Bischof von Odessa: „Hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist“
Bischof Stanislaw Schyrokoradjuk berichtet über die Lage und wie die Kirche den Menschen im Land hilft. Aktuell wurde die Bischofsstadt noch vor dem Schlimmsten bewahrt, doch die Lage sei angespannt. Mittlerweile gehöre der Lärm der Sirenen und der Gang in den Sicherheitsbunkern schon zum Alltag, so der Bischof von Odessa, dennoch sei die Lage einstweilen noch ruhiger als in anderen Gebieten der Ukraine. „Die Stadt ist halb leer, denn alle, die die Möglichkeit dazu hatten, haben sie verlassen. Geblieben sind die Armen“, sagte Szyrokoradiuk. Seit Tagen bereitet sich die strategisch bedeutsame Stadt mit Sandsäcken und Straßensperren auf die Verteidigung gegen einen befürchteten russischen Angriff vor, der außer auf dem Landweg auch vom Meer aus erfolgen könnte.
Auch jetzt heulten ständig die Warnsirenen, so der Bischof. Die Flucht in die Keller gehöre mittlerweile zur Gewohnheit, nachts werde meist auch dort geschlafen. Doch trotz aller Not gebe es in den fünf Gemeinden von Odessa noch die Möglichkeit zum Gebet: „Alle Priester bleiben bei den Menschen, sie beten, feiern die Heilige Messe“, so der Bischof von Odessa. Er selbst biete in der Kirche täglich vier Gottesdienste an, an den Sonntagen sogar sechs.
Eine kleine Minderheit
Die römisch-katholische Kirche in Odessa, deren Anhänger nur eine kleine Minderheit ausmachen, könne dank der finanziellen Unterstützung verschiedener Wohltäter Hilfsangebote wie etwa Lebensmittelausgaben an besonders Bedürftige weiterführen. Sie werden mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten versorgt, so der Bischof: „Die Menschen sind in besonderer Weise im Gebet vereint und helfen einander wie nie zuvor in dieser Kriegssituation.“
Die Situation sei bedrückend, jedoch nicht vergleichbar mit der „furchtbaren“ Lage in den weiter östlich gelegenen ukrainischen Städten wie etwa im 200 Kilometer entfernten Cherson, betonte der Bischof. Für ihn sei das Schlimmste, dass derzeit keine Hilfstransporte in die schon früh von Russen eingenommene 300.000-Einwohner-Stadt kämen.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kenne keine Regeln, sagte der Bischof. Es würden auch Wohnviertel, Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten zerstört. Unter den Tausenden getöteten Zivilisten zähle die Ukraine bereits Dutzende Kinder. Auf der Gegenseite seien laut seinen Informationen bereits 13.000 russische Soldaten gefallen, was das russische Fernsehen jedoch konsequent verschweige. „Ich habe nie gedacht, dass so etwas möglich ist in unserer Zeit“, so der Bischof. Die Ukraine brauche momentan „selbstverständlich politische und militärische Unterstützung“.
(kap/radio horeb – mg)
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