Viele Häuser wurden zerstört - Rückkehrer starten teils bei Null Viele Häuser wurden zerstört - Rückkehrer starten teils bei Null 

Berg-Karabach: „Viele Flüchtlinge bis heute nicht zurück"

Viele der Flüchtlinge und Vertriebenen aus der Konfliktregion Berg-Karabach sind bis heute nicht in ihre Heimat zurückgekehrt. Das berichtet der in der Flüchtlingshilfe engagierte Pfarrer Elia Terzaguian aus dem Dorf Arpine in Armenien gegenüber Radio Vatikan.

Giada Aquilino und Robert Attarian - Vatikanstadt

Die armenisch-katholische Kirche heiße „Leidende aller Kategorien“ willkommen, betont der Pater, insbesondere Flüchtlinge und Vertriebene aus Berg-Karabach. Die zwischen Aserbaidschan und Armenien gelegene Region im Südkaukasus erlebte im Jahr 2020 Feindseligkeiten, die viele Menschen obdachlos machte und in die Flucht trieb.

Aufnahme „wie zu Hause“

Hunderte von Vertriebenen hätten damals in kirchlichen Einrichtungen Zuflucht gefunden, berichtet Terzaguian über die kirchliche Hilfsarbeit. Im Sommerlager „Kardinal Gregory Aghgianian“ in Torosgyugh wurden die Menschen, die vor den Zusammenstößen in der mehrheitlich armenischen Enklave in Aserbaidschan flohen, „wie zu Hause und nicht in einer Notunterkunft empfangen“, erzählt er. „Die Menschen wurden mit großem Respekt behandelt, bekamen Essen, Kleidung und sogar medizinische und psychologische Hilfe“, um den Schmerz „um ihr eigenes Land und um ihre getöteten Verwandten“ verarbeiten zu können.

Fast zwei Jahre nach den Zusammenstößen, die Hunderte von Menschen das Leben gekostet haben, gebe es keine Vertriebenen mehr in der Region, „alle sind weg“. „Es gibt Menschen, die mit Hilfe von Freiwilligen eine Arbeit und eine Wohnung gefunden haben, während sie darauf warten, in wohlhabendere Länder zu gehen. Diejenigen, die nicht in ihre Häuser zurückkehren konnten, weil sie verbrannt oder auf jeden Fall zerstört wurden, sind vorübergehend an andere Orte umgezogen“. Pater Elias ruft dazu auf, „unablässig für den Frieden zu beten und für ihn zu arbeiten, basierend auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, des Zusammenlebens und der Brüderlichkeit der Menschen“.

Erinnerung an einen Albtraum

Mariam - der Name ist aus Sicherheitsgründen fiktiv - ist 60 Jahre alt und lebt in der Region Martakert im nordöstlichen Teil von Berg-Karabach. Im September 2020 musste sie das Gebiet wegen des Krieges verlassen. Ihre Erinnerungen sind alles andere als getrübt: „Mit meiner Familie mussten wir Martakert unter der Bedrohung durch Raketen verlassen. Es kam mir wie ein Albtraum vor, denn es erinnerte mich an den ersten Berg-Karabach-Krieg“, erzählt die Frau.

Sie bezieht sich auf den Konflikt Anfang der 1990er Jahre, der unmittelbar nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 eskalierte. Bereits 1988 hatte die örtliche Regierung einen Antrag auf Transfer von der damaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan in die damalige Sowjetrepublik Armenien gestellt. Es kam zu Zusammenstößen und Spannungen, die 1992 in einen regelrechten Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan ausarteten, der mindestens 30.000 Tote forderte. Der Waffenstillstand wurde 1994 geschlossen. Seitdem ist der Konflikt eingefroren, wobei die Spannungen in regelmäßigen Abständen wieder aufflammen.

Konflikt flammte im September 2020 wieder auf

Die neuen Zusammenstöße flammten am 27. September 2020 wieder auf und dauerten 44 Tage lang an, wie Mariam bezeugt. „Ich musste meine beiden Kinder zurücklassen und ging mit meinen Enkeln und meinen Schwiegertöchtern nach Armenien. Es ist fast unmöglich, die Gefühle zu beschreiben, die ich in jenen Tagen hatte: eine Mutter, die nicht wusste, wo ihre Kinder waren, ob sie lebten oder tot waren, und die nicht wusste, welche Neuigkeiten sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erwarten hatte.“

Mit dem neuen Waffenstillstand, der im darauf folgenden November erreicht wurde, „konnte die ganze Familie nach Hause zurückkehren: Martakert war zerstört, aber wir beschlossen, es mit unseren Mitbürgern wieder aufzubauen, wie wir es nach dem ersten Krieg getan hatten“. Die Familie von Mariam konnte wieder zusammengeführt werden und in ihr Heimatland zurückkehren, aber viele dieser Flüchtlinge und Vertriebenen sind bis heute nicht in ihre Heimat zurückgekehrt.

Generation des Schmerzes

Araxie – auch dieser Name wurde aus Sicherheitsgründen gewählt - ist 38 Jahre alt und lebt in Italien, in Florenz, wo ihre Tochter geboren wurde. Sie kam aus Stepanakert und hatte einen Universitätsabschluss in der Tasche. Nicht ohne Schwierigkeiten wurde sie Übersetzerin, sie kann Russisch, Englisch, Französisch und jetzt auch Italienisch. „Meine Generation ist eine Generation, die viel Schmerz überlebt und viele Verluste erlitten hat“, sagt sie. „Aber wir sind stark“, fügt sie an und denkt dabei an ihre Freunde und Familienmitglieder, die in Berg-Karabach zurückgeblieben sind.

Pater Grigorio Mkrtishyan, Rektor der armenisch-katholischen Kathedrale der Heiligen Märtyrer in Gyumri, Armenien, erinnert sich an die Ankunft einer Gruppe von Flüchtlingen, insgesamt etwa 30 Personen. Sie wurden in Zusammenarbeit mit der Caritas Armenien unterstützt, doch als die schlimmste Phase der Katastrophe vorbei war, „konnte nur eine Familie nach Hause zurückkehren“, so der Priester. „Wir haben die anderen in geeigneten Wohnungen untergebracht, für die wir noch heute Miete zahlen, in der Hoffnung, dass der Frieden wiederhergestellt wird“. Ein Frieden, der in Berg-Karabach wie in der Ukraine und in so vielen Ländern weltweit, so dringend notwendig ist.

(vatican news – pr)
 

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18. Juni 2022, 09:29