Ostern in Äthiopien: Hoffnung für Migranten und Vertriebene
Alessandro Di Bussolo – Addis Abeba
In Äthiopien sind Katholiken in der Minderheit - die kleine Gemeinde macht weniger als zwei Prozent der Bevölkerung aus. Das hat auch Auswirkungen auf das Osterdatum: Gefeiert wird nämlich mit der großen Äthiopisch-Orthodoxen Kirche, die mehr als 32 Millionen Gläubige hat - das sind mehr als 43 Prozent der Bevölkerung. Daher feiern auch die Katholiken am Horn von Afrika das Osterfest am 16. April, also eine Woche nach dem üblichen Termin des lateinischen Ritus.
Gemeinsames Mahl mit Muslimen
Dass christliche Osterfest fällt in diesem Jahr einige Tage vor das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan am 21. April. In Äthiopien gibt es auch viele Muslime; sie machen mehr als 30 Prozent aus.
„Weil unsere Fastenzeit sich dieses Mal mit der muslimischen überschneidet, hat die Stadtverwaltung von Addis Abeba an einem Sonntagabend ein gemeinsames Abendessen für alle muslimischen und christlichen Führer organisiert. Gott sei Dank gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften in Äthiopien", berichtet Don Petros Berga, Leiter der sozio-pastoralen Kommission der Erzdiözese Addis Abeba und apostolischer Visitator für die äthiopischen Katholiken in Europa.
Langes Fasten bis Fasika, dem koptisch-orthodoxen Ostern
Pater Petros erklärt, dass die Katholiken in Äthiopien bis Fasika, dem koptisch-orthodoxen äthiopischen Osterfest, 55 Tage lang fasten. Diese Zeit werde „Hudade" oder „Abye Tsome" genannt. Man verzichtet währenddessen „auf jegliche Art von Fleisch und Milchprodukten", so der Geistliche. „Der Tradition gemäß isst man nur Gemüse, Getreide, Linsen, Erbsen, Obst und verschiedene Gemüseeintöpfe. In manchen Gegenden wird auch Fisch gefastet". Während der Fastenzeit wird die erste Mahlzeit des Tages nach 15 Uhr eingenommen, außer samstags und sonntags, „wenn eine Mahlzeit nach der Morgenmesse erlaubt ist", erklärt er weiter. In der Osternacht gehen die Gläubigen zu einer Feier in die Kirche, die um 18 Uhr beginnt und um 2 Uhr morgens endet. Das Fastenbrechen ist mit Huhn oder Lamm, das am Vorabend vor 18 Uhr geschlachtet wurde. Während der Fastenzeit gab es auch „einige ökumenische Initiativen in Äthiopien, wie gemeinsame Gebete und Wohltätigkeitsveranstaltungen, die von verschiedenen Kirchen organisiert wurden: orthodox, katholisch, evangelisch".
Fragiler Friede
Vor allem im aktuellen äthiopischen Kontext, so betont Pater Berga im Gespräch mit uns, sei das „Zeugnis der Einheit und Solidarität unter den Christen sehr wichtig, um Frieden, Versöhnung und Solidarität zwischen den Völkern zu fördern". Äthiopien, das größte Land am Horn von Afrika, hat erst mit dem Friedensabkommen vom November 2022 den mehr als zweijährigen Bürgerkrieg in der Region Tigray beendet.
Der Interreligiöse Rat von Addis Abeba und Hilfe für Migranten
In Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens sind auch die religiösen Einrichtungen des Landes angesiedelt. In der ständig wachsenden Metropole mit mehr als vier Millionen Einwohnern wurde auch ein interreligiöser Rat eingerichtet. Ein Rat, der, wie der Pater Berga, als Leiter der sozio-pastoralen Kommission der Erzdiözese erklärt, zusammen mit der Stadtverwaltung „auch Solidaritätsaktionen für die Bedürftigen aller Religionen, einschließlich der Anhänger traditioneller Religionen, organisiert". Das Ganze übrigens nicht nur in der Hauptstadt. Vielerorts gibt es Binnenvertriebene aus Gebieten, in denen es immer noch bewaffnete Auseinandersetzungen gibt; außerdem Migranten aus den Nachbarländern und „zurückkehrende" Flüchtlinge - also Äthiopier, die etwa in Saudi-Arabien, im Jemen oder in anderen arabischen Ländern ein besseres Leben suchten und in ihre Heimat abgeschoben wurden oder nach einer negativen Erfahrung freiwillig zurückkehrten. Mit mehr als einer Million aufgenommener „internationaler" Migranten (UN-Definition) liegt Äthiopien nach Uganda auf Platz 2 der Länder in der Region. Zudem gibt es mehr als 2,5 Millionen Binnenvertriebene, die größtenteils durch den Krieg in Tigray verursacht wurden.
Das Pilotprojekt des GSF
Um all diesen Menschen in ihrer Not zu helfen, hat der Global Solidarity Fund (GSF) - ein innovatives Bündnis von Ordensgemeinschaften, Privatunternehmen und internationalen Organisationen - Ende 2020 ein Pilotprojekt gestartet. Beteiligt sind verschiedene katholische Ordensgemeinschaften - konkret Salesianer und Salesianerinnen, Ursulinen, Missionarinnen der Nächstenliebe und Jesuiten (über den Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS). Koordiniert wird das Projekt von der sozio-pastoralen Kommission der Erzdiözese Addis Abeba, die Pater Berga leitet. Jede Kongregation mit ihrer Spezialisierung spielt eine Rolle in diesem interkongregationalen Netzwerk, das laut eigener Aussage bisher mehr als 1. 500 Bedürftigen geholfen hat. Das Netzwerk organisiert Berufsausbildungen und vermittelt sonstige nötige Fähigkeiten, um auf dem lokalen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen - entweder durch eine Anstellung in einem Unternehmen oder durch die Gründung eines eigenen Mikrounternehmens.
Osterfeier mit Müttern und Kindern des Nigat-Zentrums
„Auf diese Weise verändern wir gemeinsam das Leben vieler Flüchtlinge, Binnenvertriebener und Rückkehrer", sagt Pater Berga. Mit Blick auf Ostern erklärt er: „Während wir uns auf die Feier des Festes der Auferstehung vorbereiten, denken wir auch an Momente des Lichts: Menschen, die unterwegs sind, tragen eine tiefe Hoffnung in sich und versuchen immer wieder aufzustehen und neu zu beginnen. Wenn ihnen geholfen wird, kommt die in ihnen verborgene Kraft zum Vorschein, ihr Leben und das ihrer Familien zu verändern. Viele junge Menschen streben nach einem besseren Leben, fliehen aus Konfliktsituationen und brauchen Hilfe. Dieses Projekt ist ein lebensveränderndes Geschenk für sie". Ein konkretes Beispiel dafür ist das Nigat-Zentrum, das Missionarinnen der Nächstenliebe in Addis Abeba einegrichtet haben. Dort nehmen sie von ihren Partnern verlassene Flüchtlingsmädchen und ihre Mütter auf. Leiterin dieses GFS-Projekts der Mutter-Teresa-Schwestern ist Girma Anto Muane. Wie bereits in der Vergangenheit wird es auch dieses Jahr im Nigat-Zentrum ein Osterfest geben - „einen Moment der Begegnung und des Feierns geben, für die Mütter und ihre Kinder und für all diejenigen, die in unseren Unterkünften leben", berichtet die Ordensfrau.
Pater Berga: Vertrauen auf Versöhnung mit Tigray
Mit Blick auf die Situation in Tigray, wo in zwei Jahren Krieg mehr als 500.000 Menschen ums Leben gekommen sind, und in den Gebieten im Westen Äthiopiens, an der Grenze zum Sudan und zum Südsudan, wo es in den vergangenen Tagen gewaltsame Zusammenstöße und Opfer gab, hofft Pater Petros, dass das Osterfest „Hoffnung und Heilung für die Menschen bringen wird, die so sehr unter den Konfliktsituationen gelitten haben". Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens „freuen sich die Menschen auf eine neue Zukunft der Versöhnung. Wir beten auch für die Konfliktsituationen in anderen Teilen der Welt, insbesondere in der Ukraine. Möge die Kraft der Auferstehung des Herrn unsere Welt mit ihrem dauerhaften Frieden verwandeln, so dass wir bezeugen können, dass die Auferstehung Christi unsere Welt heilt".
Don Bosco-Schwester: GSF-Projekt schenkt Migranten neues Leben
In Zway, einer Stadt am gleichnamigen See, drei Autostunden südlich von Addis Abeba, betreiben Don Bosco-Schwestern eine Mission mit einem Berufsbildungszentrum. Die Leiterin ist Schwester Nieves Crespo aus Madrid. Sie lebt bereits seit 2002 in Äthiopien und ist auch für das GSF-Projekt in der Hauptstadt verantwortlich. Radio Vatikan/Vatican News hat mit ihr über Ostern 2023 in Äthiopien gesprochen.
Wie werden Sie dieses Osterfest in Ihren Missionen und in den Ausbildungszentren der Don Bosco Schwestern in Äthiopien erleben?
Hier in Äthiopien betreiben wir Salesianerinnen sechs Missionen. Unser Hauptengagement ist Bildung, und zwar vorrangig für die Ärmsten. Wie wir das Osterfest feiern und erleben? Im Moment bin ich in der Mission von Zway, in der Region Oromia, wo wir mehr als 2.600 Kinder im Kindergarten und in der Berufsschule haben. Wir haben auch ein Ernährungsprogramm mit vielen Kindern aus den Dörfern, von denen viele bis auf die Knochen abgemagert sind. Ostern bedeutet für uns Hoffnung und neues Leben. Und in einem Kontext, in dem wir mit wenigen Katholiken, mit vielen Orthodoxen und vielen Muslimen zusammenarbeiten, versuchen wir, Ostern zu leben und vorzubereiten nicht nur auf der Ebene dessen, was wir in der Kirche, unter den Katholiken, tun, sondern auch mit all diesen jungen Menschen und Kindern.
In den Wochen vor Ostern haben wir diesen sehr salesianischen Moment, den wir „Guten Morgen" nennen und bei dem wir versuchen, den Weg zu Ostern vorzubereiten. Dabei denken wir immer auch daran, dass wir so viele Muslime bei uns haben, die gerade Ramadan haben. In unseren Berufsschulen, vor allem in der in Addis Abeba, leben 17 junge Mütter mit je einem Kind, die sehr arm sind, so dass wir versuchen, alles mit ihnen zu teilen. Die Frauen lernen in der Berufsschule, und wir lassen sie bewusst an unseren katholischen Feiern teilnehmen, die wir in der Mission haben, auch wenn sie aus anderen Religionen kommen.
In der Tat sind viele der jungen Frauen und Männer, denen Sie helfen, Christen anderer Konfessionen und viele Muslime. Können Sie mit den ersten Momente des ökumenischen Gebets und mit den zweiten interreligiöse Momente leben?
In unserem Äthiopien, das ein wunderschönes Land ist, in dem viele Kulturen und auch viele Religionen zusammenleben, leben wir als sehr wenige Katholiken, mit Orthodoxen, Protestanten und Muslimen zusammen. Wir versuchen, gemeinsame Momente zu haben. Während der Gebetswoche für die Einheit der Christen hatten wir zum Beispiel Treffen, die wir Katholiken fast immer in der Pfarrei organisieren, Momente des gemeinsamen Gebets. Zu Ostern hat die orthodoxe Kirche, die im Land historisch bedingt sehr präsent ist, ihren eigenen Ritus für Fasika, das Osterfest der koptisch-orthodoxen Kirche Äthiopiens. Auch die Protestanten haben ihre Traditionen, und wir haben unsere. Aber wir Katholiken hier halten uns an den orthodoxen Kalender. Unser Ostern war nicht diesen Sonntag, sondern wir feiern eine Woche später, um die Momente dieses großen Festes aller Christen, das Ostern ist, zu vereinen. Die muslimische Fastenzeit liegt unserem Ostern in diesem Jahr sehr nahe. Wir feiern Ostern am 16. April; die Muslime beenden den Ramadanam 21. April. Auch wenn wir keine speziellen Gebetszeiten mit ihnen haben können, ist es schön zu sehen, wie wir alle diese Zeit der Buße verbringen. Sie fasten sehr streng; auch wir haben unsere Fastenzeit. Wir alle glauben, trotz unserer unterschiedlichen religiösen Traditionen und Glaubensrichtungen an eine andere Zukunft und setzen unsere Hoffnung auf die Wahrheit. Und in unseren Ausbildungszentren haben wir gemeinsame Momente, wie die „Guten Morgen"-Momente zur Vorbereitung auf Ostern.
Kann die österliche Auferstehung in Äthiopien auch zu einer echten Friedensstiftung in Tigray und anderen Gebieten des Landes werden, in denen Gewalt herrscht? Welche Hoffnung gibt es, auch wenn man die Stimmen der Flüchtlinge aus dem Norden hört, dass wir uns wirklich versöhnen und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können?
In Äthiopien erleben wir in den vergangenen Jahren eine Situation, die nicht einfach ist, und für mich ist das auch eine neue Situation. Ich bin im Jahr 2002 zum ersten Mal hierher gekommen, und in der jüngsten Zeit scheint sich die Lage im Land wirklich immer weiter zu verschlechtern. Es stimmt zwar, dass sich die Lage in Tigray Gott sei Dank verbessert hat, aber auch, weil sie vorher so dramatisch war. Der Krieg hat aufgehört. Aber unsere Schwestern in der Mission in Adua berichten, dass es viele Flüchtlingslager gibt, dass es Hunger gibt und dass nach diesen mehr als zwei Jahren Krieg junge Menschen keine Hoffnung mehr haben. So viele von ihnen haben gekämpft und viele andere haben seit drei Jahren keine Schule mehr besucht. Und das nicht nur in Tigray, denn auch hier, in der Region Oromia, ist die Lage sehr instabil. Das gilt auch für andere Teile des Landes, wie die Region Amara und Gebiete im Norden, an der Grenze zu Eritrea und Sudan. Dort gibt es immer noch fast täglich Tote. Lasst uns gemeinsam beten und Gott bitten, dass dieser Weg, der begonnen hat, ein wahrer Weg des Friedens wird und dass es Jesus selbst ist, der uns durch das Kreuz, das wir hier jeden Tag im Leid so vieler junger Menschen und Kinder sehen, wahres Licht, wahre Hoffnung bringt und uns Wege in die Zukunft eröffnet.
Die Auferstehung ist auch die Perspektive und die Hoffnung für das Leben so vieler Frauen und Männer, die Sie ausbilden und denen Sie mit dem GSF-Pilotprojekt helfen, Arbeit zu finden. Können Sie uns eine Geschichte der Auferstehung erzählen?
Auferstehung und Hoffnung leben wir nicht nur in dieser Zeit der Vorbereitung auf Ostern, sondern jeden Tag. Wir haben das Glück, in unserem Zentrum in Addis Abeba mit vielen Frauen und jungen Mädchen zusammenzuleben. Es sind Mädchen und junge Frauen, die viel gelitten haben. Die Mutter Teresa-Schwestern schicken diese jungen Frauen zu uns, weil sie durch verschiedene Umstände schwanger wurden und Kinder bekommen haben. Nach einer dreimonatigen Betreuung durch die Missionarinnen der Nächstenliebe finden diese Mütter Dank der Zusammenarbeit des GSF-Projekts dann bei uns einen Ort, an dem sie mit ihrem kleinen Kind leben und eine Ausbildung erhalten können. Dank dieses Projekts sind wir auch in der Lage, für jede von ihnen eine Arbeit zu finden, was ihr Leben verändert und eine Hoffnungsquelle ist.
Hanans neues Leben
Ich kann die Geschichte von Hanan erzählen, einem Mädchen, das vor vier Jahren nach Addis Abeba kam, als sie erst 15 Jahre alt war. Sie stammte aus einer sehr armen Familie und kam, um Arbeit zu suchen. In Addis Abeba wurde sie betrogen, auf den Straßenstrich geschickt und schwanger. Sie ging zu den Mutter Teresa-Schwestern, die ihr halfen, das Kind anzunehmen. Hanan kam dann zu uns. Sie lebte in unserer Mission in Addis Abeba, im Mary Help College, mit anderen Müttern und Kindern. Sechs Monate machte sie dort Schneide- und Nähkurse. Danach gelang es uns, für sie - wie für so viele andere auch - eine Arbeit zu finden. Jetzt wohnt sie in einem Miethaus mit drei anderen Frauen, ganz in der Nähe unserer Mission. Jeden Morgen um 6 Uhr steht sie auf, bringt ihr Baby zu unserem Betreuungsdienst und geht zur Arbeit. Abends um 18.30 Uhr kommt sie zurück, nimmt ihr Baby und geht zurück in ihr kleines Heim.
Es ist sehr schön, den Wandel zu sehen: Als dieses Mädchen zu den Missionarinnen der Nächstenliebe kam, hatte sie keine Zukunft, sie hatte keine Hoffnung, sie liebte nicht einmal ihr Kind, weil es ein weiteres Problem für sie war. Stattdessen hat sie es jetzt geschafft, in Würde zu leben, an sich selbst zu glauben und auch für sich und das Kind zu sorgen. Sie hat sich völlig verändert, was die Art und Weise angeht, wie sie über ihr Kind und ihre Zukunft denkt. Sie ist wirklich ein Mädchen, für die aus dunkler Nacht heller Tag wurde, ein Mensch, der nun voller Hoffnung ist. Dank dieser gemeinsamen Arbeit der verschiedenen Ordenskongregationen, die wir durch das GSF Netzwerk in Addis Abeba leisten können. Das ist in der Tat ein Grund zur Hoffnung, ein Grund zur Osterfreude, ein Grund, Gott zu danken, weil Hanan so vom Tod zum Leben übergegangen ist.
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