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Jesuiten in Mexiko trauern um ihre ermordeten Mitbrüder Javier Campos und Joaquin Mora (Juni 2022) Jesuiten in Mexiko trauern um ihre ermordeten Mitbrüder Javier Campos und Joaquin Mora (Juni 2022) 

Mexiko ist gefährlich für Kirchenvertreter

In Mexiko schlagen Experten angesichts einer „neuen Kirchenverfolgung" Alarm. Mindestens 70 Priester wurden in den vergangenen Jahrzehnten in Mexiko ermordet, darunter der Leiter einer Migrantenherberge im Bundesstaat Baja California im vergangenen Mai sowie im Juni zwei Jesuiten im Bundesstaat Chihuahua. Das geht aus einer Auflistung des mexikanischen Centro Catolico Multimedial (CCM) hervor.

In den vergangenen drei Jahren seien bei mehr als der Hälfte dieser Morde kurz nach der Gewalttat im Internet Gerüchte über Kindesmissbrauch, Drogenhandel oder Alkoholprobleme der Geistlichen aufgetaucht. Laut dem kirchlichen Medienzentrum handelt es sich dabei um Versuche gezielter Diskreditierung durch Falschmeldungen, die man teilweise auch als solche habe enttarnen können. Seelsorgerisch aktive und bei ihren Gläubigen einflussreiche Geistliche seien davon besonders betroffen.

Gezielte Diskreditierung im Netz

Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, hat das CCM jene Online-Konten überprüft, von denen zwischen 2019 und Juni 2022 die koordinierten Angriffe gegen Priester ausgegangen waren. Die Suche mit dem Webtool Hoaxy zeigte demnach, dass sich die meisten Urheber derartiger Gerüchte eines gefälschten oder gerade erst erstellten Kontos auf Social Media bedienten. Jedes Mal, wenn Medien über Morde oder Entführungen von Kirchenmitarbeitern berichteten - zuletzt auch bei den Jesuiten-Morden -, wurden dieselben Konten aktiv und streuten Meldungen über angebliche Verstöße, Hasspredigten oder Doppelleben der Gewaltopfer oder auch anderer Seelsorger.

Lage weiter verschärft

Die vielen Morde an Priestern, Ordensleuten und in der Seelsorge tätigen Laien macht das mittelamerikanische Land schon seit Jahren zum weltweit gefährlichsten für Kirchenvertreter. In jüngster Zeit hat sich die Gangart der kriminellen Drogenkartelle, die für die Angriffe verantwortlich sind, weiter verschärft: Zunehmend würden ermordete Geistliche nach ihrem Tod in koordinierten Internet-Aktionen gezielt verleumdet, um sie in Verruf zu bringen und andere zugleich einzuschüchtern, geht aus einem Bericht des Nachrichtenportals publimetro.com.mx (Dienstag) hervor. Immer mehr Priester in Mexiko litten an schweren Ängsten und Depression infolge von Mobbing und Belästigung in den sozialen Netzwerken. Von eindeutig koordinierten Cyberangriffen durch eine Armee von Bots und Trollen, deren Betrieb auch große Budgets erforderten, sprach gegenüber publimetro.com.mx der Cybersicherheit-Experte Genaro Espinosa von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM).

„Störfaktor für Drogenkartelle“

Doch auch in anderer Hinsicht hätten sich die Gewalttaten gegen Mexikos Priester verändert, berichtete CCM-Direktor Omar Otero. Einerseits brächten Priester-Morde den Tätern einen Aufstieg in der Hierarchie der Drogenbanden ein, andererseits sei bei diesen auch eine „exponentielle Zunahme satanistischer Praktiken" zu beobachten, welche die Angriffe noch grausamer machten. Kirchen und konsekrierte Hostien würden geschändet und kirchliche Personen jeglichen Amtes - von Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Diakonen bis hin zu Ministranten und katholischen Journalisten - bedroht. „Niemand bleibt verschont."

Der Weihbischof von Morelia, Herculano Medina, bezeichnete gegenüber dem Portal die extreme Gewalt als „Teil dessen, was uns allen früher oder später passieren kann". Offensichtlicher Grund der Angriffe und Morddrohungen, die laut der Mexikanischen Bischofskonferenz seit 2012 an 250 Priester ergingen, sei, dass die Seelsorger von den Drogenkartellen und anderen Varbrecherbanden als „Störfaktoren" wahrgenommen würden. Eine andere Erklärung lieferte der anglikanische Priester Arturo Carrasco von der Gruppe „Kirchen für den Frieden". Priester gehörten bis vor kurzem zu den letzten Gliedern der Gesellschaft, vor denen sich das organisierte Verbrechen nicht herangewagt hätten. „Den einstigen Respekt vor ihnen und auch vor Gott gibt es nun nicht mehr", so Carrasco, dessen kirchliche Gemeinschaft genauso von Gewalt und Verfolgung bedroht ist.

(kna-sst)

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06. Oktober 2022, 14:33