Migranten und Flüchtlinge: „Italien seit 40 Jahren im Notstand"
Stefano Leszcyznski und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Eine würdevolle Aufnahme von Flüchtlingen ist aus Sicht der katholischen Kirche in Italien durchaus möglich. Als Beispiel dafür nannte der Leiter der römischen Zentrale des Jesuitenflüchtlingsdienstes JRS den jüngsten Jahresbericht des JRS. Der 22. Jahresbericht wurde am Donnerstag im Centro Astalli in Rom vorgestellt. Pater Camillo Ripamonti, Leiter des Zentrums, verwies dabei auf den Umgang Italiens bei der Aufnahme von 170.000 Flüchtlingen aus der Ukraine im vergangenen Jahr. Angesichts einer verstärkten Anlandung von Migranten auf dem Seeweg nun den Ausnahmezustand zu verhängen, sei hingegen „keine Vision für die Zukunft", so Ripamonti. Der Jesuit mahnte eine menschliche Flüchtlingspolitik an. Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), Kardinal Matteo Zuppi:
„Die Zahlen sind natürlich sehr wichtig, sie helfen uns, die Realität besser zu verstehen. Aber wir haben schon viel größere Notlagen gehabt als die aktuelle. Wenn stimmt, dass wir alle im selben Boot sitzen und nur gemeinsam Lösungen finden, hoffe ich darauf, dass es eine neue Sichtweise der Migration gibt, die die Zukunft im Blick hat, statt Dinge zu tun, die nicht helfen", erklärte der Erzbischof von Bologna auf Anfrage von Radio Vatikan.
„Stato di emergenza"
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte wegen des anhaltenden Zustroms von Migranten auf dem Seeweg und der Überfüllung mehrerer Aufnahmezentren, etwa auf der Insel Lampedusa, zu Ostern den „stato di emergenza", den Notstand erklärt. Den hat Italien bisher etwa bei der Corona-Pandemie oder Naturkatastrophen ausgerufen. Der aktuelle „Migrations-Notstand" soll vorerst ein halbes Jahr dauern und einerseits ermöglichen, schneller weitere Aufnahmezentren für Migranten zu schaffen, andererseits Abschiebungen zu beschleunigen. Außerdem mahnte Italien erneut mehr Unterstützung aus Europa an.
„Auf Lampedusa herrscht Notstand, weil die Insel und die dortigen Strukturen seit Monaten überlastet sind. Da können nicht mehr Leute aufgenommen werden. Das muss also gestoppt werden. Der Ausnahmezustand kann auch genutzt werden, um endlich wirkliche Antworten zu liefern, das ist die Herausforderung", meint der Vorsitzende der katholischem italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Zuppi.
Rund um Ostern, vom 7. bis zum 11. April, kamen laut Angaben der italienischen Regierung etwa 3.000 Bootsmigranten an; nach Angaben italienischer Medien rund 2.000 davon auf der Insel Lampedusa. Viele weitere Menschen sind zudem immer noch auf der Mittelmeerroute unterwegs, wo sich auch die Zahl der Ertrunkenen wieder erhöht. Auf dem Weg über das Mittelmeer sind nach UN-Angaben in den ersten drei Monaten dieses Jahres so viele Flüchtlinge ertrunken wie seit sechs Jahren nicht mehr. Zwischen Januar und März verloren 441 Menschen auf dieser Route Richtung Europa ihr Leben, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch (12.4.2023) mitteilte. Seit 2014 seien mehr als 26.000 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen oder verschollen, darunter mehr als 20.000 auf der Route Richtung Italien und Malta, erklärte zudem diesen Donnerstag (13.4.2023) UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk in Genf.
UN-Menschenrechtskommissar alarmiert
Dank an Italiens Küstenwache
Der Menschenrechtskommissar lobte Italiens Küstenwache, die allein seit Freitag der vergangenen Woche rund 2.000 Menschen rettete. Schätzungsweise 400 Menschen warteten auf See noch auf Hilfe, sagte Türk.
(vatican news/kna/diverse - sst)
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