Kasachstan: Ein Religionskongress, der Traditionen der Steppe nutzt
Gudrun Sailer – Nur-Sultan
Michael Hübner ist Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes mit Sitz in Erlangen und damit für lutherische Diaspora-Gemeinden zuständig. Er nimmt zum zweiten Mal an dem Religionskongress in Nur-Sultan teil, der 2003 ins Leben gerufen wurde. „Das ist hier eine Veranstaltung, die aus der kasachischen Situation heraus entstanden ist“, erklärt er im Gespräch mit uns.
In Kasachstan bestehe ein sehr gutes Verhältnis der hier kleinen christlichen Kirchen untereinander, und das gerade im Rahmen eines muslimisch geprägten Umfelds in einem ebenfalls muslimisch geprägten Staatswesens in den 30 Jahren seiner Unabhängigkeit. „Dazu gehört auch, dass man die alten Traditionen der Steppe nutzt, also der Kooperation: Man hilft sich, wenn man der Weite der Steppe ausgesetzt ist. Diese Tradition wird hier auf religiöser Ebene wiederbelebt. Man schützt sich vor extremistischen Einflüssen - und man versucht, das in einem weltweiten Maßstab bekannt zu machen.“
Der 7. Kongress der Führer der Welt- und der traditionellen Religionen sah mehrere Eröffnungsreden. Nach dem kasachischen Präsidenten Qassym-Schomart Kemeluly Toqajew ergriff Papst Franziskus das Wort, gefolgt vom ägyptischen Islamgelehrten und Imam der al-Azhar-Moschee Ahmad Mohammad al-Tayyeb sowie - als Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche - Metropolit Antonij (Sevrjuk), Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchates; Patriarch Kyrill I. hatte sein Kommen abgesagt. Danach sprach Rabbiner Yitzhak Yosef aus Jerusalem, UN-Generalsekretär António Guterres war mit einer Videobotschaft vertreten.
Hübner: Papstrede war „die freundlichste“
Der deutsche Lutheraner Michael Hübner zeigte sich besonders inspiriert von der Rede von Papst Franziskus. Sie sei „die freundlichste“ gewesen und „nicht so sehr geprägt von Untergangsstimmung, sondern davon, was die Religionen an positivem Zeugnis einzubringen haben. Das gab es dann auch in anderen Äußerungen. Die päpstliche war besonders wertschätzend. Etwas Gutes und Verbindendes übereinander zu sagen, das ist ja auch die wesentliche Herausforderung, wenn man in so einem großen Rahmen miteinander redet.“
Präsident Toqajew: „Wir lehnen Fundamentalismus ab“
Der kasachische Präsident hatte in seiner Eröffnungsrede die friedfertige religiöse Vielfalt im Land hervorgehoben. In Kasachstan seien 4.000 Religionsorganisationen aktiv, hier stehe nicht nur die größte Moschee, sondern auch die größte Synagoge Zentralasiens. „Wir lehnen Fundamentalismus und Terrorismus ab“, sagte Toqajew rundheraus. In einer von Spannungen zerrissenen Welt sei die moralische Autorität der Religionsführer wichtiger denn je.
Papst: Gläubige aller Religionen als „Handwerker der Einheit“
Franziskus legte eine Art Zusammenfassung seiner Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ vor und rief Gläubige aller Religionen dazu auf, „Handwerker der Einheit“ und „Zeugen einer Zusammenarbeit“ zu werden, die nicht an den Grenzen der eigenen Gemeinschaft und religiösen Zugehörigkeit stehenbleibe. „Wir wachsen nur mit den anderen und dank der anderen“, so der Papst wörtlich.
Russisch-orthodoxe Kirche: „Worte des Hasses gegen ganze Völker"
Der russisch-orthodoxe Metropolit Antonij überbrachte ein Grußwort des Moskauer Patriarchen Kyrill, der auf globaler Ebene den Verlust moralischer Werte, eine „Verfälschung historischer Fakten“ und „Worte des Hasses gegen ganze Völker und Nationen“ beklagte. Rabbiner Yitzhak Yosef betonte, Frieden sei „einer der Namen Gottes“, niemand, der an Gott glaube, sei dazu befugt, anderen Böses zu tun. UN-Generalsekretär António Guterres sagte, die Vereinten Nationen zählten auf Religionsführer, um Konflikte zu lösen und Unterschiede als Reichtum zu begreifen.
(vatican news)
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