Kongo: Warum der Papst nicht nach Goma reist
Immerhin gibt es jetzt einen schwachen Hoffnungsschimmer, dass es nicht immer nur noch schlimmer wird in der Region. In Luanda, der Hauptstadt von Angola, hat am 23. November ein Gipfel stattgefunden. Dabei wurde beschlossen, dass die Rebellengruppe „M23“ zunächst einen Waffenstillstand einhalten und sich dann aus den von ihr besetzten Gebieten zurückziehen solle.
Friedensschluss mit Schönheitsfehler
Kleiner Schönheitsfehler der Einigung: Die Rebellengruppe hat sich bisher nicht bewegt. Und das hat durchaus seinen Grund: „Man hat Entscheidungen über die M23 getroffen, aber ohne die M23 – und das wird zu Problemen bei der Umsetzung führen.“
Das sagt Onesphore Sematumba, der für die „International Crisis Group“ die Region der Großen Seen beobachtet und analysiert. „Die Kämpfe werden weitergehen, und ich glaube nicht, dass sie endgültig aufhören werden. Darum wird sich auch die humanitäre Lage verschlechtern. Das gilt auch für die Stadt Goma, weil die Achse, die nach Norden, nach Butembo-Beni führt, de facto durch die Kämpfe abgeschnitten ist.“
Wer alles mit am Tisch sitzt – und wer nicht
Nicht nur die M23 sitzt bei den Friedensverhandlungen, die diese Woche im kenianischen Nairobi wieder aufgenommen wurden, nicht mit am Tisch. Auch die Regierung des Kongo verweigert sich dem Prozess: Kinshasa stuft die M23 als Terrorbewegung ein und will nicht mit ihr reden. Nach Luanda waren Verhandler aus Kinshasa gar nicht erst eingeladen.
Stattdessen sprach man dort mit Ruanda, das als Sponsor der M23 gilt – und es war Ruanda, das Zusagen machte und damit erstmals, indirekt, einen gewissen Einfluss auf die Rebellen zugegeben hat. Außerdem mit am Tisch: Burundi, das (auch militärisch) auf der Seite der Regierung des Kongo steht.
Aus zwei (Friedensprozessen) mach einen
Waren also die Bemühungen um Frieden ein Fehlschlag? Nein, in diplomatischer Hinsicht jedenfalls nicht, meint Sematumba.
„Angolas Präsident João Lourenço, der zu dem Gipfel in Luanda eingeladen hat, war bisher derjenige, der den sogenannten Prozess von Luanda gesteuert hat. Und der frühere kenianische Präsident Uhuru Kenyatta soll für die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC zu einem Frieden im Kongo verhelfen. Jetzt war es das erste Mal, dass die beiden Vermittler, die beiden Fazilitatoren, zu einem Treffen zusammengekommen sind. Das ist vielleicht ein erster Schritt in Richtung Kohärenz zwischen den beiden Prozessen.“
Das heißt: Es entsteht mehr Druck, dass wirklich ein Schritt in Richtung Frieden getan wird. Eigentlich war man mit der M23 schon mal so weit: Vor neun Jahren sorgte ein Abkommen von elf afrikanischen Staaten für eine Auflösung der Gruppe. Zuvor hatte die M23 im November 2012 die Stadt Goma in ihre Gewalt gebracht.
Damals besiegt, heute wieder gefährlich
Damals besiegt, hat sich die Gruppe vor kurzem neu gebildet – und marschiert wieder auf Goma vor. Kein Wunder, dass die Millionenstadt nicht mehr auf dem Reiseplan des Papstes steht, wenn er im Januar nächsten Jahres – wie an diesem Donnerstag vom Vatikan angekündigt – in den Kongo reist. Im ursprünglichen Programm der Reise, die eigentlich schon dieses Jahr hatte stattfinden sollen, war Goma noch aufgetaucht.
„Es gibt also keine Versorgung der Stadt Goma aus dem Norden mehr, und jetzt hat die M23 sich so weit ausgedehnt, dass sie die Westachse abgeschnitten haben und Goma zu ersticken droht. Wir haben also eine große Metropole, die jetzt Schwierigkeiten bekommt, sich zu versorgen!“
Die Regierung in Kinshasa hat diesmal durchaus nicht weggesehen, sondern versucht, auf den Vormarsch der Rebellen zu reagieren. „Zunächst natürlich mit Waffengewalt, dann aber auch mit Druck auf die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC. Die kongolesische Armee will mit der Militärhilfe verbündeter Länder die von der M23 besetzten Gebiete zurückerobern; das ist die einzige Strategie, die Kinshasa derzeit verfolgt. Eine Strategie, die Fragen aufwirft.“
Zunächst mal sei es gar nicht so leicht, eine „externe Intervention von fünf ausländischen Armeen“ auf die Beine zu stellen, so der Experte. Die ausländischen Kämpfer seien nicht leicht zu mobilisieren oder auszurüsten, sie kennten sich auch nicht im Osten des Kongo aus. Immerhin, den Präzedenzfall gibt es: Als die M23 vor zehn Jahren Goma besetzte, machte eine „Monusco“ genannte Streitkraft dem Spuk schnell ein Ende. Bei der UNO-Truppe machten Tansania, Südafrika und Malawi mit.
„Ich glaube nicht, dass die M23 eine politische Agenda hat, die so weit gehen könnte, dass sie die Macht in Kinshasa übernehmen wollen. Das ist nicht realistisch. Aber ich denke, dass sie militärischen Druck auf die Regierung ausüben wollen, um Forderungen durchzusetzen. Im Sinn von: Wir haben Abkommen unterzeichnet, die nicht umgesetzt wurden, und die einzige Sprache, die uns bleibt, ist, auf den militärischen Knopf zu drücken. Die Einnahme von Goma wäre eine Art Joker, um diesen Druck zu verstärken, falls die diplomatischen Kanäle oder Verhandlungen weiterhin versagen sollten, falls sie keinen direkten Gesprächskontakt mit der Regierung des Kongo bekämen.“
Alle zehn Jahre dasselbe, blutige Spiel
Was die Lage im Osten des Kongo kompliziert, ist, dass die M23 bei weitem nicht die einzige Rebellengruppe oder Miliz dort sind.
„Alle zehn Jahre greifen praktisch dieselben Akteure oder ihre Nachkommen oder Enkel wieder zu den Waffen, und man hat den Eindruck, dass man wieder bei Null anfängt. Aber das liegt ganz einfach daran, dass die Wurzeln der Probleme nicht wirklich in Angriff genommen werden. Oft begnügt man sich damit, Feuer zu löschen, statt einen echten Frieden aufzubauen. Es ist nun mal leichter, einen Krieg zu gewinnen, als Frieden zu schaffen.“
Frieden schaffen würde „viel mehr Arbeit“ bedeuten, erläutert Onesphore Sematumba. Alle Beteiligten (auch aus den Nachbarländern, namentlich Ruanda) zu einem Dialog zusammenbringen, nach langfristigen Lösungen für ein ganzes Knäuel von Problemen suchen. Da geht es natürlich vor allem um die Kontrolle der reichen Bodenschätze in der Region der Großen Seen.
„Es sind alle Länder der Region, die sich zusammenschließen sollten, um ihre Beschwerden auf den Tisch zu legen. Und es wäre nicht gut, das eine oder andere Land bei der Suche nach einem wirklich dauerhaften Frieden auszuschließen.“
(vatican news – sk)
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