Ukraine: Dankbar für die große internationale Solidarität
„Wir fühlen die Unterstützung durch die Nachrichten, die die Menschen über die sozialen Netzwerke schicken, die vor den russischen Botschaften und anderswo protestieren – also das fühlen wir wirklich und das hilft sehr viel. Danke dafür, und wir möchten mehr davon!“, sagt Kataryna uns.
Sie lebt in Kiew, in einer Gegend, die durch die russischen Truppen unter Beschuss geraten ist. Doch verzagt ist sie nicht, am Telefon spürt man vor allem ihre Empörung über den Einmarsch und wegen des Leids, das dieser Krieg über die Bevölkerung bringt. Die Ukraine habe sich nach einer langen Zeit unter russischem Einfluss mittlerweile emanzipiert und eine enorme demokratische Entwicklung durchlaufen, die dem großen Nachbarn offenbar Sorgen bereite, betont sie. „Das wollen wir nicht verlieren! Wir möchten nicht wieder ein Stück von Russland oder eine Pufferzone werden“, bricht es aus Kataryna heraus. Sie selbst hat ihre betagten und kranken Eltern bei sich in der Wohnung, die es im Fall eines Angriffs nicht in den Luftschutzkeller schaffen würden. „Wir stehen unter Raketenangriffen und heute Morgen wurde ein Gebäude in Kiew mit einer Rakete getroffen. Viele Menschen sterben, es gibt ganz viele Familien mit Kindern, mit Rentnern… Ich hoffe, dass das die Menschen in den anderen Ländern auch verstehen.“
Es gebe keinen „Konflikt“ in der Ukraine, vielmehr handele es sich um einen ausgewachsenen Krieg, bei dem die Kräfte deutlich ungleich verteilt sind, betont Kataryna, so wie viele andere Ukrainer, denen es schwerfällt, das Wort ,Konflikt' im Zusammenhang mit dem russischen Angriff zu akzeptieren. Die Politik-Fachfrau warnt auch davor, die Ukraine als alleinstehendes und isoliertes Ziel zu sehen: „Wenn die Ukraine fällt, dann bedeutet das ein grünes Licht für andere Autokraten, Menschenrechte anzugreifen, Territorien zu besetzen, Souveränität anzugreifen…. Das ist wirklich sehr ernst, das ist nicht etwas Lokales. Es ist ein Angriff gegen die westliche Welt, gegen die Demokratie, gegen die Freiheit.“
Putin hatte in verschiedenen TV-Ansprachen eine ,spezielle Militäroperation' angekündigt, um die Ukraine zu ,entmilitarisieren' und zu ,denazifieren'. Eine Definition, die Kataryna bitter lachen lässt. Denn der ukrainische Präsident Selenskyj sei doch ein demokratisch gewähltes Oberhaupt; auch Menschenrechtsverletzungen kämen in der Ukraine sicher nicht systematisch vor, unterstreicht sie. Der Präsident selbst ist mittlerweile erklärtermaßen eines der Hauptziele der russischen Militäroffensive, doch der Angriff der Russen habe nun alle Ukrainer geeint, ob sie für Selenskyj gestimmt hätten oder nicht, betont Kataryna.
„Alle Gruppen und Parteien sind wirklich einig, aber es gibt viele Schmerzen und Stress und Schlafmangel. Die Menschen helfen sich gegenseitig sehr viel, mit Unterkunft, Essen, psychologischer Unterstützung – wir sind wirklich verpflichtet, nicht aufzugeben. Wir möchten unsere territoriale Integrität und Souveränität zurück.“
Im Westen der Ukraine scheint es derzeit noch ein wenig ruhiger, doch dort kommen mittlerweile viele Ukrainer aus den östlichen Zonen an, entweder um sich dort kurzfristig in relativer Sicherheit niederzulassen, oder um direkt über die polnische Grenze in die EU auszureisen. Maria lebt in der malerischen Stadt Lviv (Lemberg), sie erzählt uns, wie sie den ersten Tag des Angriffs erlebt hat: „Am Donnerstagmorgen waren wir alle sehr schockiert, nachdem wir die Nachrichten im Internet gelesen haben. Jeder war auf eigene Weise schockiert, einige konnten gar nicht reagieren, andere waren aktiver, aber bis zuletzt hatten wir nicht erwartet, das so etwas passieren würde.“
Sofort hätten sich dann Schlangen an den Geldautomaten und an den Marktständen gebildet, doch dies habe sich mittlerweile wieder gelegt, berichtet Maria. „Also der Alltag geht weiter. Heute sind wir mit Sirenenalarm aufgewacht, da sind wir mit der ganzen Familie in den Keller und haben uns dort etwa eine halbe Stunde aufgehalten.“ Es sei dennoch relativ ruhig in Lemberg, der Angriff am Samstagmorgen habe einem Nachbardorf gegolten, meint die Ukrainerin, die Deutsch unterrichtet.
Einige Menschen hätten allerdings entschieden, aufs Land zu Verwandten zu fahren, um nicht in den Ballungszentren zu bleiben. Waffenfähige Männer würden derzeit nach der allgemeinen Mobilmachung allerdings nicht mehr aus dem Land gelassen, berichtet Maria. Jeder helfe in der aktuellen Lage, wie er könne, auch sie selbst. „Ich habe gerade etwas Zeit und gemeinsam mit anderen Menschen fertigen wir Tarnnetze, flechten Stoffstreifen ein. In den Geschäften haben wir keine Schlangen, es gibt dort und auf den Märkten momentan alles, was man braucht.“
Die Menschen, die aus dem Osten nach Lemberg kämen, würden mit Essen und warmen Kleidungsstücken versorgt, die Solidarität untereinander sei sehr groß. Doch die Nachrichtenlage sei unübersichtlich und man müsse sich vor Fake-News in Acht nehmen, gibt Maria zu bedenken. Auch sie betont, wie sehr die internationale Solidarität helfe. „Mir wurde schon von vielen deutschen Freunden und Bekannten geschrieben, die sich Sorgen um uns machen und gefragt haben, was wir brauchen und die bereit sind, uns zu helfen. Diese Gesten der Unterstützung bedeuten uns viel. Es ist wichtig zu wissen, dass man uns hilft. Hier herrscht jetzt Krieg. Das, worüber wir nur in Büchern gelesen haben und was wir uns nicht vorstellen konnten.“
Es brauche nun die Unterstützung aller, um diese Situation zu stoppen, appelliert Maria, deren Ehemann Pfarrer der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche ist. Die Gottesdienste würden nach wie vor regelmäßig gefeiert und das gemeinsame Gebet gebe den Menschen Kraft. „Die Pfarrer sind gemeinsam mit dem Volk und machen alles, was in ihrer Macht liegt. Sie organisieren, unterstützen die Menschen, und das ist natürlich wichtig in diesem Moment.“
Am Freitag habe sie selbst auch den ökumenischen Gottesdienst im Dom von Würzburg über das Internet verfolgen können, meint Maria. „Am Ende des Gebets erklang unsere Hymne auf der Orgel und es waren unvergessliche Momente, dass die Menschen so solidarisch mit uns sind.“
Die vollständigen Namen der Gesprächspartnerinnen sind der Redaktion bekannt.
(vatican news - cs)
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