Radio-Akademie: Iñigo – eine Spurensuche (4)
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
In den bisherigen drei Folgen haben wir Schauplätze des Lebens von Iñigo (so der eigentliche Vorname des baskischen Ritters) besucht. Dabei haben wir gelernt, dass sein spiritueller, innerer Weg keineswegs geradlinig verlaufen ist, sondern mehr einer emotionalen Irrfahrt gleichkam.
In der letzten Folge der Reihe bemühen wir uns nun zusammen mit dem Schweizer Jesuiten und Historiker Paul Oberholzer um eine Einordnung. Er ist überzeugt davon, dass man sich mit dem Spanien des 16. Jahrhunderts beschäftigen muss, um Ignatius zu verstehen.
Aufbruch in eine neue Welt
„Spanien muss in dieser Zeit in einem unheimlichen Aufbruch gewesen sein – das ist der Hintergrund, in dem Ignatius aufgewachsen ist. Das Land hatte sich definitiv von der islamischen Herrschaft befreit, und diese Befreiung wurde von den Spaniern auch stark religiös gedeutet. Gleichzeitig hatte Kolumbus seinen Fuß auf die Neue Welt gesetzt. Das heißt: Der alte Traum, dass Spanien wieder ganz frei wird, wird verbunden mit dem Schritt in eine völlig unbekannte Gegend.“
Gerade am Hof der Katholischen Könige habe man die Befreiung Spaniens „verbunden mit dem Traum, weiterzuziehen über Nordafrika nach Jerusalem, um dort quasi eben eine christliche Endzeit-Monarchie aufzubauen“, so Oberholzer. Dazu sei die Erkenntnis gekommen, dass die Welt ja noch viel größer war als gedacht. „Das ist der Hintergrund von Ignatius: Er wächst da in einer unheimlichen Dynamik auf und ist auch selbst Teil dieser spanischen Aufbruchs-Dynamik.“
Damit bietet das Spanien des Ignatius ein ganz anderes Bild als die deutschen Lande, in denen zur gleichen Zeit Martin Luther nach einer Reform der Kirche ruft. Pater Oberholzer macht darauf aufmerksam, dass die spanischen Könige schon im 15. Jahrhundert eine Kirchenreform durchgeführt hatten, die vieles von dem schon vorwegnahm und löste, was Luther forderte. „Bischöfe residierten in ihren Diözesen, die Orden wurden auf Regeltreue verpflichtet – also Elemente, an denen es gerade in Deutschland haperte, waren in Spanien grosso modo in Ordnung… Und verbunden damit eine Hebung des Bildungsniveaus auch bei Laien – und verbunden damit ein spiritueller Aufbruch in der Laienschaft!“
„Wir müssen die Bekehrung in Pamplona ein bisschen relativieren...“
Pater Oberholzer vermutet, dass die Bekehrung des Ignatius gar nicht erst 1521, nach seiner schweren Verwundung bei der Verteidigung von Pamplona, begonnen hat. Als Page im Dienst des Vizekönigs von Navarra habe Ignatius wohl schon früh geistliche Literatur gelesen und sich „spirituell betätigt“. „Von daher müssten wir, glaube ich, die Bekehrung in Pamplona ein bisschen relativieren; Ignatius war nicht religiös uninteressiert, indifferent vorher.“ Die „Geistlichen Exerzitien“, die Ignatius 1522 in Manresa zu schreiben begonnen habe, seien „Ausdruck einer schon länger anhaltenden Beschäftigung“ mit dem spirituellen Leben.
Offensichtlich war Ignatius in seiner Zeit in Manresa (mit der wir uns in der letzten Folge beschäftigt haben) „nicht völlig fern von einem religiösen Schwärmer“, wie Oberholzer formuliert. „Dieser geistliche Aufbruch, der mit massiven asketischen Übungen verbunden war – der hat Ignatius wohl auch ein bisschen übermannt, kann man sagen, und er hat sich davon später ja wieder distanziert. Interessant ist aber: Viele Elemente aus dieser Zeit blieben eben doch weiterhin lebendig.“ Das zeige zum Beispiel „das ganze Ringen um eine persönliche Gotteserfahrung, wie wir es im Geistlichen Tagebuch lesen“ – Jahrzehnte nach der emotionalen Achterbahnfahrt von Manresa.
Höfling, Bettler, Akademiker, Volksprediger...
Der Jesuit Oberholzer zeichnet den Gründer seines Ordens als sehr facettenreiche Persönlichkeit: Höfling und Einzelgänger, Ritter und Bettler, Akademiker und Volksprediger. Auf der einen Seite „diese Suchbewegung, die dann zu der Gründung des Ordens führt“ – und auf der anderen Seite „das institutionelle Element“.
„Man kann Ignatius nicht verstehen, wenn man ihn nur in die spirituelle Dimension kleiden will; diese Verbindung mit dem Administrativen ist immer da. Institution und der persönlich geistliche Weg, das hat sich bei ihm nicht ausgeschlossen. Und gerade in dieser Ausgewogenheit wird Ignatius für mich interessant…“
Ignatius und Luther - die unmögliche Verständigung
Eher zweifelnd äußert sich Pater Oberholzer auf die Frage, ob sich Ignatius und Luther, wenn sie sich je begegnet wären, etwas zu sagen gehabt hätten. „Ich glaube, das waren doch sehr verschiedene Menschen: Luther sehr akademisch, ein Mönch. Und Ignatius Ritter und Spanier. Ich frage mich, ob das nicht zwei verschiedene Welten waren… Ihre Hintergründe waren zu verschieden.“
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Der Jesuitenorden erinnert derzeit mit einem Jubeljahr an die Bekehrung des Ignatius vor 500 Jahren. In diesem Zusammenhang steht unsere Radio-Akademie.
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(radio vatikan)
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