Radio-Akademie: Polen – Kirche im Umbruch (3)
Bis vor kurzem galten die Polen noch als ausländerfeindlich. Als Menschen, die keine Migranten oder Flüchtlinge bei sich dulden, die unter sich bleiben wollen. Dann brach vor einem Jahr der Ukraine-Krieg aus – und das ganze Land empfing die Flüchtlinge aus dem Nachbarland mit offenen Armen. Klar, sind ja auch keine Muslime, könnte man einwenden. Aber so einfach ist das nicht. Zwischen den Polen und den Ukrainern gibt es viele kulturelle, auch religiöse Unterschiede – und zwischen ihnen steht eine schmerzhafte Geschichte. Trotzdem: offene Arme für die Flüchtlinge aus dem Nachbarland.
Freiwillige Helfer an Bahnhöfen und an der Grenze
Wir sind in Warschau am Sitz der polnischen Caritas. Ihr Vize-Direktor, Ireneusz Krause, erklärt uns, wie sich sein Verband für die Flüchtlinge einsetzt. „Wir haben in 32 Städten Service-Centren für sie. Dort helfen wir ihnen zum Beispiel, Unterkunft zu finden oder einen Arbeitsplatz zu suchen; sie bekommen Nahrungsmittelhilfen, aber auch psychologische und Rechtsberatung. Außerdem arbeiten wir mit den zwei Caritasverbänden der Ukraine zusammen, indem wir Hilfen dorthin schicken, und wir arbeiten auch mit Pfarreien, mit Gemeinden direkt zusammen, indem wir ein Cash-Programm für arme Familien anbieten.“
Anfangs war natürlich auch die polnische Caritas überrascht und überfordert, als Ende Februar 2022 Putin die Ukraine überfiel und Hunderttausende in Richtung Polen flohen. Etwa zum Grenzübergang von Przemysl, der dem westukrainischen Lemberg (Lviv) am nächsten liegt. „Das war nicht so leicht! Aber durch den Einsatz von vielen Freiwilligen, besonders in den ersten Wochen und Monaten an der Grenze, an den Bahnhöfen, konnten wir auf Anhieb viel leisten…“
Keine Neid-Debatte
Nach Kriegsausbruch waren in Polen alle damit einverstanden, dass den Ukrainern massiv geholfen wurde. Eine Neid-Debatte – warum wird den Ukrainern geholfen und nicht so sehr verarmten Polen – kam nicht auf. „Dieser Enthusiasmus war zunächst groß; jetzt hat er natürlich im Vergleich zum letzten Jahr etwas nachgelassen, aber er ist dennoch stabil. Die Menschen in Polen verstehen, dass die Ukrainer weiterhin Hilfe brauchen.“
„Außergewöhnliche Großzügigkeit“
Der Erzbischof von Danzig, Tadeusz Wojda, ist beeindruckt von der Großzügigkeit seiner Landsleute gegenüber den Flüchtlingen. „Das ist etwas Außergewöhnliches“, sagt er uns in einem Interview, „denn vor diesem Krieg in der Ukraine gab es wegen der Massaker an Polen durch Ukrainer während des Zweiten Weltkriegs immer gewisse Spannungen zwischen Ukrainern und Polen.“
Doch das alles sei im Februar 2022, als Putin die Ukraine überfiel, „sofort vergessen“ gewesen. „Polen öffnete sich, Polen nahm ukrainische Familien auf, sowohl in kirchlichen als auch in staatlichen Strukturen, und viele Familien wurden von einfachen polnischen Familien aufgenommen. Allein in unserem Gebiet Pommern (nennen wir es mal so) haben wir über 250.000 Ukrainer aufgenommen! Einige sind in ihre Heimat zurückgekehrt, weitere sind woanders hingegangen, aber viele sind geblieben, haben sich in die polnische Gesellschaft integriert, und es gibt keine Probleme.“
Eine spirituelle Erklärung
Der Danziger Erzbischof ist, so sagt er, tief berührt von der Aufnahmebereitschaft und Großherzigkeit der Menschen in Polen gegenüber den Flüchtlingen. Allerdings – so völlig überraschend sei das nun auch wieder nicht. „Wenn wir ein wenig tiefer in die polnische Mentalität eindringen, dann haben die Polen im Laufe der Geschichte immer viel gelitten; sie wissen darum genau, was Krieg ist, was es bedeutet, kein Zuhause mehr zu haben, kein Essen mehr zu haben, keinen Strom mehr und all die anderen Dinge.“
Das sei eine Erklärung für die Hilfsbereitschaft. Aber er sehe das Ganze zusätzlich noch aus einer spirituellen Perspektive, sagt Erzbischof Wojda. „Wenn wir sagen, dass die polnische Kirche ein starkes Beispiel ist, weil so viele Polen zur Kirche gehen, dann war dies eine außergewöhnliche Gelegenheit, dieses Christentum zu demonstrieren - und die polnischen Christen, die Katholiken haben diese Prüfung wirklich mit Bravour bestanden. Da ist ein Volk in Not? Wir helfen, weil wir das Evangelium leben! Wir leben das, was Papst Franziskus immer wieder sagt... Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es eine außergewöhnliche Sache.“
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(vatican news)
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