Libanon in der Krise: Selbst die Kirche kann nicht mehr helfen
Mario Galgano und Michele Raviart - Vatikanstadt
Die wirtschaftliche und soziale Krise im Libanon hält an. Arbeitslosigkeit, Inflation und der Zusammenbruch aller öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich der nur wenige Stunden am Tag verfügbaren Elektrizität, machen den Libanesen das Leben immer schwerer. Um auch aus der politischen Krise herauszukommen, wurde am Dienstag ein Zuschuss von 18 Millionen US-Dollar für die bevorstehenden Parlamentswahlen am 15. Mai bewilligt, da befürchtet wurde, dass die Wahlen wegen fehlender Mittel verschoben werden könnten.
In der Zwischenzeit versuchen unter anderem die Ordensfrauen der Gemeinschaft der Heiligen Jeanne-Antide Thouret, die in Zusammenarbeit mit der NGO „Engim“ etwa 500 Familien in Beirut helfen, einer Bevölkerung beizustehen, die sich zunehmend in Schwierigkeiten befindet. Unter ihnen ist auch Schwester Mirna Farah.
„Es ist eine totale Krise. Dramatisch, um nicht zu sagen tragisch. Was können wir von einem bankrotten Staat erwarten, in einem Land, in dem die Bürger völlig sich selbst überlassen sind. Die Ministerien haben kein Geld mehr, so dass die Pflege z. B. von Kranken und alten Menschen vollständig von den Familien übernommen wird. Die Preise für Medikamente haben sich verzehnfacht, ebenso wie die Preise für Benzin, Gas und Kraftstoff.“
Die Familien hätten zu kämpfen, die jungen Menschen seien verzweifelt, fügt die Ordensfrau an. Sie habe gesehen, wie Mütter ihre Haushaltsgeräte verkaufen mussten, um ein Kind im Krankenhaus zu behandeln.
„Ich hörte von einer Mutter, die gezwungen war, ihren 2-jährigen Zwillingen keine Milch mehr zu geben, weil sie die Milch nicht mehr kaufen konnte, und ich sah so viele kranke Menschen, die sich ihre Behandlung nicht mehr leisten konnte. Das Leid, das die Menschen heute ertragen, besteht darin, sich Lebensmittel leisten zu können, aber das ist nicht das Leben. Das Leben besteht nicht nur aus Essen. Vor ein paar Tagen rief mich eine Frau an - sie hat ein Einzelkind - und sagte: ,Was soll ich tun? Ich habe kein Geld mehr.´ Sie hat ihre Arbeit verloren, und die Medikamente für ihren Sohn kosten drei Millionen libanesische Lira, und sie verdient nur noch sechshunderttausend Lira. Das ist das Leiden der Menschen: jemanden leiden zu sehen, ohne ihn heilen zu können.“
Selbst Helfer leben jetzt in Not
Selbst die libanesischen Helfer, die bisher finanziell unterstützen konnten, seien jetzt in Not, und das schmerze sie sehr, so Sr. Mirna Farah. Viele Libanesen seien diese Art zu leben nicht gewohnt. „Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber es ist sehr schwer. Es gibt viele Dinge, die wir heute als notwendig erachten, die wir im Libanon nicht mehr haben können. Eine Familie erzählte mir zum Beispiel, dass sie kein Wasser und kein warmes Wasser hat, weil es keinen Strom gibt. Wie können die Kinder dann gebadet werden, wenn es kein Wasser oder warmes Wasser gibt?“
Man dürfe nicht vergessen, dass die Krise, die die Libanesen derzeit erlebten, von Wirtschaftswissenschaftlern als die schwerste Krise dieses Jahrhunderts eingestuft werde. Bei der Explosion am 4. August wurden zahlreiche kirchliche Einrichtungen zerstört, und auch die Kirche hat Schäden erlitten.
„Die Kirche im Libanon besitzt und betreibt mehrere Schulen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen, in denen Tausende von Menschen beschäftigt sind, aber gleichzeitig leidet die Kirche wie andere Institutionen auch, weil ihr Geld in den Banken gebunden ist. Die Bischöfe und Ordensoberen haben jedoch den konkreten Wunsch geäußert, die Bevölkerung zu unterstützen, indem sie Hilfe von außen anbieten und die Arbeit und die Gehälter aller Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen aufrechterhalten. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, denn er verhindert, dass Menschen arbeitslos werden. In dieser wirtschaftlich schwerwiegenden Notlage hat die Kirche andere Solidaritätsprogramme durchgeführt, in den Pfarreien, mit Jugendbewegungen, aber selbst die Kirche ist mit der enormen Not überfordert und kann einen versagenden Staat nicht ersetzen. Wir haben das Gefühl, dass alles, was wir tun, nicht genug ist. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“
(vatican news)
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