14.000 Kilometer zu Fuß nach Jerusalem
Im Interview mit dem Kölner Domradio berichtet er von bewegenden und prägenden Eindrücken – etwa aus der Ukraine, die er noch vor Ausbruch des Krieges durchquerte. „Die Menschen haben mich aufgenommen, als wäre ich der verlorene Sohn.“
Interview
Können Sie sich noch an das Gefühl der allerersten Meter auf dem Weg nach Jerusalem erinnern?
„Ja, die waren begleitet von mehr Ächzen als erwartet, denn es gab, kurz bevor ich losgelaufen bin, nochmal einen halben Meter Neuschnee. Ich bin da mit Schneeschuhen durch die Schneestürme durchgestapft. Das war ganz anders, als ich es mir ausgemalt hatte. Aber so kann es auf einer Reise gehen.“
Sie waren im Jahr 2013 zu Fuß unterwegs. Es gibt ein Bild, auf dem haben Sie Ihre Habseligkeiten in einem Rollwägelchen hinter sich hergezogen. Hatten Sie das die ganze Zeit dabei oder wie sah das aus?
„Weil ich ja als Priester auch alles mithatte, um die Heilige Messe zu feiern, habe ich irgendwann überlegt, ob ich das alles wirklich auf den Rücken nehmen soll oder ob das nicht zu schwer wird. Dann habe ich mich nach einem Pilgerwagen umgesehen. Ich habe etwas mit einem Rad gesucht, das auch geländegängig ist, weil ich ja doch sehr viele Berge dazwischen hatte. Ich bin zum Beispiel in den Karpaten gelaufen, die Alpen habe ich überquert. Ich habe dann etwas mit einem Rad gefunden. Das konnte ich hinter mir her ziehen wie eine Schubkarre.“
Sie waren 14.000 Kilometer lang unterwegs. Das sind unzählige erzählenswerte Momente, die Sie erlebt haben. Sie sind auch durch die Ukraine gelaufen. Wie haben Sie denn das Land und die Menschen damals erlebt?
„Ich bin auf dem Hinweg über die Ukraine gelaufen und später auch über Russland. Ich muss sagen, die Zeit in der Ukraine war für mich eine sehr, sehr schöne Zeit, vor allem wegen der Begegnungen mit den Menschen. Ich bin nicht durch Kiew gelaufen, sondern durch die dörfliche Landschaft. Auch über die Krim - noch vor dem dortigen russischen Einmarsch. Dann über die Arabat-Nehrung, eine 150 Kilometer lange Sand-Landzunge entlang.
Ich hatte wunderbare Begegnungen in diesen Dörfern. Die Menschen haben mich aufgenommen, als wäre ich der verlorene Sohn. Für viele scheint die Ukraine vielleicht weit weg im Osten, aber sie ist sehr, sehr nah. Und ich habe dort so viele Begegnungen gehabt. Ich glaube, es war das einzige Land, wo ich zugenommen habe auf der Reise, weil ich so viel essen musste. Denn die Freundschaft - natürlich gerade im Dorf - geht dann über das Essen. Man wird eingeladen, man muss auch das noch kosten und das noch kosten.
Also, es gab wirklich sehr, sehr viele wunderbare Menschen, denen ich dort begegnet bin - die einerseits schon damals wirtschaftlich in einer sehr schwierigen Situation gelebt haben, aber die mich doch mit sehr viel Freude aufgenommen haben.“
Sie haben gesagt, in Ihrer Schubkarre war alles dabei, was sie für eine Messe brauchen. Wenn die Leute erfahren haben, dass da ein Pfarrer bei ihnen vorbeikommt, wurden Sie dann oft eingeladen, um mit den Menschen Messe zu feiern.
„Das gab es immer wieder. Natürlich war ich in vielen Ländern unterwegs, die kaum Katholiken haben. Im Westen der Ukraine habe ich Gottesdienste hinter den Ikonostasen in den orthodoxen Gotteshäusern gefeiert. In anderen Gegenden, in der Türkei zum Beispiel, trifft man natürlich kaum auf Christen. Ich bin einen Umweg gelaufen über den Kaukasus - Armenien, Georgien - zwei wunderbare Länder, wo ich das erste Mal wieder nach einer gewissen Zeit als Priester wahrgenommen wurde, wo ich gebeten wurde, zu segnen. Dort gibt es die Klöster des Tur Abdin, wo Christen seit 1700 Jahren leben, die noch die Sprache sprechen, in der Jesus seinen Jüngern das Vaterunser beigebracht hat, also aramäisch.
Es gab natürlich auch viele Regionen, wo der christliche Glaube eine Minderheit ist. Ich bin durch muslimische Länder gelaufen wie die Türkei. Ich habe durch kein Land so viele Kilometer gemacht wie durch die Türkei - über 3.000. Ich bin durch den Iran gelaufen, Jordanien von Nord bis Süd. Also gab es auch immer wieder Orte, wo ich als Priester dann im Zelt irgendwo alleine die Messe gefeiert habe. Natürlich nicht ganz alleine, weil es sind immer alle Engel und Heilige anwesend. Aber so war das.“
Und dann kamen Sie ja dann irgendwann zu Ihrem Ziel in das Land, wo der Glaube mit drei Ausrufezeichen großgeschrieben wird. Können Sie sich noch erinnern, wie das war, als Sie dann in Jerusalem eingetroffen sind?
„Es war nicht mein erster Besuch in Jerusalem. Ich war im Jahr 2000 schon dort gewesen, das war kurz vor der zweiten Intifada. Da schien noch mehr Friede zu sein, auch wenn damals im Sommer 2000 schon etwas in der Luft lag. Als ich dann 2013 im Dezember angekommen bin, hatte ich ein bisschen Angst, muss ich gestehen. Nicht um meine Sicherheit. Sondern ich bin auf dieser Reise so viel allein gewesen. Und gerade die letzten Abschnitte, auch der letzte Abschnitt nach Jerusalem durch die Negev-Wüste, das war so fantastisch in dieser Einsamkeit, in der Stille der Wüste. Ich hatte ein bisschen Sorge vor dem Lärm, vor diesem Chaos.
Sie haben die drei Ausrufezeichen erwähnt, die dort auch sehr laut sein können, die verschiedenen Religionen, die dort aufeinandertreffen, und dieses bunte Gemisch an Menschen und Lärm. Da hatte ich ein bisschen Sorge. Was aber dann ganz faszinierend war, hätte ich gar nicht erwartet: Sowohl in Bethlehem als auch in der übervollen Grabeskirche habe ich wirklich einen Moment des Heimkommens erlebt, den ich in dieser Form nicht antizipiert habe.“
(domradio – sk)
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