Äthiopien: Bischof sieht weiter Todesgefahr in Tigray
Die Hilfszusagen würden viel zu langsam umgesetzt, um für die Bevölkerung Verbesserungen zu bringen, so der Bischof der im Tigray liegenden äthiopisch-katholischen Eparchie Adigrat, Abune Tesfaselassie Medhin, in einem Brief an die UNO und Hilfsorganisationen.
„Es wird auf diese Weise nicht gelingen, die Millionen Menschen zu retten, die sich in diesem entscheidenden Moment massenhaft in Lebensgefahr befinden“, heißt es in dem Kathpress vorliegenden Schreiben vom Mittwoch. Medhin fordert „uneingeschränkte humanitäre Hilfe, Rückzug der Besatzer, Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Dörfer sowie friedlichen Dialog für ein Ende des Völkermordes und der weiter laufenden Kriegsverbrechen“.
Völlige Blockade mit fatalen Folgen
Seit November 2020 - somit bereits mehr als 500 Tage - dauert laut dem Bischof nicht nur der Krieg in Tigray an, sondern auch eine völlige Blockade der Bevölkerung von jeglicher Grundversorgung und allen Grundrechten.
Mit drastischen Worten schildert Medhin, was dies bedeutet: „Die Menschen sind von Nahrung, Medizin, Bankleistungen, Gehalt, jeglicher Kommunikation, Versorgung mit Waren auf dem Markt, dem freien Verkehr nach und aus Tigray und auch von anderen sozialen Diensten komplett abgeschnitten. Man verwehrt ihnen den Zugang zu den eigenen Ressourcen und zwingt sogar Lehrer, Ärzte, Ingenieure und Universitätsprofessoren, um ihr Leben zu betteln. Die Menschen werden zu Tausenden in den Tod getrieben, durch absichtlich herbeigeführten Hunger und Krankheiten.“
Schreckliche Kriegsverbrechen
Entsetzt äußert sich der Bischof der mit Rom unierten äthiopisch-katholischen Kirche über jüngste Kriegsverbrechen in Tigray. Am 3. März seien in der Region Benishangui-Gumuz elf Menschen, darunter neun Tigrayaner, bei lebendigem Leib verbrannt worden. „Die katholische Kirche im Tigray verurteilt diese anhaltenden unmenschlichen Verbrechen mit Nachdruck“, betont Medhin.
Weiterhin gebe es Massaker an Zivilisten im Ausmaß eines Völkermordes, unzählige Vergewaltigungen und geschlechtsspezifische Gewalt, Plünderungen und Brandschatzungen von Häusern und die gezielte Zerstörung von Fabriken, Geschäften, Krankenhäusern, Schulen, Kultureinrichtungen sowie Kirchen und Moscheen. Zudem hätten 1,7 Millionen Kinder in Tigray keinerlei Zugang zu Bildung. „Schockierend und traurig“ sei auch, dass religiöse Führer für deren „Schreie“ nach Frieden und Hilfe von der Regierung kritisiert und angeklagt werden.
In Tigray sowie in den Nachbarregionen Amhara und Afar benötigen nach UN-Angaben 9,4 Millionen Menschen dringend humanitäre Hilfe. Die internationale Gemeinschaft müsse „schnell handeln, um Millionen von Menschen vor dem Tod zu bewahren, bevor das Sterben ein unumkehrbares Ausmaß erreicht“, fordert Bischof Medhin. Geschehe dies nicht, müsse sich die Welt darauf gefasst machen, „bald im ganzen Tigray Leichenberge von Menschen zu sehen, die an einer vermeidbaren, menschenverursachten Hungersnot gestorben sind“. Dies wäre ein „kollektives Versagen“ der internationalen Organisationen und Mechanismen, „die scheinbar keine Mittel mehr haben, um menschliches Leid dieses Ausmaßes zu lindern und die Menschheit in humanitären Krisen zu retten“.
Hilfen kommen schlecht durch
Der Bischof relativiert somit Angaben des äthiopischen Büros des Welternährungsprogramms WFP, das Ende vergangener Woche die Ankunft großer Hilfskonvois in Tigray verkündet hatte. Von einer anhaltenden Blockade der Region sprechen auch humanitäre Organisationen. Das österreichische Hilfswerk „Jugend Eine Welt“ war schon vor Ausbruch des Konflikts in Tigray aktiv und versucht seither vergeblich, Lieferungen in die Region zu bringen. „Wir sind in großer Sorge um unsere Partner, die vor Ort Bildungs- und Sozialprojekte betreiben und die wir nun angepasst an die Möglichkeiten unterstützen“, erklärte Geschäftsführer Reinhard Heiserer am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress. Dem Aufruf nach Frieden und Zulassung von Hilfe schließe sich das Hilfswerk an.
(kap – pr)
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