Reaktionen auf Pells Tod: „Ein schwerer Tag für viele Menschen “
Kirchenvertreter betonten die bedeutende theologische Rolle des früheren Erzbischofs von Sydney und Melbourne; Missbrauchsopfer und ihre Anwälte kritisierten die Rolle des Geistlichen im Umgang der Kirche mit dem Thema. Die konservative politische Opposition sieht Pell wegen seiner Verurteilung und zwischenzeitlichen Inhaftierung in einem Missbrauchsverfahren als ein „Opfer politischer Verfolgung“.
Einfluss wird nachwirken
Premierminister Anthony Albanese sagte im TV-Sender SBS News, Pells Tod sei „ein schwerer Tag für viele Menschen, gerade für jene katholischen Glaubens“. Australiens Bischofskonferenz betonte am Mittwoch auf ihrer Website Pells „starke und klare Führung in der katholischen Kirche in Australien“. Sein Einfluss auf das Leben der Kirche werde auch international „noch viele Jahre zu spüren sein“.
Sydneys Erzbischof Anthony Fisher betonte Stärke und Integrität seines Amtsvorgängers. „Das bischöfliche Motto von Kardinal Pell war 'Fürchte dich nicht'; und er lebte diese Worte als ein Mann mit Mut und großem Herzen, der auf die göttliche Vorsehung vertraute, in guten wie in schlechten Tagen“, so Fisher. Auch der Erzbischof von Melbourne, Peter Comensoli, hob die große Bedeutung Pells für die Kirche Australiens und der Welt hervor.
Der frühere Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates war am Dienstag im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Operation gestorben.
Verteidiger des katholischen Glaubens
Oppositionsführer Peter Dutton lobte den Verstorbenen als einen „erbitterten Verteidiger des katholischen Glaubens und der christlichen Ideale“. Der Regierung und der Justiz des Bundesstaates Victoria in Melbourne warf Dutton wegen der Prozesse gegen Pell wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs „moderne politische Verfolgung“ vor. Ähnlich äußerte sich der frühere Premierminister Tony Abbott; er nannte Pells zeitweise Inhaftierung eine „moderne Form der Kreuzigung“.
Journalistische Kommentatoren kritisierten Pells Rolle im australischen Missbrauchsskandal. Die Zeitung „Sydney Morning Herald“ schrieb am Mittwoch, der Kardinal „konnte bei der Wahrnehmung kirchlicher Interessen rücksichtslos und sogar machiavellistisch sein“. Seine Lebensaufgabe sei gewesen, die Kirche voranzubringen und zu schützen; dies habe er „jahrzehntelang mit beispielloser Entschlossenheit und Energie, wenn auch nicht immer mit Weisheit“ getan. Der Kommentator weiter: „Die Kulturkriege, die Kardinal Pell mit solcher Entschlossenheit und Lust geführt hat, sind im Jahr 2023 zunehmend irrelevant.“ Dennoch habe Australien „einen Titanen verloren“.
Noch zivilrechtliches Verfahren anhängig
Derzeit ist in Melbourne in Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen noch ein zivilrechtliches Verfahren gegen Pell anhängig. Es soll laut australischen Medien auch nach seinem Tod weitergehen. Opfer-Anwalt Michael Magazanik, der für Missbrauchsopfer Entschädigungen in Rekordhöhe erstritten hat, kritisierte die Verehrung Pells durch die Kirche als eine „Heuchelei olympischen Ausmaßes“. Pell habe vor massivem Kindesmissbrauch „zumindest ein Auge zugedrückt“ und sei „unfähig zu Empathie für die Opfer“ gewesen, sagte Magazanik dem „Sydney Morning Herald“.
Nach Angaben der Erzdiözese Sydney wird Pells Leichnam nach der Trauerfeier in Rom nach Australien überführt und in der Krypta der Kathedrale von Sydney beigesetzt.
(kap – pr)
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