Frankreich: „Ich habe das erst 2016 begriffen“
„Ich habe das erst 2016 begriffen. Vorher hatte ich sogar noch in einem Artikel erklärt, warum das Phänomen in Australien und den USA ein größeres Problem ist als in Frankreich", sagte Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort im Interview der Monatszeitschrift Herder-Korrespondenz (April). Doch dann hätten die Betroffenen in Frankreich angefangen zu sprechen. „Vielleicht war ich blind, ich habe die Realität nicht gesehen - und die französische Bevölkerung auch nicht.“ Inzwischen sei klar, „wie auch in Deutschland“, dass es viel mehr Fälle gibt als angenommen.
Fehler räumte der Episkopatsvorsitzende auch im Umgang mit dem Rücktritt von Michel Santier als Bischof von Creteil ein. Anfang 2021 hatte der Vatikan den Amtsverzicht angenommen, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Im Oktober 2022 stellte sich aber heraus, dass Santier zwei Männer sexuell und spirituell missbraucht hatte. „Formell gesehen haben wir uns als Bischofskonferenz an die Vorschriften gehalten“, so Moulins-Beaufort. Rom habe Santiers offizieller Begründung nicht widersprochen. Und die Bischofskonferenz sei nicht befugt zu intervenieren, wenn ein Bischof zurücktritt. „Die Bischofskonferenz kann nur die Informationen verbreiten, die sie vom Heiligen Stuhl erhält“, so der Erzbischof von Reims. „De facto war es aber so, dass wir geschwiegen haben, damit der wahre Grund für seinen Rücktritt nicht bekannt wird. Das war ein Fehler.“
Tatsachen öffentlicher Relevanz verschwiegen
Ein Bischof sei eine öffentliche Person; „und daher sind die Übertretungen eines Bischofs öffentliche Tatsachen“, sagte Moulins-Beaufort. „Man kann nicht ein Mann mit öffentlicher Verantwortung sein wollen und gleichzeitig darauf bestehen, wie ein normaler Bürger behandelt zu werden.“ Der Erzbischof weiter: „Der Skandal, der dadurch verursacht wurde, muss uns eine Lehre sein.“
Anders als in Deutschland gibt es in Frankreich eine gesetzliche Meldepflicht bei Missbrauchsfällen. 2021 wurde dort debattiert, ob diese Pflicht auch für die Beichte gilt. Moulins-Beaufort hatte damals als Vorsitzender eine Auseinandersetzung mit dem Innenminister, weil er gesagt hatte, das Beichtgeheimnis stehe über den Gesetzen der Republik. Auf die Frage, was er selbst täte, wenn in der Beichte von einem solchen Vorfall erführe, sagte der Erzbischof, wenn ein Erwachsener eine missbräuchliche Handlung an einem Kind bekennte, würde er „alles tun, um ihn dazu zu bringen, sich selbst anzuzeigen“. Und er würde ihm auch nur dann die Lossprechung von seiner Sünde erteilen, wenn er sich zur Selbstanzeige bereit erklärte. Wenn ihm ein Kind in der Beichte berichtete, Opfer geworden zu sein, so Moulins-Beaufort, würde er versuchen, es „dazu zu bringen, dass es außerhalb der Beichte noch einmal mit mir spricht“. So wäre er „nicht mehr an das Beichtgeheimnis gebunden“.
(herder/kna – pr)
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