Suche

Demonstranten gedenken an die Opfer der Terroranschläge und fordern Gerechtigkeit (22.4.2022) Demonstranten gedenken an die Opfer der Terroranschläge und fordern Gerechtigkeit (22.4.2022)  (AFP or licensors)

Sri Lanka: Kirche fordert weiter Gerechtigkeit für Opfer der Osteranschläge

Vier Jahre nach den Bombenanschlägen vom Ostersonntag, bei denen 261 Menschen ums Leben kamen, sind immer noch keine Schuldigen gefunden worden. Die Kirche des Landes spricht ohne Umschweife von „Vertuschung“ und fordert Gerechtigkeit. Dabei sollte eine internationale Untersuchung unter Leitung der UNO helfen, so der Priester Julian Patrick Perera in unserem Interview.

Devin Watkins und Christine Seuss - Vatikanstadt

„Sie sagen, Christen sollten vergeben. Ja, wir sind bereit zu vergeben. Wir wollen vergeben, aber wir sollten wissen, wem wir vergeben müssen...“, meint Julian Patrick Perera, Sekretär des juristischen Teams der Erzdiözese Colombo, zu den Bemühungen der Ortskirche, die Täter der Bombenanschläge vom Ostersonntag 2019 zu finden und strafrechtlich zu verfolgen.

Am 21. April 2019, in jenem Jahr Ostersonntag, verübten Terroristen koordinierte Anschläge auf zwei katholische Kirchen, eine evangelisch-christliche Kirche und drei Luxushotels sowie auf einen Wohnkomplex und ein Gästehaus. Die acht Selbstmordattentäter, die nach Aussage der Regierung mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung standen, töteten bei den am selben Tag im Abstand von wenigen Stunden durchgeführten Anschlägen 261 Menschen, darunter auch viele Kinder, mehr als 500 Personen wurden verletzt.

Hier zum Nachhören

Kardinal Malcolm Ranjith, der Erzbischof von Colombo, zeigte sich von Anfang an skeptisch, was die Darstellung der Anschläge durch die Regierung betrifft. Immer wieder hatte er eine internationale Untersuchung gefordert, um die wahren Drahtzieher der Anschläge zu fassen und Gerechtigkeit für die Betroffenen herzustellen.

Kardinal Malcom Ranjith forderte von Anfang an eindringlich Gerechtigkeit
Kardinal Malcom Ranjith forderte von Anfang an eindringlich Gerechtigkeit

Klare Anzeichen für Vertuschung

Auch vier Jahre nach der Terrorserie, die als „Easter Sunday-Bombings“ weltweit ein Begriff ist, sind noch keine nennenswerten Fortschritte bei den Ermittlungen zu verbuchen. Kein Wunder, meint Julian Patrick Perera, der im Interview mit Radio Vatikan betont, es sei „keine ordentliche Untersuchung der ganzen Angelegenheit“ durchgeführt und zu Ende gebracht worden.

„Es ist beschämend für uns, darüber zu sprechen, denn auch wir sind Bürger von Sri Lanka, die durch den vier Jahre langen Prozess gelaufen sind, in dem versucht worden ist, Gerechtigkeit für die Ostersonntagsangriffe zu finden. Wenn ein Verbrechen geschieht, muss es zunächst einmal vollständig untersucht werden, dann kann man juristisch vorgehen und Anklage erheben.“ Für ihn liegt es auf der Hand, dass eine großangelegte Vertuschung im Gang sei, da mehrere Schlüsselermittler von dem Fall abgezogen worden seien.

Papst Franziskus und Patrick Perera am 25. April 2022, als Franziskus Betroffene der Anschläge im Vatikan traf
Papst Franziskus und Patrick Perera am 25. April 2022, als Franziskus Betroffene der Anschläge im Vatikan traf

„Es wurde auch eine Art Augenwischer-Prozess gegen etwa 25 Mitglieder der so genannten terroristischen Bewegung angestrengt. Aber diese Anklagen sind sehr oberflächlich“, erläutert Perera, der auch hinzufügt, dass der Fall aus sage und schreibe 23.000 Anklagepunkten besteht. „Das bedeutet nach Auffassung von Anwälten, dass dieser Prozess niemals zu Ende geführt werden kann. Wie kann man 23.000 Anschuldigungen untersuchen und so viele Hunderte von Personen ins Kreuzverhör nehmen?“, fragte er sich. „Sie sehen also, dass in erster Linie eine ganz klare Vertuschung vorliegt.“

Kardinal Malcolm Ranjith bei der Beerdigung von Opfern der Osteranschläge in Colombi
Kardinal Malcolm Ranjith bei der Beerdigung von Opfern der Osteranschläge in Colombi

Juristischer Sieg

Wie Perera feststellte, wurden Mitte Januar dieses Jahres jedoch einige Fortschritte erzielt, als der Oberste Gerichtshof Sri Lankas den ehemaligen Präsidenten Maithripala Sirisena und vier hochrangige Sicherheitsbeamte zivilrechtlich wegen Fahrlässigkeit verurteilte. Sie hätten im Vorfeld der Bombenanschläge vom Ostersonntag nicht auf Geheimdienstinformationen reagiert, die auf einen möglichen Terroranschlag hinwiesen, so der Schluss des Gerichts. Sie wurden außerdem dazu verurteilt, aus ihrem persönlichen Vermögen insgesamt 310 Millionen Rupien (über 800.000 US-Dollar) Entschädigung an die Familien der Opfer zu zahlen.

Insgesamt 13 Familien hatten sich dem Gerichtsverfahren angeschlossen, das auch durch die Kirche und Aktivistengruppen unterstützt worden war. Die Kirche hatte sich hoch erfreut über das „historische“ Urteil gezeigt. „Aber da gibt es ein anderes Problem, was die juristische Aufarbeitung betrifft, denn die Staatsanwaltschaft müsste eigentlich Anklage gegen die erheben, die der Fahrlässigkeit für schuldig befunden wurden, aber auch das ist nicht geschehen.“

Die Verurteilung durch den Obersten Gerichtshof eröffne jedoch weitere zivilrechtliche Verfahren vor Gerichten in anderen Ländern, da bei den Anschlägen 45 ausländische Staatsangehörige getötet wurden. Wie Julian Patrick Perera meint, könnten die Familien dieser Opfer die srilankischen Behörden in ihren Heimatländern nun auf der Grundlage dieses Urteils auf Entschädigung verklagen.

Mahnwache für die Opfer der Anschläge in Colombo am 21. April 2022
Mahnwache für die Opfer der Anschläge in Colombo am 21. April 2022

UN-geführte Untersuchung gefordert

Die Kirche verfolgt auch die zusätzliche rechtliche Möglichkeit, eine von der UNO unterstützte internationale Untersuchung zu beantragen. Er selbst hatte vor kurzem den Fall auf der 52. Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, die vom 27. Februar bis zum 4. April in Genf stattfand, vorgetragen. Als Vertreter von Franciscan International, einer Nichtregierungsorganisation mit allgemeinem Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, sagte Pater Perera, dass die sri-lankischen Gerichte keine strafrechtlichen Verurteilungen für die Drahtzieher der Anschläge ausgesprochen hätten, und er forderte die Vereinten Nationen auf, sich auf die universelle Zuständigkeit in diesem Fall zu berufen, um die Bombenanschläge zu untersuchen.

„Das ist nicht einfach. Denn man muss in Sri Lanka alle Tatsachen und Beweise zusammentragen, Zeugen finden… Einen Fall zu gewinnen, bedeutet mehr als hundertprozentigen Einsatz“, räumt Perera ein. „Und auf internationaler Ebene wird es noch schwieriger sein. Aber ich denke, das ist unsere christliche Berufung. Und in unserer prophetischen Rolle glaube ich, dass wir es tun müssen.“

Die Vereinten Nationen sollen nach dem Willen der srilankischen Kirche eine internationale Untersuchung anstrengen
Die Vereinten Nationen sollen nach dem Willen der srilankischen Kirche eine internationale Untersuchung anstrengen

Kirche setzt sich für Gerechtigkeit ein

Auch weil die katholische Kirche eine der wenigen Institutionen sei, die „das nötige Kleingeld“ und internationale Standing habe, um es mit der srilankischen Regierung aufzunehmen und für Gerechtigkeit zu sorgen.

„Wir sind bereit, es darauf ankommen zu lassen, denn wer sonst sollte so etwas auf internationaler Ebene tun, wenn nicht wir“, sagte er. Dabei gehe es nicht darum, persönliche Rachegelüste zu stillen: „Aber wenn wir nicht wissen, wer das getan hat, dann kann es sich wiederholen, entweder gegen unsere Leute oder gegen alle anderen, Buddhisten, Muslime, oder wen auch immer… Das ist der Grund, aus dem wir unter der Leitung von Kardinal Malcolm Ranjith von Colombo dafür kämpfen, dass die Wahrheit aufgedeckt wird.“

Ein immer wieder vorkommendes Muster

Der Priester wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass in Sri Lanka vor Wahlen häufig Gewalt herrsche und dass die Politiker die Morde ausnutzten, um ihre Anhängerschaft anzufeuern.

„In Sri Lanka sind solche Dinge - Morde, getötete Menschen - all die Jahre passiert und wurden unter den Teppich gekehrt. Wann immer eine Wahl ansteht, sind solche Dinge Teil des politischen Wahlkampfes“.

Deshalb strebe die Kirche nicht nur für die Katholiken, sondern für „die gesamte Bevölkerung Sri Lankas Gerechtigkeit an, denn solange wir die wahren Schuldigen nicht ausfindig machen, werden wir niemals ein freies Land sein können. Und durch Gottes Gnade haben wir schon viele Fortschritte gemacht, und wir werden weiter vorankommen.“

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

09. April 2023, 10:05