Ukrainischer Diplomat: Vermittlung des Papstes für Waffenstillstand nötig
Alina Tufani Diaz und Christine Seuss - Vatikanstadt
Dreieinhalb Millionen Ukrainer haben es bisher geschafft, über die Grenzen in die europäischen Nachbarländer zu fliehen, aber es gibt mehr als sieben Millionen Binnenvertriebene, die versuchen, in halbwegs sichere Gebiete zu gelangen. Ohne grundlegende humanitäre Hilfe wie Nahrungsmittel, sauberes Wasser und Strom könnten die Menschen nicht mehr lange durchhalten, schlägt der für Nord- und Südamerika zuständige Direktor im ukrainischen Außenministerium Yurii Diudin, der auch Botschafter der Ukraine in Argentinien war, gegenüber Radio Vatikan Alarm.
Niemand hatte sich einen Angriff dieses Ausmaßes durch Russland vorstellen können, gesteht der Botschafter einen Monat nach dem Beginn der Invasion ein: „Es stimmt zwar, dass wir uns seit 2014 im Krieg mit Russland befinden, das heißt, Russland hat uns angegriffen und uns einen Teil unseres Territoriums genommen (die Autonome Republik Krim und einige Regionen von Donezk und Lugansk), aber einen offenen Krieg mit Panzern, Flugzeugen und Bomben, wie sie ihn jetzt führen, hätten wir uns nie vorstellen können.“
Die Ukrainer zeigten sich in der Verteidigung ihres Landes gegen die zweitgrößte Armee der Welt geeint, mutig und stark, betont Yurii Diudin stolz. Nur auf diese Weise könne man letztlich auch auf erfolgreiche Verhandlungen hoffen, so der Diplomat: „Es ist bereits klar, dass die Ukraine nicht so einfach erobert werden kann. Der Heldenmut der ukrainischen Verteidiger gibt unseren Diplomaten, die Verhandlungen führen, Kraft. Und was die Reaktion des Auslands angeht, so sehen wir, wie diese sehr harten Sanktionen die russische Wirtschaft in den Ruin treiben werden, sie treiben sie schon jetzt fast in die Zahlungsunfähigkeit.“
Russland werde sich allmählich bewusst werden, was für harte Folgen die Sanktionen auch im eigenen Land zeitigen werden, zeigt sich Botschafter Diudin überzeugt: „Diese Kombination von Faktoren, der Heldenmut der ukrainischen Verteidiger, die Stärke der Sanktionen und auch die militärische Hilfe - denn die Flugabwehr, die wir erhalten haben, hilft uns sehr, die russischen Flugzeuge und Drohnen zu bekämpfen, die ihre Hauptwaffen waren - helfen uns, eine Einigung zu erzielen und den Frieden zu erreichen, den das ukrainische Volk so sehr wünscht.“
Klare Worte des Papstes
Zahlreiche Länder haben in den vergangenen Wochen ihre Solidarität mit der Ukraine durch Geldspritzen, aber auch die Lieferung strategischer Waffen gezeigt. Waffen kommen aus dem Vatikan zwar nicht, aber viele Zeichen der Solidarität und Sorge des Papstes wegen der Eskalation. Franziskus selbst hatte zunächst leisere Töne angeschlagen, im Lauf der Wochen aber immer deutlicher von einem „ungerechten“, „abscheulichen“ und „unmenschlichen“ Krieg gesprochen, der ein „Sakrileg“ darstelle.
„Wir schätzen und würdigen die Worte des Heiligen Vaters, der die Aggression verurteilt hat, und wir möchten auch auf die Unterstützung des Papstes bei den Verhandlungen zählen“, betont der ukrainische Diplomat in diesem Zusammenhang. „Die Vermittlung durch den Vatikan und den Heiligen Stuhl wäre sehr wichtig, denn was wir jetzt brauchen, ist ein Waffenstillstand, um die wehrlosen Menschen aus den belagerten Gebieten und Städten oder aus den Städten, die sich unter sehr schlechten menschlichen Bedingungen befinden, herauszubringen. Wir brauchen diesen Waffenstillstand, und jede Vermittlung in diesem Sinne ist willkommen, besonders wenn sie vom Heiligen Stuhl, vom Papst kommt.“
Auch der ukrainische Präsident Zelensky hatte dem Papst in ihrem jüngsten Gespräch um Vermittlung gebeten. Seit Beginn der Kampfhandlungen hatte der Chefdiplomat des Heiligen Stuhls, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, unmissverständlich die Bereitschaft des Vatikans erklärt, eine Vermittlerrolle einzunehmen. Bislang aufgrund russischer Vorbehalte allerdings erfolglos.
„Wir stehen wirklich vor einer humanitären Tragödie“, warnt der ukrainische Diplomat. „Dreieinhalb Millionen Ukrainer haben das Land aufgrund dieses Krieges, bereits verlassen. Und etwa 7 Millionen sind Binnenvertriebene innerhalb der Ukraine, Menschen, die ihre Heimat, ihre Häuser verlassen mussten, um dem Beschuss zu entgehen. Wir sind Polen, Rumänien, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Moldawien sehr dankbar für die Aufnahme von Millionen von Menschen, insbesondere von Frauen mit Kindern, die ein Zuhause, Nahrung und die notwendige Unterstützung erhalten haben. Viele sind auch in andere Länder wie Deutschland, Frankreich und die nordischen Länder gegangen. Jetzt sind wir Ukrainer also an vielen Orten verstreut, aber wir alle wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht, und wir wollen in unsere Heimat zurückkehren, denn man kann nicht lange fern der Heimat leben.“
(vatican news - cs)
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