde betreiben, konnten wieder aufatmen. Es kamen wieder Gäste. Das Leben gewann wieder ein Stück Normalität.
Durch Omikron ist das Ganze dann wieder zum Erliegen gekommen, wobei wir es hier immer noch nicht genau einschätzen können. Die Infektionsrate ist stark. Wir haben, glaube ich, an die 90.000 Infektionen täglich. Aber die Todesrate ist nach wie vor nicht stark gestiegen. In den letzten 28 Tagen gab es 44 Tote. Das ist nicht viel mehr als das, was wir vorher hatten. Auch in den Krankenhäusern ist es noch nicht dramatisch. Es gibt zwar Modellrechnungen, das sind aber alles nur Hypothesen. So genau absehen, was Omikron eigentlich macht und ob es wirklich schlimm wird und ob all diese Maßnahmen nötig sind, das wird sich erst noch zeigen müssen.
DOMRADIO.DE: Wie sehen die Weihnachtsgottesdienste für Ihre Gemeindemitglieder jetzt aus?
Blum: In den Kirchen haben wir Maskenpflicht. Das heißt, wer in den Gottesdienst kommen möchte, ist herzlich eingeladen, wird aber dringend gebeten, die Maske zu tragen. Wer das aus medizinischen Gründen nicht kann, das sind ganz wenige Gemeindemitglieder, für die gibt es einen etwas abgegrenzten Raum, sodass da Distanz und Abstand gehalten werden kann. Aber ansonsten gibt es keine weiteren Einschränkungen, es sei denn, wir würden über 4.000 Personen versammeln. Das gilt dann eher für Stadien und Veranstaltungen. Dann müsste auch noch ein ein Covid-Pass vorgelegt werden. Das betrifft unsere Gemeinde und unsere Gottesdienste allerdings nicht.
Das Interview führte Michelle Olion.
(domradio – mg)
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