Solidarität mit der Ukraine: The Show must go on
Adriana Masotti und Christine Seuss - Vatikanstadt
Mit einer bunten Show sollte am 13. März die Italien-Tournee des Kiewer Zirkus-Theaters Elysium eigentlich in Brescia enden, doch das Schicksal wollte es anders. Nach Ausbruch des Krieges in ihrer Heimat war eine Rückkehr unmöglich geworden – deshalb haben sich mehrere Städte in Italien bereiterklärt, den etwa 30 Tänzern, Akrobaten und Turnern des Zirkus die Möglichkeit zu geben, ihre Show weiter aufzuführen.
Ab dem 30. dieses Monats und mindestens bis zum 1. Mai soll „Alice im Wunderland“, so der Name des aktuellen Stücks der Truppe, deshalb in Italien zu sehen sein. Viele italienische Institutionen haben sich bislang am Aufbau dieses besonderen Solidaritätsnetzes beteiligt, darunter das Teatro Regio in Parma und das Teatro degli Arcimboldi in Mailand. Wiederholungen sind an verschiedenen Orten in der Emilia Romagna und anschließend in der Lombardei, der Toskana und Venetien vorgesehen.
Ein Traum von einer besseren Welt
Die Show „Alice im Wunderland“ ist eine Neuinterpretation von Lewis Carrolls Klassiker. Vor der Aufführung in Italien gingen die Artisten damit bereits erfolgreich in Frankreich, Russland, Weißrussland und China auf Tournee. Roberto Romaniello ist der italienische Produzent der Truppe. Auch seinen Anstrengungen ist es zu verdanken, dass in wenigen Tagen die ungeplante Solidaritätstournee auf die Beine gestellt werden konnte.
Am Mikrofon von Radio Vatikan erzählt er, wie die Artisten auf die Nachricht reagiert haben, dass in ihrem Land ein Krieg ausgebrochen ist: „Natürlich haben sie schlecht reagiert, weil sie alle ihre Familien in der Ukraine haben, fast alle Künstler sind aus Kiew. Aus anfänglicher Überraschung wurde Angst, weshalb wir mit Hilfe der italienischen Theater beschlossen haben, die Tournee zu verlängern und dafür zu sorgen, dass alle ihre Familien nach Italien kommen können.“
Familien durch Arbeit und nicht durch Spenden ernähren
Zum Zeitpunkt des Gespräches waren zwar noch nicht alle Familien am Zielort eingetroffen, aber bereits auf dem Weg nach Italien - die Stadt Reggio Emilia hatte schnell und unbürokratisch gehandelt, um den Familien der Künstler eine Unterkunft zu besorgen. Diese Solidarität sei „alles“ für die Artisten, betont der Produzent der Show: „Sie ist so wichtig für sie, in diesem Moment ist sie lebenswichtig, also ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Familien versorgt sind und dass sie weiterhin arbeiten können und somit ihre Familien durch Arbeit und nicht durch Spenden unterstützt werden können.“
Bereits zu Beginn des Krieges hätten Journalisten die Künstler gefragt, was sie von ihren Familienangehörigen in der Ukraine wüssten, lässt Romaniello die dramatischen ersten Tage Revue passieren. „Ihre Antworten lauteten, dass in dem Land Krieg herrscht, ein echter Krieg, dass die Bomben echt sind, dass gerade jetzt echte Zerstörung geschieht. Sie werden also nicht nur nicht bald zurückkehren können, sondern wir wissen nicht einmal, wann sie zurückkehren, was für ein Land sie dann vorfinden und wie lange es dauern wird, bis es wieder aufgebaut wird...“
Russische Künstler werden gefeuert
Eine belastende Situation für die Artisten, die vor allem dank der Möglichkeit, weiter ihrer Arbeit nachzugehen und ihre Familien in Sicherheit zu wissen, etwas erleichtert wird. Quasi surreal, wenn man sich das bunte und fröhliche Märchen ansieht, das die Artisten derzeit aufführen…
„Es ist eine zeitgenössische Tanz- und Zirkusshow. In der Geschichte kommen alle klassischen Märchenfiguren vor, also Alice und das weiße Kaninchen, der verrückte Hutmacher, die Königin und so weiter... Die Inszenierung, die Geschichte wird durch 3D-Bilder, eine ausgetüftelte Lichttechnik sowie Zirkusnummern und Tanz umgesetzt. Es ist eine Show für die ganze Familie, eine Show für alle, sowohl für die Kinder, die kommen, als auch für die, die schon da waren - denn in Wirklichkeit lief die Aufführung schon sehr gut, bevor der Vorfall passierte.“
Ob und wann die ukrainischen Künstler wieder in Russland oder Weißrussland auftreten könnten, wo sie in den vergangenen Jahren große Erfolge gefeiert hatten, stehe traurigerweise noch in den Sternen, meint der Intendant. Doch er weist auch auf die schwierige Situation der russischen Künstler hin, deren geplante Aufführungen derzeit weltweit abgesagt werden….
„Was jetzt mit den russischen Künstlern passiert, ist sehr traurig, denn wenn auf der einen Seite ein Land zerstört wird, dann wird auf der anderen Seite eine Kultur zerstört, das heißt, es gibt Künstler, die, obwohl sie nicht mit Putins Regierung verbündet sind, in der ganzen Welt gefeuert werden, Intellektuelle, die nicht mehr schreiben können… all das wegen einer Art Phobie vor den Russen, die wir derzeit beobachten und ziemlich abstoßend finden. Ich sage das ganz klar im Namen der ukrainischen Künstler, mit denen ich jeden Tag spreche, weil ich weiß, dass viele russische Künstler mit ihnen befreundet sind, ihre Kollegen sind. Sie haben mit ihnen zusammengearbeitet und wollen sie jetzt gewiss nicht ghettoisieren.“
Botschaft der Hoffnung
Doch von der Traumwelt der Aufführung, die in so krassem Gegensatz zu den derzeitigen Kriegswirren steht, könne auch eine Botschaft der Hoffnung ausgehen, zeigt sich der italienische Produzent der Theatertruppe überzeugt. „Denn ich glaube, dass es nötig ist, dass wir von einer besseren Welt auch träumen können, um sie letztlich zu erreichen. Die andere sehr starke Botschaft, die diese jungen Leute mit ihrer Show vermitteln, ist, dass die Ukraine ein europäisches Land ist. Tatsächlich hätte sich nichts geändert, wenn sie in London oder Rom oder Mailand aufgeführt worden wäre, denn es ist eine Show, die absolut auf der Höhe der europäischen und weltweiten Standards ist. Die Leute denken oft, dass die Ukraine ein etwas rückständiges Land ist, aber in Wirklichkeit war Kiew eine Stadt, die absolut an der Spitze stand. Was diese Truppe und ihre Familien brauchen, ist, dass die Leute ins Theater gehen, denn wenn die Leute ins Theater gehen, können sie ihre Arbeit fortsetzen und sich selbst helfen.“
Statt zu spenden, sollte man also in den Städten, in denen der Zirkus auftritt, lieber die Show besuchen, appelliert der Impresario: „Das wäre sicherlich eine große Hilfe und auch viel würdevoller für diese Künstler.“
Der Zirkus versucht, seine Tournee nach Ablauf der vereinbarten Auftritte in Italien auch auf den Rest Europas auszudehnen. Aufgrund der andauernden Pandemie-Situation stehen weitere Etappen derzeit allerdings noch nicht fest.
(vatican news)
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