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P. Rutilio Grande SJ auf einem Graffito P. Rutilio Grande SJ auf einem Graffito 

„Seliger Rutilio Grande brachte Option für die Armen nach El Salvador

Der neue Selige El Salvadors, Rutilio Grande, war ein Mann des Wortes, der den Menschen nahe war. So charakterisiert im Gespräch mit uns die in San Salvador lehrende österreichische Theologin Martha Zechmeister den Jesuiten, der 1977 ermordet wurde und am Samstag selig gesprochen wird.

„Rutilio Grande war der erste Salvatorianische Jesuit, hat noch die ganze vorkonziliaren Ausbildung durchgemacht in Spanien, war dann aber in Belgien und hat das Beste des Zweiten Vatikanums aus Europa mitgebracht“, so die Maria Ward-Schwester. „Man kann gar nicht hoch genug die Pionierrolle Rutilio Grandes schätzen. Durch ihn ist überhaupt erst das Zweite Vatikanische Konzil und die Bischofsversammlung in Medellín, also die Option für die Armen in El Salvador angekommen.“

Sein Interesse, mehr noch: seine Nähe zu den Benachteiligten seines Landes habe einen volksnahen, charismatischen Priester aus ihm gemacht. Die Erfahrung, dass ein Geistlicher sich mit ihnen gemein macht, war in den 1970er Jahren für die Menschen aus dem Volk in El Salvador eine neue Erfahrung.

Hier unser Beitrag mit Sr. Martha Zechmeister zum Hören:

„Wir sind noch im Kontext einer Kirche, die mit dem feudalen System, mit der Militärpolizei aufs Engste verwoben wird. Und jetzt kommt ein Priester, der die Nähe der Menschen sucht und ist wie sie. Er kommt ja auch aus El Paisnal, wo er ermordet worden ist, war dort geboren. Aber er ist nicht einer, der dann aufsteigt und in höheren Sphären ist… Es ist der der Anfang dessen, was man dann später Inserciòn nennt, also eine Pastoral, die wirklich das Leben der Menschen teilt.“

„Aber er ist nicht einer, der dann aufsteigt und in höheren Sphären ist“

Rutilio Grande wusste Evangelisierung und soziale Bewusstseinsbildung für seine Leute zu vereinen, so Martha Zechmeister. „Also die Landarbeiter sind sich bewusst geworden, dass es nicht der Wille Gottes ist, dass sie Löhne bezahlt bekommen, von denen nicht einmal das Minimum für das Leben finanzierbar ist.“ Allerdings habe der neue Selige immer versucht, Evangelisierung und Politik klar zu trennen.

„Man kann ihn in keiner Weise in die Schublade Guerillero stecken“

„Man kann ihn in keiner Weise in die Schublade Guerillero stecken, sondern er hat durchaus auch seine Auseinandersetzungen mit der Linken und mit der sich politisch organisierenden Landarbeiter-Bewegung gehabt, um Glaube und Politik zwar in ein eindeutiges Verhältnis zu setzen, aber auch eindeutig zu trennen.“

Hinterhältiger Mord 1977 

Weil Rutilio Grande nicht nur den Glauben und das Leben der Besitzlosen teilt, sondern auch ihren Wunsch nach Gerechtigkeit, muss er sterben. Seine Mörder passen ihn bei einer Autofahrt ab, erschießen ihn und seinen Mesner sowie einen 16-jährigen Autostopper, der nur zufällig dabei war, aus dem Hinterhalt. Zu dem dreifachen Mord bekennt sich später eine Organisation von salvadorianischen Großgrundbesitzern.

Der Märtyrertod Rutilio Grandes bewegt Oscar Romero

Doch dieser Mord, dieser Märtyrertod, löst etwas aus. Unter anderem in Erzbischof Oscar Romero. Die beiden salvadorianischen Priester waren trotz anfänglicher weltanschaulicher Unterschiede miteinander befreundet gewesen. Bei der Bischofsweihe Romeros, der damals nach Martha Zechmeisters Worten „Lieblingskandidat der Oligarchie“ gewesen war, diente der Arme-Leute-Priester Rutilio Grande als Zeremoniär, was viele überraschte.

„Als dann Rutilio in einem brutalen Mord erledigt wird, mit einem alten Mann und einem jungen Burschen, eilt Romero sofort an den Ort, wo die Leichname aufgebahrt sind, und da vollzieht sich ein tiefer Wandel in ihm. Romero hatte eine Sensibilität für die sozialen Probleme, nur hat er eben immer Angst gehabt, Kirche und Politik miteinander zu verweben, was ja auch Rutilio immer versucht hat zu vermeiden. Aber vor dem Leichnam Rutilios geschieht eine Wandlung und Romero trifft eine Entscheidung. Von da an beginnt Romero, der ja erst wenige Wochen Erzbischof war, konsequent jede Woche in seine Predigten die Menschenrechtsverbrechen zu denunzieren, die Übergriffe der Militärpolizei und so weiter.“ Der Befreiungstheologe Jon Sobrino habe eine Parallele zu Johannes dem Täufer und Jesus gezogen, referiert die Theologin: „Die öffentliche Mission Jesu ist markiert durch die Ermordung Johannes des Täufers. Die öffentliche Mission Romeros, seine drei Jahre als Erzbischof, ist markiert durch die Ermordung seines Freundes Rutilio Grande.“

„Romero haben wir uns gefallen lassen, aber Rutilio Grande auch noch? Das ist zu viel“

Drei Jahre später erleidet auch Oscar Romero das Martyrium. Er ist inzwischen heilig gesprochen. Beide Kirchenmänner sind in ihrem Land heute mehr denn je Symbole für die Verteidigung des Lebens und der Lebensgrundlagen der Ärmsten der Gesellschaft. Das gefällt freilich nicht allen im Land, vermerkt die Theologin: „Ich habe aus Kreisen der Oligarchie, dieser berühmten vierzehn Familien in Salvador, die noch immer diese großen Familien, die das Kapital in Händen haben, gehört: Monsignore Romero haben wir uns gefallen lassen, aber Rutilio Grande auch noch? Das ist zu viel. Das sagt schon viel über die Symbolkraft Rutilio Grandes.“

Heute ist in El Salvador nach wechselnden rechten und linken Regierungen, die das Problem der Gerechtigkeit nicht lösen konnten, der Populist Nayib Bukele an der Macht. Der bezeichne sich selbst mit Stolz „als den coolsten Diktator der Welt, weil ihm diktatorisches Verhalten vorgeworfen worden ist. Er setzt auf Schicksein und populistische Maßnahmen“, urteilt Martha Zechmeister. „Und es schmerzt zutiefst, wenn man Rutilio Grande und seinen Einsatz sieht, der aus Empathie mit den Vulnerablen gehandelt hat, wie jetzt genau dieselben Verletzlichen und ökonomisch Ausgegrenzten missbraucht und manipuliert werden.“

(vatican news)

 

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21. Januar 2022, 14:31