Weltwasserkonferenz: Wandel nicht nur der Politik überlassen
Radio Vatikan: Welches Fazit ziehen Sie nach dieser erst zweiten Weltwasserkonferenz?
Benjamin Adrion, Gründer von „Viva con Agua" und Teilnehmer der UN-Weltwasserkonferenz: Insgesamt ist natürlich erfreulich, dass es nach 47 Jahren endlich mal wieder zu einer UN Wasserkonferenz gekommen ist. Man mag es kaum glauben: Es hat fast ein halbes Jahrhundert gedauert, dass auf dieser Ebene das Thema wieder auf die Agenda gesetzt worden ist - und mit dieser Priorität.
Es ist klar, dass das nur ein Anfang sein kann. Auf der einen Seite ist natürlich erfreulich, wenn 6000 Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft, aus der ganzen Welt, zusammen kommen und sich zum Thema Wasser austauschen. Auf der anderen Seite wird auch klar, dass es hier zu keinerlei konkreten Commitments oder konkreten nächsten Schritten kommt. Und auch die genaue Perspektive, wie es weitergeht, ist bislang nicht klar. Eine nächste UN Wasserkonferenz ist noch in weiter Ferne und bislang nicht geplant. Also: Insgesamt hat man das Gefühl, es ist ein Auftakt. Es ist ein Beginn in einem Bereich, in dem wir eigentlich schon längst hätten starten sollen.
Radio Vatikan: Es wurden aber doch mehr als 660 Selbstverpflichtungen für besseren Wasserschutz unterzeichnet. Das ist Ihrer Meinung nach nicht ausreichend?
Adrion: Es sind freiwillige Commitments, von den einzelnen Akteuren und Organisationen, die an der Konferenz teilnehmen. Auch wir haben ein solches freiwilliges Commitment abgegeben. Aber am Ende des Tages sind es reine Willensbekundungen: Es sind freiwillige Beiträge, die im Vorfeld von allen Organisationen gemacht worden sind. Die sind vollständig unkoordiniert, untereinander gibt es keinerlei Koordination. So besteht natürlich auch die Sorge, dass hier viel Stückwerk bleibt, dass man die Synergien aller Akteure, aller Sektoren, noch nicht vollständig nutzen kann.
Radio Vatikan: Papst Franziskus hat zum Auftakt der Weltwasserkonferenz diesen Mittwoch bei seiner Generalaudienz hier im Vatikan gemahnt,dass Wasser nie Grund für Kriege sein dürfe. Wie ist das wahrgenommen worden? Ist das angekommen in New York?
Adrion: Das wurde jetzt hier nicht so häufig an mich herangetragen. Ehrlich gesagt war mir persönlich auch bislang gar nicht bewusst, dass der Papst dazu auch in dieser Woche Stellung bezogen hat. Von daher habe ich das Gefühl, dass das jetzt hier noch nicht vollständig durchgedrungen ist. Und gleichzeitig hat er natürlich total Recht: Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten und darf eigentlich nicht zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen.
Das ist ein Wunsch, den man haben kann - und gleichzeitig sehen wir schon heute, dass es zu Auseinandersetzungen führt, dass es Kriege zu Wasser und Konflikte zu Wasser heute schon auf der Welt gibt. Daher ist es umso wichtiger, dass es multilaterale, transnationale Foren gibt, bei denen man sich abstimmt zum Thema Wasser. Die komplexen Ökosysteme im Wasserbereich betreffen nicht nur einzelne Länder. Da geht es um Kooperation unter Ländern, da geht es um Zusammenarbeit und deswegen ist umso wichtiger, dass Austausch stattfindet und dass man Konflikte vermeidet.
Konferenzen sind wichtig - eigenes Engagement auch
Es ist natürlich zum einen sehr gut und wichtig, dass Konferenzen auf so einer hohen Ebene stattfinden. Gleichzeitig ist auch wichtig, dass die Einzelperson, die Zivilgesellschaft, jede und jeder Einzelne auch, der vielleicht diesen Beitrag hört (oder liest), sich motiviert fühlt, zur Transformation beizutragen. Dass man es nicht einfach nur den Politikern oder den Konferenzen überlassen kann; dass positive Transformation wirklich von jedem und jeder Einzelnen auch ausgeht.
Radio Vatikan: Haben Sie denn auch konkrete Tipps, was jeder im Alltag tun kann?
Adrion: Es geht vor allem um die Dinge, die wir konsumieren, etwa unsere Kleidung, wie wir uns ernähren. Wir haben schon Einfluss durch unsere Kaufentscheidungen, durch unsere Konsumentscheidungen. Wie viel Wasser konsumieren wir eigentlich? Nicht nur direkt durch Duschen, durch Trinken oder oder vielleicht auch zwischendurch eine Badewanne - sondern vor allem auch durch die Produkte, die wir konsumieren.
Da haben wir alle die Möglichkeit, darauf zu achten: Wo kommen die Produkte her, wie viel Wasser brauchen die? Und ist es wirklich notwendig, jeden Tag ein großes Stück Fleisch zu essen? Fleisch braucht sehr viel Wasser in der Produktion. Das ist ein Beispiel, wie man durch das, was man konsumiert, auch dazu beitragen kann, Wasser sensibel vorzugehen.
Radio Vatikan: Die Vereinten Nationen haben in Zusammenarbeit mit der UNESCO den Weltwasserbericht 2023 vorgelegt, der eine ziemlich verheerende Bilanz gezogen hat. In diesem Bericht heißt es auch, dass Dürren und schlechte Wasserqualität - Stand jetzt - weiter zunehmen werden. Wie bleibt da die Hoffnung, dass wir die Kurve doch noch kratzen können?
Adrion: Wir müssen positiv bleiben. Es hilft ja auch nicht, wenn wir den Mut verlieren. Wir müssen daran glauben, dass wir durch eine gemeinsame Anstrengung, durch eine bessere Koordination, auch durch technische Errungenschaften, in der Lage sind, die Themen in den Griff zu bekommen. Natürlich sind die Entwicklungen und auch die Vorhersagen jetzt nicht automatisch nur positiv. Gleichzeitig ist auch klar, dass wir einen Einfluss haben können und den müssen wir einfach geltend machen.
Die letzten drei Tage, wenn man sieht, mit was für einer Motivation die Menschen hier sind und mit welcher Leidenschaft für das Thema Wasser aus der ganzen Welt Menschen anreisen, und einfach alle eins im Sinn haben: Nämlich das Wasser zu schützen. Da glaube ich noch immer an uns Menschen. Wenn wir wirklich Anstrengungen machen, dann können wir Dinge auch verändern.
Radio Vatikan: Papst Franziskus hat schon 2015 eine Enzyklika, ein großes Schreiben herausgebracht, „Laudato si", in dem es auch um Umweltschutz geht. Wasser ist da auch ein ganz wichtiger Punkt. Da hat der Papst ganz viele Dinge schon gesagt, die jetzt immer noch aktuell sind...
Adrion: Das fand ich einen sehr wohltuenden Impuls aus dem Vatikan, auch vom Papst, dass er sich auch diesen Themen annimmt, dass er sich dort Gehör verschafft und Einfluss nimmt auch auf die Zivilgesellschaft, auf die Politik. Das finde ich persönlich sehr wohltuend, dass die katholische Kirche da einen immensen Einfluss auf der ganzen Welt im Bereich Nachhaltigkeit geltend macht. So muss es ja am Ende des Tages auch funktionieren: Dass wir wirklich alle gesellschaftlichen Ebenen bündeln, um diese Anstrengung dann wirklich zu schaffen.
Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen. Interviewpartner Benjamin Adrion war bei der Weltwasserkonferenz in New York. Adrion hat die Initiative „Viva con Agua" gegründet, die sich für Wasser als Menschenrecht und konkret für sauberes Trink- und -Abwasser einsetzt.
(vatican news - sst)
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