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Kommissionspräsident Jean-Marc Sauve spricht während der Veröffentlichung des Berichts der unabhängigen Kommission über sexuellen Missbrauch durch Kirchenvertreter (Ciase) am 5. Oktober 2021 in Paris. Kommissionspräsident Jean-Marc Sauve spricht während der Veröffentlichung des Berichts der unabhängigen Kommission über sexuellen Missbrauch durch Kirchenvertreter (Ciase) am 5. Oktober 2021 in Paris.  

Frankreich: Missbrauchs-Kommission antwortet auf Kritik

„Unsere einzige Absicht war es, uns auf die Seite der Opfer zu stellen“, kontert die Unabhängige Kommission für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und antwortet damit auf die Kritik von Mitgliedern der Katholischen Akademie von Frankreich an den Schlussfolgerungen ihres Berichts.

Auf Ersuchen der Bischofskonferenz und der Ordensgemeinschaften des Landes habe die Kommission am vergangenen 5. Oktober einen umfassenden Bericht veröffentlicht, der eine Bestandsaufnahme der pädophilen Kriminalität im Klerus vornehme und Empfehlungen zu deren Verhinderung gebe, präzisiert die Kommission. Einen Monat später hatten acht führende Vertreter der „Academie Catholique de France“ einen sehr scharfen Text veröffentlicht, in dem sie die in dem Bericht enthaltenen methodologischen, theologischen und rechtlichen „Schwächen“ kritisierten. Sie bezogen sich dabei insbesondere auf die Schätzung von 216.000 Erwachsenen, die als Minderjährige Opfer eines Priesters oder Ordensmannes geworden seien, eine Zahl, die sich auf 330.000 erhöhe, wenn man die Opfer von Laien in der Mission hinzurechne. Nach Ansicht der Unterzeichner des Dokuments handele es sich dabei um eine Schätzung, der es an „wissenschaftlicher Strenge“ mangele.

Die „Academie Catholique de France“ kritisierte auch die Systematik der Missstände, die Analysen, die Vorschläge zur Anerkennung und Wiedergutmachung, die Legitimität der Kommission und ihrer Mitglieder und schließlich die Bedingungen für die Veröffentlichung ihres Berichts. Die Kommission hatte daher beschlossen, als Reaktion auf die Krititk auf ihrer Website einen umfassenden 53-seitigen Text sowie eine 12-seitige Zusammenfassung zu veröffentlichen.

„Bevor wir auf diese Kritik eingehen“, heißt es in der Präambel, „ist festzustellen, dass die von der Katholischen Akademie eröffnete Debatte den Kern der Arbeit der Unabhängigen Kommission ignoriert“, nämlich „ihre Beziehung“ zu den Opfern. „Wenn man die Debatte auf statistische Methoden, theologische 'Fehler' oder juristische Kontroversen konzentriert, verliert man den tieferen Sinn des Ansatzes der Kommission aus den Augen: den Opfern zuzuhören, sie aus dem Opferstatus in den Zeugenstatus zu versetzen, die begangenen Verbrechen anhand ihrer Geschichten neu zu lesen, um ihr tiefes Wesen zu verstehen und Rückfälle zu verhindern, Gerechtigkeit zu üben“.

Punkt für Punkt

An dieser Stelle geht die Kommission Punkt für Punkt auf die Anmerkungen der Akademie ein, unterstreicht die Kohärenz der ermittelten Zahlen und verteidigt die methodische Validität, die zur Schätzung der Opferzahlen verwendet wurde. Sie verweist auch auf den „systemischen Charakter der sexuellen Gewalt in der Kirche“ und erklärt: „Dieser Begriff des ,systematischen Charakters´ bedeutet nicht, wie die Akademie zu glauben scheint, dass die Institution Kirche absichtlich und systematisch ein System des sexuellen Missbrauchs in großem Maßstab organisiert hat. Es bedeutet, dass Verantwortungsträger, nachdem sie von einer Reihe von Missbräuchen innerhalb der Kirche erfahren haben, im Allgemeinen nicht die notwendigen Schritte unternommen haben, um diese angemessen zu behandeln, d.h. um sie zu beenden oder zu verhindern. In dieser anhaltenden Passivität liegt die Verantwortung der Institution, so dass man von einem systemischen Phänomen sprechen kann.“

Nach einem Überblick über die theologischen und ekklesiologischen Fragen verteidigt die Unabhängige Kommission auch die Entschädigungsregelungen für die Opfer von Missbrauch. Und sie schließt: „Wir würden gerne an die Aufrichtigkeit des Ansatzes der Katholischen Akademie glauben, aber wir fürchten, dass sie nur ein Ziel verfolgt: dass sich in der Kirche nichts ändert; und dass es in Bezug auf die Vergangenheit weder Anerkennung noch Wiedergutmachung gibt, außer in den sehr seltenen Fällen, in denen es unmöglich ist, die Beweise zu leugnen.“

(agensir - mg)

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10. Februar 2022, 10:59