Peru: Tiefer Graben zwischen Peruanern und ihren Institutionen
Xavier Sartre und Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Am Ursprung der akuten Krise stand der Vorwurf der Korruption gegen die Regierung von Präsident Pedro Castillo. Dieser wollte sich durch die Auflösung des Parlamentes an der Macht halten, doch das ging schief: Das Parlament setzte umgekehrt Castillo ab und nannte als Begründung „moralische Unfähigkeit". Daraufhin kam es zu massenhaften Protesten im ganzen Land, vor allem in den ärmsten Gebieten. Bei Zusammenstößen mit der Polizei starben mehr als 20 Menschen. Castillo wurde wegen des Vorwurfs eines versuchten Staatsstreichs festgenommen. Mexiko und Kolumbien, beide links regiert, erklärten sich solidarisch mit Castillo, Mexiko will dem abgesetzten Präsidenten sogar politisches Asyl gewähren, was in Peru zu weiteren Protesten führte.
Protest gegen mangelnde Regierungsführung
Die Menschen, die in Peru seit Wochen auf die Straße gehen, „sind überhaupt keine Anhänger von Präsident Castillo": Das stellt indessen der französische Fidei-Donum-Priester Hubert Boulangé klar. Castillo stammt zwar wie die meisten der Demonstranten aus der Arbeiterklasse, aber der Priester warnt vor falschen Schlussfolgerungen. Vielmehr habe der abgesetzte Präsident das Land in den achtzehn Monaten seiner Amtszeit „sehr schlecht geführt, viele Fehler gemacht und sich mit Leuten umgeben, die überhaupt nichts taugen. Jene, die demonstrieren, wollen sagen: Wir haben genug von diesem Konflikt zwischen Legislative und Exekutive, wir wollen, dass Peru regiert wird".
Tiefe Wurzeln
Die Krise in Peru hat in der Tat weit zurück reichende Wurzeln. Nicht weniger als sechs Präsidenten hatte das südamerikanische Land in den vergangenen sieben Jahren. Boulangé sieht dafür zwei Gründe: die politische Klasse ist schlecht ausgebildet, und die Menschen haben kein Vertrauen mehr in die Institutionen. Politiker seien inkompetent, „weil sie nicht ausgebildet“ seien. „Es gibt keine politischen Parteien mehr, die über eine Vision für das Land nachdenken und etwas vorschlagen", erklärt der französische Priester. Bei der Politik zählten vorrangig persönliche oder parteipolitische Interessen. Das führte in Boulangés Interpretation zum fehlenden Vertrauen der Menschen in alle Institutionen: Politik, Militär, Wirtschaft, Bildung, Religion und Wissenschaft. Die Covid-19-Pandemie traf Peru schwer und raffte fast ein Prozent der Bevölkerung hin, und die Kinder gingen zwei Jahre lang nicht zur Schule.
Die katholische Kirche in Peru engagiert sich und ruft alle politischen Kräfte zum Dialog für das Gemeinwohl auf. Sie genießt immer noch großen Respekt im Land – aber auch sie muss für den Vertrauensverlust der Peruaner bezahlen, bedauert Pater Boulangé. Für ihn ist alles zusammen das Ergebnis einer „tiefen moralischen Krise".
In Peru gibt es viel soziale Ungerechtigkeit, aber im Vergleich zu den südamerikanischen Nachbarn steht das Land wirtschaftlich verhältnismäßig gut da. Dies verleitet nach Ansicht des Fidei-Donum-Priesters viele Menschen zu einer falschen Analyse: „Das Land läuft, wir brauchen die Politik nicht". Pater Boulangé fürchtet deshalb eine Fortsetzung der Anarchie – mit oder ohne vorgezogene Neuwahlen.
(vatican news)
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