Tunesien: Afrikamissionar beklagt Feindseligkeiten gegen Migranten
Die Mehrheit der Gläubigen, die die katholischen Messen besuchten, stamme aus dem Subsahara-Raum, doch derzeit bleibe die Kirche sonntags wegen des Klimas der Angst leer, seit die Übergriffe auf Schwarzafrikaner deutlich angestiegen seien, erläutert Pater Zinzéré.
Der Priester, der der Kongregation der Afrikamissionare (Weiße Väter) angehört, stammt ursprünglich aus Burkina Faso und lebt seit 2004 in Tunesien. Im Lauf der Jahre hat er die Verschlechterung der Lage miterlebt, insbesondere nach dem Arabischen Frühling 2011. In den letzten Wochen kam es vermehrt zu gewalttätigen Zwischenfällen. Grund dafür sind die schwere Wirtschaftskrise (die Inflation liegt bei über 10 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch) und Äußerungen von Präsident Kaïs Saïed, der Migranten aus Subsahara-Ländern für die „große Verdrängung“ der arabisch-muslimischen Bevölkerung verantwortlich und den Kampf gegen illegale Einwanderer zu einer Priorität machte.
Leere Straßen
Viele Betroffene wurden aus gemieteten Häusern oder von ihren Arbeitsplätzen vertrieben. „Einige Leute, die ich kenne, Männer und Frauen, wurden körperlich und verbal angegriffen“, berichtet der Priester. In den vergangenen Tagen rief der Verband der afrikanischen Studenten und Auszubildenden in Tunesien die Subsahara-Afrikaner dazu auf, zu Hause zu bleiben. „Letzten Sonntag war die Kirche leer. Die Schwarzen haben Angst, auszugehen, selbst diejenigen, die offizielle Papiere haben“, meint Pater Zinzéré. Mitterweile scheine sich die Lage etwas zu entspannen, so die Einschätzung des Geistlichen: „Man sieht wieder einige Menschen auf der Straße“.
Das Nationale Institut für Statistik in Tunesien gibt die Zahl der Einwanderer aus Ländern südlich der Sahara mit 21 000 an. „Wir kennen die genauen Zahlen nicht, denn die Zahl der Gläubigen ändert sich ständig“, erklärt Pater Zinzéré, „einige kommen für eine Weile und dann sehen wir sie nicht mehr.“
Aufruf zu Spenden
Auch der Erzbischof von Tunis, Ilario Antoniazzi, hatte sich vor zwei Wochen im einem Brief zu der Situation geäußert. „Einerseits kann ich nicht gleichgültig bleiben, aber andererseits hat die Kirche angesichts der Zeit des Schmerzes, die wir erleben, wenig Handlungsspielraum“, so der Erzbischof, der in diesem Zusammenhang zu „Sach- oder Geldspenden“ für die materiellen Bedürfnisse der Einwanderer aufrief. Viele von ihnen sind Universitätsstudenten, andere arbeiten im Hotelgewerbe, in Haushalten oder bei der Olivenernte im Süden des Landes. „Sie kommen mit einem Touristenvisum hierher, aber nach drei Monaten Aufenthalt werden sie illegal. Da sie überleben müssen, sind sie leider gezwungen, sehr niedrige Löhne zu akzeptieren. Deshalb denken die Tunesier, dass sie ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“, erklärt Pater Zinzéré. „Wir haben unsere Gläubigen ermutigt, sich an das Gesetz zu halten“, sagt er, „aber es ist sehr kompliziert, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Deshalb wollen viele nach Europa auswandern“.
Die Erzdiözese Tunis hatte stets vor den Gefahren der Überfahrt gewarnt und lädt Ausreisewillige ein, lieber in ihre Herkunftsländer zurückzukehren, wobei sie mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und den Botschaften bei freiwilligen Rückführungen zusammenarbeitet.
„Sie wissen sehr wohl, dass sie riskieren, auf dem Meer zu sterben, aber es ist schwierig, jemanden davon zu überzeugen, nicht zu gehen“, betont der Priester. „Viele werden sicher versuchen, die Überfahrt zu machen, auch wenn es Kontrollen durch die tunesische Nationalgarde gibt. Aber die Schleuser verdienen gutes Geld und schaffen es oft, die Kontrollen zu umgehen“, fährt Pater Zinzéré fort. „So viele Menschen, die wir kennen, sind auf dem Meer gestorben oder wir kennen ihren Verbleib nicht mehr. Sie packen 50 Menschen in Boote, die nur 20 aufnehmen können, und viele versuchen die Überfahrt mehrmals“. Diejenigen, denen es gelingt, Italien zu erreichen – „und das ist ein großes Problem“, so Pater Léonce – „schicken Botschaften und Videos, um die Menschen zur Ausreise zu bewegen“.
Ein komplexes Thema
„Die irreguläre Migration ist ein sehr komplexes Thema", stellt er fest. „Es ist gut, den Krieg gegen Menschenhändler zu führen, aber das reicht nicht aus. Man muss das Übel an der Wurzel packen. Wirtschaftlich gesehen sind die Herkunftsländer Teil des Problems. Die Menschen müssen das Recht haben, zu Hause zu bleiben und ein würdiges Leben zu führen. In den Herkunftsländern ist viel Arbeit nötig. Die Kirche hat die Aufgabe, das Bewusstsein zu schärfen.“
(sir - cs)
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