GB: Kritik an Plänen zur Einschränkung von Asylmöglichkeiten
Christine Seuss und Linda Bordoni - Vatikanstadt
Die Tragödie ereignete sich nur einen Tag, nachdem der britische Premierminister Rishi Sunak neue Gesetzespläne angekündigt hatte, mit denen Asylanträge für Migranten erschwert werden sollen. In diesem Zusammenhang sprach der Premier, dessen Familie selbst auf eine über mehrere Generationen reichende Migrationsgeschichte zurückblickt, auch von einer pauschalen Ablehnung von asylsuchenden Albanern, die dank eines Übereinkommens direkt in ihr Land zurückgeschickt werden sollten. Generell sollten diejenigen Migranten, die illegal im Vereinigten Königreich ankämen, rasch in Gewahrsam genommen und zurückgeschickt werden, hieß es weiter.
Der Premierminister verspricht sich mit den drastischen Maßnahmen, bis Jahresende 2023 einen Rückstau von rund 100.000 unbearbeiteten Asylanträgen zu lösen, indem die meisten von ihnen als ungerechtfertigt abgehakt werden könnten. Der Vorschlag hatte in großen Teilen der britischen Gesellschaft für einen Aufschrei gesorgt. Unter anderem hatte die frühere Regierungschefin Theresa May zu bedenken gegeben, dass auf diese Weise der Schutz für Opfer moderner Sklaverei in Frage gestellt werden könnte.
Auch der Jesuitenflüchtlingsdienst UK zeigte sich gegenüber Radio Vatikan besorgt über die geäußerten Plan. Diese Ankündigung sei nur die jüngste in einer Reihe von Entwicklungen, die darauf abzielten, Flüchtlinge für ihre Situation zu bestrafen, Hindernisse für Asylanträge zu schaffen und die feindselige Umgebung, der Migranten und Flüchtlinge ausgesetzt sind, zu verschärfen, so Megan Knowles, stellvertretende Interimsdirektorin von JRS UK. Auch die verwendeten Begrifflichkeiten trügen dazu bei und müssten hinterfragt werden, betont die Mitarbeiterin des Jesuitenflüchtlingsdienstes resolut: „Menschen, die auf der Suche nach Asyl sind, sind nicht illegal. Es ist nicht illegal, Asyl zu beantragen. Wir führen dieser Unterhaltung, nachdem am Mittwoch vier Menschen bei ihrem Versuch, nach Großbritannien zu gelangen, im Ärmelkanal ertrunken sind. Und das ist nicht akzeptabel und eine Tragödie, die absolut vermeidbar gewesen wäre.“
Immigration als Krankheit
Die Pläne der Regierung starteten von einem „Standpunkt der Angst“ aus und betrachteten Flüchtlinge und Menschen, die Zuflucht suchen, als „Krankheit des Landes und etwas, vor dem es geschützt werden muss“, gibt Knowles zu bedenken. Unter anderem sollte eine neue Polizeieinheit für mehr Kontrollen eingerichtet werden, um illegale Einreisen zu verhindern.
„Was automatisch misslingen wird! Höhere Mauern, Polizeieinsätze und die Inhaftierung von Menschen auf der Suche nach Sicherheit werden sie nicht davon abhalten, gefährliche Reisen zu unternehmen, wenn sie keine andere Wahl haben.“
In den Vorschlägen der Regierung vermisst die Asylexpertin denn auch Vorkehrungen für sichere und zugängliche Routen, auf denen Migranten aus Ländern wie Afghanistan oder der Ukraine offiziell ins Land kommen könnten.
„Wenn Menschen fliehen müssen und sich bewegen müssen, weil eine Krise eintritt, dann geschieht dies unmittelbar. Die Menschen haben weder die Zeit noch die Möglichkeit, um zu einer Botschaft zu gehen und ein Visum zu beantragen. Das haben wir letzten Sommer in Afghanistan ganz deutlich gesehen.“
In seiner Erklärung, die auf die Ankündigung des Premierministers am Dienstag folgte, wies der JRS darauf hin, dass die meisten Menschen, die mit kleinen Booten in Richtung Großbritannien übersetzen, aus Afghanistan, Eritrea, Syrien und dem Iran kommen - alles Länder, in denen Konflikte und mangelnde Freiheit die Bevölkerung stark belasten und die offizielle Ausgabe von Visa für Fluchtwillige praktisch unmöglich ist.
„Mein Appell ist, dass jegliche Änderungen und Entwicklungen im Asylsystem anerkennen müssen, dass die Menschenwürde das erste Prinzip ist, das die britische Asylpolitik untermauern muss. Die zunehmende Feindseligkeit eines Asylsystems und eine engstirnige Besessenheit von Einwanderungskontrollen werden nicht funktionieren, wenn wir nicht ein Asylsystem haben, das die Menschenwürde anerkennt und nicht auf Feindseligkeit beruht. Das ist es, was wir brauchen.“
Aufnehmende Gemeinschaften
Immer wieder weist Papst Franziskus darauf hin, dass es gelte, Migranten und Menschen auf der Flucht „willkommen zu heißen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren“, ebenso wie andere christliche Führer zur Aufnahme von Migranten aufrufen. Knowles räumt ein, dass die von der Regierung vorgeschlagenen Pläne in krassem Gegensatz zu diesen Botschaften stünden.
„Ich denke, dass die britische Regierung davon lernen könnte, wenn sie sich anschaut, was in den Gemeinden tatsächlich funktioniert, und auf die Menschen hört, die diese Dinge umsetzen und diese Initiativen unterstützen.“ Dabei denke sie an Initiativen wie das Programm „Homes for Ukraine“, die in den Gemeinden unglaublich erfolgreich seien, unterstreicht Knowles. Denn obwohl es Probleme gebe, seien „die Teile, die funktionieren, die Teile innerhalb der Gemeinden, und oft sind es Kirchengemeinden, einzelne Gruppen von Menschen, die zum Beispiel Menschen in Hotels besuchen.“
Die konkrete Art und Weise, wie die Gemeinden weiterhin reagieren, indem sie Flüchtlinge und Migranten willkommen hießen und integrierten, gebe ihr in diesem Zusammenhang Hoffnung, fügt Knowles hinzu:
„Was wir in Zukunft tun wollen, und damit fangen wir jetzt richtig an, ist, viel mehr innerhalb der Gemeinschaften zu arbeiten, um Gastfreundschaft statt Feindseligkeit zu ermöglichen und zu sehen, und das wirklich aufzubauen, indem wir zusammenarbeiten und letztendlich die Regierung herausfordern.“
In diesem Sinne sei es wichtig, weiter Lobbyarbeit bei der Regierung zu betreiben und sie über die Kampagnen der Organisationen auf dem Laufenden zu halten, die sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzten, unterstreicht Knowles. Doch man müsse in diesem Zusammenhang auch anerkennen, dass sich das politische System im Vereinigten Königreich drastisch verändert habe. Dies betreffe auch einige der traditionellen Wege der Lobbyarbeit bei Regierungen, die nicht mehr so effektiv wie früher funktionierten.
Regierung vom Volkswillen entkoppelt
In einer multikulturellen Realität wie der britischen komme es derzeit jedenfalls zu einer „völligen Entkopplung“ zwischen der Regierungspolitik und der britischen Öffentlichkeit, meint die stellvertretende JRS-Direktorin, die an die „schrecklichen und grausamen“ Pläne der Regierung vom letzten Frühjahr erinnert, Flüchtlinge zur Bearbeitung ihrer Asylanträge nach Ruanda zu schicken: „In den Unterhaltungen, die wir hatten, bezeichneten die Menschen diesen Vorschlag als schrecklich, und sagten: So behandeln wir Menschen nicht. Das sind keine britischen Werte. Wir hatten so viele von diesen Unterhaltungen. Und doch hat die britische Regierung nun Ankündigungen gemacht, die in diesem Sinne eingebettet sind, dass wir Flüchtlinge und Asylbewerber zum Sündenbock machen und ihr Recht auf Würde für politische Spielchen aufgeben.“
Sie wolle sich jedoch besonders bei all jenen Menschen bedanken, „die Gastfreundschaft zeigen und in ihrem täglichen Leben Flüchtlinge, Asylbewerber und all jene unterstützen, die sich in einer Notlage befinden“, schließt die JRS-Vizedirektorin Megan Knowles.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.